27
Mai
2006

MEISSENER TEDEUM

Nach erfolgreicher Aufführung heute im Dom zu Meißen (Chor und Orchester der HfM Carl Maria von Weber Dresden unter Hartmut Haenchen) sei an dieser Stelle an ein Stück deutscher Musikgeschichte erinnert.

Das Werk wurde 68 uraufgeführt, die Musiker des Gewandhauses Leipzig traten anonym auf, der Text von G. Grass durfte nicht gedruckt werden, die Presse hatte Verbot, über die Aufführung zu schreiben. Die Mitwirkenden (unter der Leitung des damaligen Meißner Domkantors Erich Schmidt) riskierten die Observation durch die Stasi - wenn nicht noch viel mehr. Ich selbst war damals 9, in den Kreuzchor gerade eingetreten und hörte die heutige B 170 die Panzer nach Prag rollen...

Grass dichtete damals als Gegenstück zum abschließenden "Zeig uns Deine Barmherzigkeit, wie unsre Hoffnung zu dir steht. Auf dich hoffen wir, lieber Herr, in Schanden laß uns nimmermehr. Amen" folgende Zeilen:

Kein Dank. Kein Lob./Alleine mit den Taten,/klein und beschränkt im Vakuum,/nicht zu verstoßen, zu erlösen,/nur irdisch mündig will ich sein./DICH, Zweifel, will ich kettenrauchend rühmen,/DICH eingekellert und verlacht,/DICH, ohne Pass, des Thomas standhaft Finger/und DICH, Vernunft in deiner Ecke,/die Eckensteherin Vernunft will ich laut rühmen; - NEMA! gegen Wind,/will, - NEMA - ich laut rühmen

Nachtrag

(zum letzten Eintrag)

im Berliner Tagesspiegel lesen wir u.a.:

Mit Eifersucht und Argwohn, so scheint es, beurteilen die Rattle-Kritiker den philharmonischen Außenauftritt. Und verwechseln ihn mit dem, was tatsächlich gespielt, programmiert und geplant wird. Die neue Saison wird andere Schwerpunkte bringen. Dass man in aller Ruhe darüber nachdenken muss, wie das menschliche Urbedürfnis zu musizieren übereinzubringen wäre mit neo-biedermeierlichen Fantasien und dem Wunsch nach aurastarken, hochraffinierten Hörerlebnissen, ist offensichtlich. Den Philharmonikern sei die berühmte ruhige Hand gewünscht – den Kritikern aber die Frage gestellt, wie sehr es ihnen auch um Besitzstandsdenken geht, um die Angst, dem nationalen Eigentum „Berliner Philharmoniker“ könnte es kulturbasisdemokratisch an den Kragen gehen.

(der komplette Artikel hier)

Wobei mich besonders die "neo-biedermeierlichen Fantasien" beschäftigen. Der Ruf nach Elite, nach Thielemann, die Kritik an den Grenzen des Aufbruchs Rattles - das alles sind Zeitzeichen eines neuen Konservatismus, der mich abwechselnd bedrückt oder langweilt. Er zieht sich mannigfach durchs Kulturleben. In München (Gärtnerplatz) ist Klaus Schultz nicht verlängert worden, weil ein neuer Intendant das Haus mit Seichterem zum 'Volkstheater' profilieren soll. Mehr Musical, Operette, Spieloper, heiter, leichter verdaulich.

Ob damit die Häuser voll zu kriegen sind? Wage ich zu bezweifeln.
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