3
Okt
2006

"Das Abschlagen von Köpfen ist nicht trivial"

Idomeneo

Manch eine/r hatte hier einen Kommentar erwartet zum Berliner IDOMENEO-'Skandal' (wahlweise Desaster, Debakel o.ä.).

SPIEGEL-online informiert jetzt über eine Debatte dazu. Die Zitate des evangelischen Bischofs aus dieser Debatte machen mich ein wenig nachdenklich: "Jesus, Mohammed und Buddha haben neben Poseidon nichts zu suchen" - das mag aus religiöser oder religionsgeschichtlicher Sicht richtig sein, für den gewöhnlichen Atheisten oder den nach Bildern suchenden Künstler ist das völlig egal: Gott bleibt Gott. Auf der Bühne theologisch einwandfreie Sinnzusammenhänge zu erwarten, würde die Kunst nun ganz und gar abschnüren. Die Sensibilität gegenüber Moses hatte H. M. Broder unlängst schon als säkularisierter Jude beleidigt registriert - da hat Neuenfels wohl gekniffen...
Das andere Huber-Zitat - Das Christentum habe in einem langen Prozess Abstand von der Gewalt gewonnen, "das Abschlagen von Köpfen ist nicht trivial, auch wenn die Köpfe aus Pappe sind", diese "Leidensgeschichte" habe der Islam noch vor sich. - ärgert mich nun wieder wegen der darin implizierten Überlegenheitsattitüde des Christen gegenüber dem Islam.

Zur Verteidigung von Intendantin Harms muß gesagt werden: wäre etwas passiert, wäre sie auch juristisch mit allen Konsequenzen zur Verantwortung gezogen worden - denken wir nur an die bedauernswerten Fluglotsen vom Bodensee oder die armen Schw..., die jetzt den Unfall des Transrapid ausbaden müssen. Intendant heißt eben nicht nur, für die Kunst verantwortlich zu sein. Daß eine andere Entscheidung wünschenswert gewesen wäre - wer wollte es leugnen?

In meiner Münchner ENTFÜHRUNG habe ich angeregt, den Schlußgesang "Wer dieses nicht erkennen kann, den seh' man mit Verachtung an" abzubrechen: vornweg ist von Osmins andauernden Rachegelüsten die Rede und von der Güte des Bassa Selim. Der Muselmann Osmin soll also mit Verachtung angesehen werden, weil er nix kapiert hat. Mozart war seinerseits nicht zimperlich. Unserer abgebrochenen und damit das happy-end verweigernden Version (Konstanze bleibt die Melodie beim Wort Verachtung im Halse stecken, mehr nicht; ohne Köpfe, Blut oder Schüsse) wurde damals vorgeworfen, die "Glückssicherheiten von Mozarts Seelenmusiken" verraten zu haben. Irgendwie fühle ich mich durch die aktuelle Debatte bestätigt.

In dieser Saison darf ich übrigens auch 4x den IDOMENEO geben - in einer überirdisch schönen Version, was die Bühne betrifft; vielleicht zu harmonisch? (Bild sh. oben, Daten: Samstag, 31. März 2007 19.00 Uhr
Sonntag, 08. April 2007 19.00 Uhr
Samstag, 19. Mai 2007 19.00 Uhr,
Samstag, 07. Juli 2007 19.00 Uhr)
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