Die Meinungen von G. Grass und Elif Shafak
Günter Grass
Wir leben in einer Zeit, in der einer Gewalttat die nächste folgt. Die erste ist die durch den Westen gewesen, die Invasion des Irak. Heute wissen wir, daß damit internationales Recht gebrochen wurde; der Krieg wurde allein auf Grundlage von Bushs fundamentalistischen Argumenten geführt, daß es ein Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen sei. Was wir jetzt sehen, ist die fundamentalistische Antwort auf eine fundamentalistische Tat. Mitnichten findet hier ein Kampf der Kulturen statt - vielmehr ist es eine Auseinandersetzung zwischen zwei Un-Kulturen.
und Elif Shafak:
Nichts könnte radikale Fundamentalisten in aller Welt, seien es Moslems, Christen oder Juden, glücklicher machen als der aktuelle Karikaturenstreit. Jene, die an die These vom Kampf der Kulturen glauben und davon ausgehen, daß Islam und westliche Demokratie unmöglich nebeneinander existieren können, sind zufrieden, während wir anderen zutiefst besorgt sind. In den Augen zahlreicher westlicher Journalisten ist die moslemische Welt eine monolithische, stagnierende, despotische Kultur, der demokratische Prinzipien von außen beigebracht werden müssen. Innerhalb der Elite der europäischen Länder herrscht die generelle Annahme, daß die moslemische Welt außerhalb der Grenzen der aufgeklärten Gesellschaft liegt. Entsprechend ist die westliche Zivilisation in den Augen der moslemischen Demonstranten ein materialistischer, monolithischer, unmoralischer Block.
Die zwei Parteien des Karikaturenstreits scheinen verschiedene Sprachen zu sprechen, aber im Grunde sprechen sie dieselbe Sprache: Es ist die Haßrede. Eine Karikatur, die den Propheten Mohammed mit einem bombenförmigen Turban zeigt, ist Haßrede. Ein moslemischer Demonstrant, der ein Schild trägt mit der Aufschrift "Köpft jene, die den Islam beleidigen", verbreitet Haßrede. In einer Welt, die sich immer stärker polarisiert, muß Haßrede kritisiert und unter Kontrolle gehalten werden.
...beide dokumentiert in der WELT, einmal hier und einmal hier
Wir leben in einer Zeit, in der einer Gewalttat die nächste folgt. Die erste ist die durch den Westen gewesen, die Invasion des Irak. Heute wissen wir, daß damit internationales Recht gebrochen wurde; der Krieg wurde allein auf Grundlage von Bushs fundamentalistischen Argumenten geführt, daß es ein Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen sei. Was wir jetzt sehen, ist die fundamentalistische Antwort auf eine fundamentalistische Tat. Mitnichten findet hier ein Kampf der Kulturen statt - vielmehr ist es eine Auseinandersetzung zwischen zwei Un-Kulturen.
und Elif Shafak:
Nichts könnte radikale Fundamentalisten in aller Welt, seien es Moslems, Christen oder Juden, glücklicher machen als der aktuelle Karikaturenstreit. Jene, die an die These vom Kampf der Kulturen glauben und davon ausgehen, daß Islam und westliche Demokratie unmöglich nebeneinander existieren können, sind zufrieden, während wir anderen zutiefst besorgt sind. In den Augen zahlreicher westlicher Journalisten ist die moslemische Welt eine monolithische, stagnierende, despotische Kultur, der demokratische Prinzipien von außen beigebracht werden müssen. Innerhalb der Elite der europäischen Länder herrscht die generelle Annahme, daß die moslemische Welt außerhalb der Grenzen der aufgeklärten Gesellschaft liegt. Entsprechend ist die westliche Zivilisation in den Augen der moslemischen Demonstranten ein materialistischer, monolithischer, unmoralischer Block.
Die zwei Parteien des Karikaturenstreits scheinen verschiedene Sprachen zu sprechen, aber im Grunde sprechen sie dieselbe Sprache: Es ist die Haßrede. Eine Karikatur, die den Propheten Mohammed mit einem bombenförmigen Turban zeigt, ist Haßrede. Ein moslemischer Demonstrant, der ein Schild trägt mit der Aufschrift "Köpft jene, die den Islam beleidigen", verbreitet Haßrede. In einer Welt, die sich immer stärker polarisiert, muß Haßrede kritisiert und unter Kontrolle gehalten werden.
...beide dokumentiert in der WELT, einmal hier und einmal hier
klemmdirigiert - 2006-02-11 12:57
10 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
ElsaLaska - 2006-02-11 13:01
Lieber Ekkehard
wenn du das Modul "User Status" in die rechte oder linke Sidebar einsortierst, gerne auch ganz unten, können wir twoday user dich abonnieren, das würde ich nämlich gerne tun.
Beste Grüße
Elsa
Beste Grüße
Elsa
ElsaLaska - 2006-02-11 13:27
Na also,
neulich hatte jemand ja auch schon Interesse an einem Abo, da fiel mir aber die Lösung für das Problem noch nicht ein :)
kulturchronist - 2006-02-11 18:58
moment mal
"Wir leben in einer Zeit, in der einer Gewalttat die nächste folgt. Die ERSTE (Hervorhebung vom kulturchronisten) ist die durch den Westen gewesen, die Invasion des Irak." Moment mal - fand diese Invasion VOR dem 11. September statt? Mir scheint, der gute Grass redet mal wieder drauflos, ohne so richtig nachzudenken. Um Einwänden zu begegnen: Mir ist schon klar, dass 9/11 kein "staatlicher" Gewaltakt war. Aber diese Kategorie verschwimmt angesichts terroristischer Aktivitäten dieses Ausmaßes.
ElsaLaska - 2006-02-11 19:36
Das störte mich an dem Text
ebenfalls, das ist einfach eine völlig haltlose Behauptung. Ich denke aber auch nicht, dass der 11. September die "erste" war. Das geht doch viel weiter zurück alles, da kommt Afghanistan ins Spiel, die Kuwaitkrise, der Israel-Palästina-Konflikt, was auch immer noch. Ich verstehe nicht, wie man dieses ganze Gewirr derart auf die Irakinvasion reduzieren kann ...
LG
Elsa
LG
Elsa
klemmdirigiert - 2006-02-11 23:08
aber auch das stimmt so nicht ganz...
...denn der Einmarsch in den Irak hat ja mit dem 11. September nur in Herrn Bushs Auslegung wirklich was zu tun. (Keinesfalls sind solcherlei terroristische Akte als Taten von "armen Opfern" zu erklären oder gar zu entschuldigen - das bitte ich nicht falsch zu verstehen.)
Ich arbeite gerade an einem Stück mit dem Titel DER TOD ABELS, 200 Jahre alt und von einem in Dresden tätigen Komponisten namens Seydelmann nach einem Libretto von Metastasio. Dort ist Abel ein so entsetzlich moralisierender Gutmensch - da MUSS Kain zuschlagen. Ich glaube, wir stehen in der Islamauseinandersetzung an einem ähnlichen Punkt.
Ich arbeite gerade an einem Stück mit dem Titel DER TOD ABELS, 200 Jahre alt und von einem in Dresden tätigen Komponisten namens Seydelmann nach einem Libretto von Metastasio. Dort ist Abel ein so entsetzlich moralisierender Gutmensch - da MUSS Kain zuschlagen. Ich glaube, wir stehen in der Islamauseinandersetzung an einem ähnlichen Punkt.
ElsaLaska - 2006-02-11 23:20
Darüber wüsste ich gerne mehr:
>>Dort ist Abel ein so entsetzlich moralisierender Gutmensch - da MUSS Kain zuschlagen>>
Das klingt äußerst interessant :)
Das klingt äußerst interessant :)
klemmdirigiert - 2006-02-12 00:27
Abel zu Kain:
"Die Bienen und die Schlangen saugen,
Aus Blumen gleichen Nahrungssaft:
Doch bald, nachdem sie ihn gebrauchen,
Wirckt ganz verschieden seine Kraft.
In Schlangen, kocht er fürchterlich
Sich um, zu tödlich giftgen Schleim:
Und läutert in den Biengen sich,
Zum heilsam süßen Honigseim."
Darauf Kain:
"Zudringlicher tollkühner Mensch!
darffst du es wagen, mich,
noch mit Verweisen anzugreifen?"
Abel:
"Wie falsch verstehst du, Bruder, mich!
Nicht stolzer Dünckel, --Bruderliebe
sprach herzlich nur zu dir."
Das Ganze, nachdem Gott schon mehrfach die Opfer Abels wohlgefällig angenommen und Kain auch von seinen Eltern mehrfach belehrt worden ist.
Etwas später Kain:
"Vorwürfe, Vater! magst du nur an Abel richten.
Er ist der Urquell meines Zorns.
Seitdem er sich zum auserwählten Liebling
des Himmels so erhoben sieht,
ist er voll eiteln Wahns;
ist unerträglich sein Betragen."
Aus Blumen gleichen Nahrungssaft:
Doch bald, nachdem sie ihn gebrauchen,
Wirckt ganz verschieden seine Kraft.
In Schlangen, kocht er fürchterlich
Sich um, zu tödlich giftgen Schleim:
Und läutert in den Biengen sich,
Zum heilsam süßen Honigseim."
Darauf Kain:
"Zudringlicher tollkühner Mensch!
darffst du es wagen, mich,
noch mit Verweisen anzugreifen?"
Abel:
"Wie falsch verstehst du, Bruder, mich!
Nicht stolzer Dünckel, --Bruderliebe
sprach herzlich nur zu dir."
Das Ganze, nachdem Gott schon mehrfach die Opfer Abels wohlgefällig angenommen und Kain auch von seinen Eltern mehrfach belehrt worden ist.
Etwas später Kain:
"Vorwürfe, Vater! magst du nur an Abel richten.
Er ist der Urquell meines Zorns.
Seitdem er sich zum auserwählten Liebling
des Himmels so erhoben sieht,
ist er voll eiteln Wahns;
ist unerträglich sein Betragen."
kulturchronist - 2006-02-13 11:00
Den Zusammenhang verstehe ich (noch) nicht. Wer ist dann der Gutmensch, auf den man draufhauen muss? Das könnte man so oder so sehen - überzeugt davon, dass man Recht hat, sind beide Seiten. Und von Bruderliebe kann doch eigentlich keine Rede sein.
klemmdirigiert - 2006-02-13 12:28
nicht 1:1 natürlich,
aber interessant ist doch schon, daß der Westen sich oft als Abels Nachfolger präsentiert, seine 'Opfer' wurden wohlgefällig angenommen und haben ihm Wohlstand gebracht, aus dem heraus er jetzt Bruderliebe einfordert?
Ich will nicht mißverstanden werden: natürlich habe ich das Recht zu fordern, nicht in Hochhäusern oder mit iranischen Atomwaffen angegriffen zu werden. Was mich stört, ist die fehlende Differenzierung zwischen Islam und Terrortaten bzw. -regimen und darüberhinaus die Selbstverständlichkeit, mit der die westlichen Werte als non plus ultra menschlichen Zusammenlebens hingestellt werden. In fast allen - sogar dem Islam aufgeschlossenen - Kommenaren ist vom Weg des Westens die Rede, den der Islam noch vor sich habe, wird von der Rückschrittlichkeit des Islam geredet usw. usf. Das sind die Reden Abels, des gutmeinenden Moralisten, die eben leider zum Mord geführt haben.
Gibt es andere Mechanismen, miteinander zu reden? Jedenfalls weigere ich mich, in das Horn der harten Linie zu stoßen: die Auseinandersetzung hat mit den Fundis auf beiden Seiten zugenommen - hie Bush, da Ahmadinedschaf z.B. Und wenn es so weiter geht, werden wir bald wieder Krieg haben, dann mit deutscher Beteiligung, weil ja Frau Merkel ... - nein, hier lasse ich jetzt mal Prophezeihungen sein.
Büchners Satz, daß der Mensch ein Abgrund sei, man schaudere beim Blick hinab, gilt jedenfalls für Kain wie für Abel.
Ich will nicht mißverstanden werden: natürlich habe ich das Recht zu fordern, nicht in Hochhäusern oder mit iranischen Atomwaffen angegriffen zu werden. Was mich stört, ist die fehlende Differenzierung zwischen Islam und Terrortaten bzw. -regimen und darüberhinaus die Selbstverständlichkeit, mit der die westlichen Werte als non plus ultra menschlichen Zusammenlebens hingestellt werden. In fast allen - sogar dem Islam aufgeschlossenen - Kommenaren ist vom Weg des Westens die Rede, den der Islam noch vor sich habe, wird von der Rückschrittlichkeit des Islam geredet usw. usf. Das sind die Reden Abels, des gutmeinenden Moralisten, die eben leider zum Mord geführt haben.
Gibt es andere Mechanismen, miteinander zu reden? Jedenfalls weigere ich mich, in das Horn der harten Linie zu stoßen: die Auseinandersetzung hat mit den Fundis auf beiden Seiten zugenommen - hie Bush, da Ahmadinedschaf z.B. Und wenn es so weiter geht, werden wir bald wieder Krieg haben, dann mit deutscher Beteiligung, weil ja Frau Merkel ... - nein, hier lasse ich jetzt mal Prophezeihungen sein.
Büchners Satz, daß der Mensch ein Abgrund sei, man schaudere beim Blick hinab, gilt jedenfalls für Kain wie für Abel.
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