18
Feb
2014

Neue Räume für Musikhochschule

Haus-2-5-innen

"Noch haben die Bauarbeiter im Haus 2.5 des Kraftwerks Mitte das Sagen. In einem Monat schon sollen aber nicht mehr Bohrmaschinen und Trennschleifer den Geräuschpegel bestimmen, sondern Klaviere, Geigen und Gitarren. Die Hochschule für Musik wird als erster Mieter im März in ein saniertes Gebäude auf dem Gelände des Kraftwerks einziehen."

So melden heute die Dresdner Neuesten Nachrichten.

In meiner Rede zur Investitur 2010 hatte ich neben anderen Schwerpunkten benannt und gefordert:

"Vielleicht lässt sich im Kraftwerk sogar ein Übestudio einrichten, damit in diesem Haus endlich Professoren eigene Zimmer erhalten, ihren Unterricht mit ihrem künstlerischen und auch administrativen Tun besser koordinieren können und wissen, wo sie ihre Tasche abstellen dürfen."

und

"Attraktive und praxistaugliche Studienangebote, Arbeits- und Rahmenbedingungen für Musikvermittlung, Musikpädagogen und Musiklehrende, die wir in unserer Gesellschaft dringend brauchen, wollen wir als Musikland und Musikstadt weiterhin Geltung behalten."

Dass nach 3 1/2 Jahren in dieser Frage Fortschritte "sichtbar" sind, ist wirklich eine gute Nachricht.

Begrüßung zu CANDIDE

...inzwischen eine schöne Erinnerung - aber eine wirklich ganz wundervolle...

Verehrtes Publikum,

leben Sie in der besten aller Welten? Haben Sie sich über diese seltsame Frage schon einmal Gedanken gemacht?
Der heutige Abend IST die beste aller möglichen Welten. Sie hören wundervolle Musik, genießen herrlichen [Un]-Sinn, beschäftigen sich mit weltberühmter Philosophie, bekommen das Ganze golden verpackt mit dem funkelnden Papier des großen Loriot. Im günstigsten Falle gehen Sie aufgeklärt UND amüsiert nach Hause! Dazu so viele junge Leute auf der Bühne – was könnte die Welt noch besser machen in dem Augenblick? Sie sind wahrlich zu beglückwünschen.

So wie ich im Jahre 1996, als mich meine Biografie nach München führte. Unser heutiger 'Erzähler', Prof. Klaus Schultz, damals Staatsintendant am Gärtnerplatztheater, Münchens zweitem Opernhaus, engagierte mich als Dirigent. Eine der ersten Begegnungen: Loriot. Sieben Wochen intensivste Zusammenarbeit an Flotows MARTHA (jawohl, jene, die entschwand und mit ihr das fäschlich besungene Portemonnaie…). Besser ging nicht. Akribie, Humor auf den Punkt (in den Proben fast ohne zu lachen!), Disziplin (etwas preußisch durchaus) und absolute Menschlichkeit – eine herrliche, unvergessliche Zeit.

Später steuerte das Schiff in ganz andere Regionen – mit den Zeitgenossen Reimann, Henze, Tarnopolski, Terterian, Schnebel und Nono setzte Klaus Schultz neben Mozart, Verdi und Strauss ganz andere Akzente und prägte seine Intendanz mit modernen Werken und großen Erfolgen bei Publikum und Presse. Ich hatte die Freude und Ehre, all diese Werke dirigieren zu dürfen. Das war die beste aller mir damals möglichen Welten. Mittendrin Bernstein und Loriot mit CANDIDE – ausgerechnet das ging jedoch an mir vorüber und ich erlebte es nur als Beobachter. Der viel zu früh verstorbene Bernstein-Schüler und Mitarbeiter David Stahl hatte selbstredend das Privileg der ersten und vieler weiterer Nächte, die dem Stück rasenden Zuspruch brachten.

Zeit, in der besten aller nun erreichten Dresdner Welten diese Lücke zu schließen und etwas Dank abzustatten, in den ganz besonders auch die Musikerinnen und Musiker der Staatsoperette mit ihrem Intendanten Wolfgang Schaller sowie alle Mitarbeiter der HfM Dresden eingeschlossen seien! Doch nun voran in die heilsame Geschichte, denn nur das Bestellen des Gartens bewahrt uns vor zu viel Optimismus in dieser grässlichen, aber besten aller Welten…

"Live is happiness indeed" – diesen Abend zumindest und ganz gewiss –

wünscht Ihnen
Ihr
Ekkehard Klemm

Zum Gedenken an Peter Zacher

Peter-Zacher

Am 14. Februar fand die Trauerfeier für Peter Zacher statt - jahrzehntelang Musikkritiker in Dresden. Ich hatte die Ehre, einige Worte des Gedenkens zu sprechen:


Verehrte Angehörige,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

ist "Musikkritiker" ein Beruf? Und wenn ja – was ist Musikkritiker für ein Beruf? Oder handelt es sich eher um eine Berufung?

Es scheint, die Musikkritik entwickelt sich parallel zum bürgerlichen Konzertwesen. Sind es am Anfang die Komponisten selbst, die im Sinne des Wortes "Musik kritisieren" – Weber, E.T.A. Hoffmann, Schumann, Berlioz, Tschaikowsky, Debussy – wechselt im 19. Jahrhundert das Berufsbild in die Hand derer, die nicht selbst tonschöpferisch tätig sind: Hanslick, Nietzsche, Shaw, im 20. Jahrhundert Adorno, Romain Rolland, Alfred Einstein… Das geteilte und später vereinigte Deutschland kennt einige herausragende Personen, zumeist Musikwissenschaftler, die mit Leidenschaft, Ausdauer, großer Kenntnis in der Sache und auch Empathie die Tätigkeit der Musikkritik wirklich zum Beruf gemacht haben, weil sie es als Berufene getan haben: Joachim Kaiser in München, Hans Heinrich Stuckenschmidt in Frankfurt; in jüngerer Zeit Götz Thieme in Stuttgart, Reinhard J. Brembeck in München, Stefan Mösch in Berlin oder Eleonore Büning wiederum in Frankfurt gehören gewiss dazu.

In Dresden war diese Instanz in den letzten Jahrzehnten Peter Zacher. Alle kannten seinen Namen, lasen – durchaus ehrfurchtsvoll und aufmerksam – seine Rezensionen. Und doch wissen wir alle recht wenig von ihm persönlich. Das geht bis dahin, dass ich nach der Nachricht von seinem Tod am meisten über die 74 Lebensjahre staunte: Ganz ehrlich – ich hatte ihn jünger geschätzt, gleichwohl er von Krankheit und einem aufreibenden Lebensstil gezeichnet schien. Vor dem Konzert und in der Pause fand man ihn ganz sicher rauchend vor dem Haus – nach dem letzten Ton eilte er aus dem Auditorium und wollte sich nicht durch die Länge oder Heftigkeit des Beifalls beeinflussen lassen. Ausgerechnet aber eine meiner letzten optischen Erinnerungen an ihn widerlegt diese Marotte: Nach dem War Requiem im Oktober in der Kreuzkirche schwätzte er mit einer Kollegin! Unfassbar!

Es zeichnete Zacher aus, dass er bereits lange vor der Wende ein kompetenter und aufrichtiger Rezensent war, der in die Fußstapfen eines Hans Böhm, Gerhard Böhm oder Eberhard Kremtz trat und eigene Schwerpunkte hatte und zu setzen wusste. Als Student war ich einmal Gast bei ihm zu Hause und ich erinnere mich an einen aufgeschlossenen, anregenden Abend. Ganz sicher war Theodorakis eines der Themen. Christian Hauschild, als dessen Assistent ich damals arbeitete, bereitete Axion esti vor. Ich stand der Musik eher reserviert gegenüber – Zacher warb für sie, wie wir alle wissen. Hier wie an vielen anderen Stellen war es vor allem die Aufrichtigkeit eines Künstlers, die ihn faszinierte.

Es gab Stücke, mit denen Peter Zacher seine Probleme hatte und sie deutlich artikulierte, oft, das dürfen wir an dieser Stelle ruhig zugeben, hat uns das ebenso geärgert, wie es letztlich für seine Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit sprach. Das Deutsche Requiem von Brahms, auch die Jahreszeiten von Haydn und Verschiedenes von Richard Strauss, etwa die Alpensinfonie, hatten es nicht leicht. Dagegen war die Neugier auf Ungewohntes und Fremdes sehr groß. Ein vitales Interesse verband ihn generell mit der neuen Musik, wenngleich er hier auch klar Schein und Sein zu trennen wusste. Substanz war ihm eine unabdingbare Voraussetzung, er witterte mit untrüglichem Spürsinn Flachheiten und benannte sie klar.
Reißigers Musik bspw. sei "weder erregend noch originell, es sei denn, man wollte eine überbordende Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit … als persönlichen musikalischen Duktus gelten lassen."
Der Baron v. Swieten bekommt für den Text zu den Jahreszeiten genauso sein Fett weg wie der Komponist: "Schwerer wiegt ihre Biederkeit, weil die auch in Haydns Musik fast durchgängig vorherrscht. Ungeachtet der formalen Vielseitigkeit und des Farbenreichtums der Komposition gibt es nur wenig, das uns heute noch von den Stühlen reißen kann." Das sitzt und lässt den Haydn-Fan ratlos zurück. Und, um noch eins drauf zu setzen: "Nicht alle Werke Wolfgang Amadeus Mozarts sind großartig." heißt die Überschrift einer Kritik, bei der ein Klavierkonzert von Mozart erklang, das Zacher als 'mittelmäßig' einstuft. [PS: Die Überschrift stammte nach Auskunft des zuständigen Redakteurs nicht von Zacher selbst, orientierte sich jedoch am Duktus des Zacherschen Tonfalls.]
Da spricht der 'kluge Außenseiter, der Stoiker, das Unikum', als den ihn seine Kollegen von "Musik In Dresden" in ihrem Nachruf wahrscheinlich recht treffend bezeichnen.

Es gibt einige kontinuierliche Linien in den Auseinandersetzungen von Peter Zacher. Jene mit den Aufführungen des Dresdner Kreuzchores, den er kritisch wie motivierend stets begleitete gehört dazu wohl ebenso wie sein Faible für die Dresdner Philharmonie und generell den Nachwuchs, die Musikhochschule und die Musikensembles der Amateurszene: die Orchester von TU und medicanti, die Chöre der Uni, die Singakademie, zu der er immer wieder kam. Sehr wichtig war ihm die jüdische Musik und er setzte sich mit großem Engagement für Wiederentdeckungen generell wie speziell auf diesem Gebiet ein.

Peter Zacher konnte unbequem urteilen, jedoch waren seine Texte fundiert und nie verletzend. Ein hervorstechender Eindruck für mich ist, dass er um die existenziellen Auseinandersetzungen wusste, denen sich die Aufführenden mit jedem Auftritt stellen. Ein Gespräch über kritische Anmerkungen förderte stets interessante Erkenntnisse und Sichtweisen zutage. Ein Konzert oder eine Aufführung musste ihn vor allem emotional fesseln und ansprechen. Nicht das perfekte Gelingen stand im Vordergrund, sondern die inhaltliche Aussage, die Interpretation und – wenn man das so nennen darf – der Charakter eines Abends.

Ein Charakter war auch Peter Zacher. Er war Musikkritiker aus Berufung und hat diese oft umstrittene Tätigkeit wirklich zum Beruf gemacht, weil er um die Notwendigkeit der Reibungsfläche, der Reflektion und des fundierten Echos wusste als der unabdingbaren Voraussetzung und Notwendigkeit einer Kunst- und Musikstadt. Wir brauchten ihn! Er hat Dresden dadurch viel von seiner Identität gegeben und bewahrt. Mit seinem Tod wird der Stadt eine wichtige Stimme fehlen – wir sind ihm alle zu großem Dank verpflichtet! Dem himmlischen Personal jedoch empfehlen wir das Putzen der oft verschmutzten Brille – die Ohren dürften ja intakt sein!
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Weblog des Dirigenten Ekkehard Klemm, Dresden

Ansichten, Einsichten, Rücksichten, Aussichten

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