1
Feb
2015

"in der Fremde" - Veranstaltung der drei Dresdner Kunsthochschulen

Zur gestrigen gemeinsamen Veranstaltung der drei Dresdner Kunsthochschulen war der Konzertsaal überfüllt mit Gästen aus nah und fern - u.a. auch mit Asylbewerbern, die z.Zt. in Dresden wohnen. Dozentinnen und Dozenten haben sie selbst mit dem Auto abgeholt und wieder 'nach Hause' gebracht - vielleicht nur eine symbolische Geste, aber eine, die angekommen ist. Das Echo war überwältigend, Flüchtlinge aus Eritrea, Syrien, Tunesien und Somalia inmitten von Studierenden und ihren Dozenten, Musik, Tanz, Bilder, Essen und Trinken, Gespräche... Die folgende Begrüßung wurde (leicht gekürzt) live ins Englische und Russische übersetzt und war auf Video-Leinwand Arabisch zu lesen:

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Gäste,

"Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh' ich wieder aus." Die weltberühmten Worte aus Schuberts Winterreise, geschrieben vom romantischen Dichter Wilhelm Müller sind Worte eines Wanderers, eines Flüchtlings auf der Suche nach Heimat und Liebe.

Worte, die unserer heutigen Veranstaltung den Namen gegeben haben. Die verwirrenden und irritierenden Ereignisse der letzten Wochen hier in dieser Stadt und in ganz Deutschland haben die Dresdner Kunsthochschulen bewogen, Sie an diesem Nachmittag einzuladen. Mit unserer Kunst wollen wir ein Statement abgeben, was uns ein weltoffenes Dresden bedeutet!

Nicht nur die Asylsuchenden sind in Deutschland "in der Fremde", auch viele ausländische Künstlerinnen und Künstler, Freunde, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie sehr viele internationale Studierende sind besorgt über die Ereignisse und Diskussionen. Aber auch viele der Einheimischen fühlen sich mehr und mehr "in der Fremde", denn ein Deutschland, das gegenüber Menschen in Not verschlossen ist, aber auch gegenüber Menschen aus aller Welt, die mit und und für uns leben und arbeiten wollen – ein solches Deutschland ist uns fremd.

Seit Jahrhunderten wirken in Dresden Künstler aus vielen Ländern, während Dresdner Künstler um die Welt fuhren. Die Ideen von Emile Jaques-Dalcroze, Gret Palucca, Mary Wigman prägen den internationalen Tanz bis heute. Das gesamte Ballett der Semperoper und die Palucca Hochschule für Tanz sind ein einzigartiger Kosmos weltweiter Verständigung. Die Sprache des Tanzes ist in diesen Tagen nicht Deutsch, sondern vor allem Englisch oder Russisch!
Die Geschichte der bildenden Künste und Architektur lebt seit Jahrhunderten von den wechselseitigen Einflüssen: Canaletto malte das barocke Dresden, der italienische Baumeister Chiaveri errichtete die Hofkirche. Der erste Leiter der Kunstakademie war der Franzose Charles Hutin, einer seiner Nachfolger der Italiener Giovanni Battista Casanova. Jahrhunderte später inspirierten die Künstler der Brücke um Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt Rottluff, Max Pechstein und Emil Nolde die internationale Kunst des 20. Jahrhunderts und legten den Grundstein für die Entstehung des Expressionismus.

Mit Heinrich Schütz verfügt die Musik über einen der ersten großen Europäer in der Kunstgeschichte überhaupt. Die Hofkapelle lebte von den Ideen des italienisch geprägten Geigers Pisendel, des böhmischen Bassisten und Komponisten Zelenka und des französischen Flötisten Buffardin. Bis zum heutigen Tag ist die Geschichte der Dresdner Orchester eine Geschichte internationaler Zusammenarbeit und Einflüsse. Carl Maria von Weber, Robert Schumann und Richard Wagner weilten in Dresden und verbanden den Ort durch ihr Wirken mit Prag, Wien, Breslau, Riga, Paris, Zürich und London – Flugreisen gab es damals noch nicht und per Schiff war es beschwerlich und lang. Dies änderte sich im 20. Jahrhundert, als Fritz Busch, Rudolf Kempe, Franz Konwitschny, Otmar Suitner, später Giuseppe Sinopoli und Fabio Luisi, Marek Janowski oder Raffael Frübeck de Burgos hier dirigierten und von Dresden aus mit ihren Musikerinnen und Musikern die Welt bereisten.

Internationalität, Austausch und Offenheit sind für uns selbstverständlich und sie sind unser Lebenselixier. Auch in unseren drei Kunsthochschulen leben, arbeiten und studieren Menschen aus aller Welt und vieler Religionen. Wir wollen, dass dies so bleibt, dass unsere Kollegen und Freunde sich hier wohl fühlen, dass wir von und mit ihnen lernen! Die Professoren und Dozenten haben sich deshalb heute selbst auf den Weg gemacht und Asylsuchende in ihren Unterkünften abgeholt. Sie werden sie am Ende auch wieder 'nach Hause' bringen und wir hoffen und wünschen, dass dieses 'zu Hause' dann etwas weniger 'in der Fremde' ist.

Viele haben beigetragen, dass diese Veranstaltung gelingen möge! Wir wollen an dieser Stelle keine einzelnen Namen hervorheben, denn es ist vor allem eine gemeinsame Initiative! Danke allen Künstlerinnen und Künstlern, Danke allen, die für Speis und Trank gesorgt haben, Danke an alle Organisatoren, alle Übersetzer, alle Chauffeure, Danke an die Technik!
Danke vor allem aber Ihnen, die Sie gekommen sind! Lassen Sie uns die Möglichkeit nutzen, einander zuzuhören, uns anregen zu lassen, Geschichten zu erzählen und vielleicht auch ins Gespräch zu kommen. Über uns, über unser Leben zu Hause und in der Fremde. Wir wünschen Ihnen ein herzliches Willkommen in einem weltoffenen Dresden, einem Dresden für alle!

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