22
Feb
2006

"Stadelmaier..., der den Theaterzwergen nicht einmal im niedergehenden Rampenlicht lange Schatten zubilligt"

Nun haltet aber bitte mal die Luft an: da lesen wir heute in der WELT
einen Text zur Stadelmaier-Affäre des Kritikers Karasek, der aus gutsituierter bürgerlich-elitärer Position seinen Kollegen verteidigt und einen Eindruck hinterläßt, als sei der Kritiker am Ende das Beste am ganzen Theater. Das stellt ja nun alles auf den Kopf, solche Sehnsüchte nach Verewigung sind absolut lächerlich. Hier meine Reaktion, die ich als Leserbrief gemailt habe:

"Stadelmaier..., der den Theaterzwergen nicht einmal im niedergehenden Rampenlicht lange Schatten zubilligt"

- in diesem verächtlichen Satz liegt die ganze Crux des Mißverständnisses: wenn Stadelmaier oder Karasek den 'Tort' des Theatererlebnisses so abscheulich finden, warum gehen sie dann hin? Wenn sie den Beruf - sh. Karaseks Text - so hassen oder gehaßt haben, warum üben sie ihn dann aus? Ohne die 'Theaterzwerge' wären die Kritiker keine Riesen, sie existieren nur durch deren Existenz, die sie umgekehrt durch Worte erheben oder vernichten, je nach Geschmack und Laune. Der Unterschied: jede Künstlerbiografie und -qualifikation ist umstandslos zu eruieren, steht in jeder Theaterveröffentlichung oder heutzutage sogar im Internet. Der Künstler ist 'gläsern'. Von den Kritikern wissen wir in den meisten Fällen gar nichts (hier mögen die Vorgenannten Ausnahmen sein); gleich gar nicht weiß der Leser, mit welcher Kompetenz ein Kritiker eine Aufführung verreißt oder lobt.
Karaseks Tendenz, daß die Kritik am Ende mehr wert ist als die 'verstaubte' Aufführung ist allerdings eine beispiellose Verdrehung der Tatsachen: eine noch so mißlungene Aufführung ist das Ergebnis oft wochenlangen kreativen Ringens um die rechte Sprache auf der Bühne in Text, Bild, Darstellung oder Musik. Die Kritik hingegen ist eine Sache von wenigen Minuten und an kreativer Investition wohl kaum mit der Auseinandersetzung im Vorfeld einer Premiere zu vergleichen.
Da wird einmal einem Kritikus der Block entrissen und etwas Lästerliches gesagt - schon heult die ganze Zunft. Mir kommen die Tränen. Wie wäre es denn mal ohne Block? Die Mimen müssen ja ihren Text auch auswendig lernen!

"Vier Schuljahre jedoch sind eine zu kurze Zeit, um Bildungsdefizite aus den Familien auszugleichen."

Nun haben wir es aus UNO-autorisiertem-Mund schwarz auf weiß, daß unser Bildungssystem mangelhaft ist. Dabei tönte Frau Schawan auf die kritische Nachfrage erst kürzlich, es sei wiedermal typisch, daß die Medien die Anwesenheit des UNO-Mannes aus Costa Rica sogleich als Alarmsignal deuteten - wir könnten ganz beruhigt sein.

Das können wir nach seinem Befund nun auf keinen Fall mehr. Was aber der Kommentator der 60-jährigen (Glückwunsch!) ZEITdaraus macht, ist auch nicht gerade nett: " Vier Schuljahre jedoch sind eine zu kurze Zeit, um Bildungsdefizite aus den Familien auszugleichen." Das schreibt sich pointiert recht schnell dahin. Wir Betroffenen wären eigentlich froh, wenn es den Schulen gelänge, unsere oft ganz anständigen Vorleistungen aufrecht zu erhalten und die Kinder nicht gelangweilt und angeödet von der Schule nach Hause zu schicken. Bei 4 Pflanzen aus den Gewächshäusern Meck-Poms, Bayerns bzw. Sachsens weiß ich, wovon ich rede (by the way: Bayern schneidet in Sachen Motivation recht übel ab). Es scheint sich in D einzubürgern, daß an Bildungsdefiziten vor allem die Eltern schuld sind?
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