den hungrigen Lesern zur Kenntnis - die Presse über unser Konzert vom Samstag:
Sächsische Zeitung
Montag, 15. Mai 2006
Botschaft mit Kraft
Von Karsten Blüthgen
Konzert. Singakademie Dresden konfrontiert Weber mit Klemm-Musik.
„3 in 1“ heißt weder eine neue Körperpflege noch ein Kombiwerkzeug für Bastler. „3 in 1“ stillt das Interesse an Gott und an herben handgemachten Klangreibungen. Das Stück für Chöre und Orchester erlebte am Sonnabend in der Dresdner Annenkirche seine Uraufführung, forsch hineingetrieben in die verklärte Harmonie zweier Messen Carl Maria von Webers.
Hinter dem vieldeutigen Titel steckt ein Auftrag der Singakademie Dresden, ein Beitrag zum Stadtjubiläum. Ekkehard Klemm, seit 2004 Chef des Laienchores, nutzte die Gelegenheit, sich neben seinen vielen Dirigierterminen mal wieder einer Sache zu widmen, die er ebenfalls studiert hat: dem Komponieren. Er integrierte, indem er den ganzen Apparat einbezog und Kinderchor, Oratorienchor und Seniorenchor im Raum verteilt singen ließ. Auch inhaltlich viel zu tragen hat das etwa halbstündige Opus: das alte „Vater unser“, den unter Kriegseindrücken entstandenen Bonhoeffer-Text „Von guten Mächten“, schließlich den visionären „Psalm vom Frieden“ des in Dresden lebenden Christoph Eisenhuth. Klemm gab den Texten zunächst je eigene klingende Identitäten, brachte moderne Stile in Anschlag, zitierte Gregorianik und Schütz, stellte Askese neben „musikalische Katastrophe“. Man bemerkt ein Annähern; schließlich lautet die finale Botschaft: Frieden über Religionsgrenzen hinweg. Eine Botschaft ohne jeglichen Zwang, aus Dresden müsse Spezielles tönen.
Ein Herz fürs Ungewöhnliche Langen Beifall gab es für den wie gewohnt zupackend agierenden Klemm, für Matthias Herbig, der eine der Weber-Messen engagiert leitete, für die Chöre. Reichlich applaudiert wurde den Solisten Anna Palimina (Sopran), Stephanie Hauptfleisch (Alt), Erik Stokloßa (Tenor) und Martin Gäbler (Bass). Den effektvollen Weber-Werken schenkten sie schöne Stimmen, ohne gut zu harmonieren, was der zügellos forcierenden Sopranistin geschuldet war. Gedankt wurde schließlich dem Prager „collegium 1704“, das sich auf historischen Instrumenten beiden Klangwelten mit großer Sorgfalt widmete.
Gemessen an der Besucherzahl war das Interesse ernüchternd. Klemm aber ist keiner, der sich nun verdrossen auf die alten Singakademie-Schinken „Carmina burana“ und Brahms-Requiem zurückziehen, sondern daneben weiter das Ungewöhnliche hochhalten wird.
DNN, 15.5.05
Dresdner Singakademie mit großem Einsatz
Uraufführungen sind rar geworden. Das liegt nicht an Komponisten, denen etwa weniger einfiele. Da der Sinn einer Dichtung in Tönen aber darin besteht, aufgeführt zu werden, "klemmt die Säge". Anders bei einem Kompositionsauftrag für die Dresdner Singakademie, der mit Unterstützung der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen an deren Leiter Ekkehard Klemm ging. So konnten die Potenzen der Chöre (Großer Chor, Kammerchor, Seniorenchor und Kinderchor) aus bester Kenntnis genutzt und ausgeschöpft werden. So konnte anlässlich der 800-Jahr-Feier der Dresden-Bezug ins Spiel kommen (Klemm war Kruzianer und studierte hier Dirigieren, Klavier und Komposition), der sich auch im Blick auf Weber- und Schützmotivik äußert. Ein "maßgeschneidertes" Werk also, das eingebettet war in die beiden Messen Carl Marias. Warum "3 in 1"? Drei Texte liegen zugrunde und werden reflektiert: das "Vater unser", der Bonhoeffer-Text "Von guten Mächten" und jener des hier lebenden Pfarrers und Lyrikers Rolf Eisenhuth ("Psalm vom Frieden"). Am Ende des knapp halbstündigen Werkes bezieht sich Klemm auf Impulse aus der jüdischen und muslimischen Welt und endet mit "Vater - Allah - Elohim - - - Welt". Eine brennende, hochaktuelle Brisanz.
Der Komponist betont in der Einführung, dass seine Absicht war, "die Moderne nicht zu scheuen", dabei aber "emotionale, sinnliche Musik" zu schreiben. Ein löbliches Unterfangen, denn besonders die Frage, ob Musik beim Hörer "ankommt", ist vielfach verloren gegangen. Nun fesselt auf den ersten Blick der äußere Aufwand: Teilchöre am Altarplatz, auf den rechten, linken und hinteren Emporen. Subdirigate machen sich erforderlich (Claudia Sebastian-Bertsch, Paul-Johannes Kirschner, Manual Pujol, Matthias Herbig). Schon von daher stellt sich freilich die Frage nach möglichen Nachaufführungen durch andere Interpreten. Die Verschmelzung der unterschiedlichen Aussagen ist faszinierend, zumal es Klemm versteht, enorme Spannungen zu erzeugen. Aber gerade dort fiel mir der Nachvollzug schwer, aus welcher Richtung sich der Klang entfaltete. Ist die Annenkirche zu klein, so dass es zu einer Mixtur der einzelnen Anteile kommt? Klemm schichtet die Klänge, akzentuiert durch Flüstern, Sprechen, Singen und erreicht eindrucksvolle Passagen. In der Einführung erläutert er die formalen Strukturen, denen auf die Spur zu kommen, mir allerdings Probleme bereitete. Die Wirkung stellte sich bei mir "insgesamt" ein, wozu die inhaltliche Konzeption entscheidend beitrug.
Die Leistung der Chöre verdient großen Respekt. Mit einer entwaffnenden Souveränität bewältigte man die ungewöhnlichen, breit gefächerten Aufgaben. Mit dem "collegium 1704" aus Prag stand Klemm ein Ensemble zur Verfügung, das nicht gekannt zu haben, ich als schwer verzeihbare Lücke bezeichne. Eigentlich spezialisiert auf Barockmusik (mit den entsprechenden Instrumenten), zeigte es sich auch der "modernen" Aufgabe bestens gewachsen.
Carl Maria von Webers beide Messen von 1818 und 1819 bildeten den Rahmen, waren denkbar größter Kontrast. Hier kann nur so viel gesagt werden, dass die Missae sanctae G-Dur (Leitung Matthias Herbig) und Es-Dur (Leitung Ekkehard Klemm) bei den imponierenden Solisten Anna Palimina (welch ein markanter Sopran, im Quartett ein wenig dominant), Stephanie Hauptfleisch (Alt), Eric Stockloßa (Tenor) und Martin Gäbler (Bass) sowie dem klangschönen, homogenen Kammerchor und den Prager Instrumentalisten in besten Händen waren.
Hans Peter Altmann
Montag, 15. Mai 2006
Botschaft mit Kraft
Von Karsten Blüthgen
Konzert. Singakademie Dresden konfrontiert Weber mit Klemm-Musik.
„3 in 1“ heißt weder eine neue Körperpflege noch ein Kombiwerkzeug für Bastler. „3 in 1“ stillt das Interesse an Gott und an herben handgemachten Klangreibungen. Das Stück für Chöre und Orchester erlebte am Sonnabend in der Dresdner Annenkirche seine Uraufführung, forsch hineingetrieben in die verklärte Harmonie zweier Messen Carl Maria von Webers.
Hinter dem vieldeutigen Titel steckt ein Auftrag der Singakademie Dresden, ein Beitrag zum Stadtjubiläum. Ekkehard Klemm, seit 2004 Chef des Laienchores, nutzte die Gelegenheit, sich neben seinen vielen Dirigierterminen mal wieder einer Sache zu widmen, die er ebenfalls studiert hat: dem Komponieren. Er integrierte, indem er den ganzen Apparat einbezog und Kinderchor, Oratorienchor und Seniorenchor im Raum verteilt singen ließ. Auch inhaltlich viel zu tragen hat das etwa halbstündige Opus: das alte „Vater unser“, den unter Kriegseindrücken entstandenen Bonhoeffer-Text „Von guten Mächten“, schließlich den visionären „Psalm vom Frieden“ des in Dresden lebenden Christoph Eisenhuth. Klemm gab den Texten zunächst je eigene klingende Identitäten, brachte moderne Stile in Anschlag, zitierte Gregorianik und Schütz, stellte Askese neben „musikalische Katastrophe“. Man bemerkt ein Annähern; schließlich lautet die finale Botschaft: Frieden über Religionsgrenzen hinweg. Eine Botschaft ohne jeglichen Zwang, aus Dresden müsse Spezielles tönen.
Ein Herz fürs Ungewöhnliche Langen Beifall gab es für den wie gewohnt zupackend agierenden Klemm, für Matthias Herbig, der eine der Weber-Messen engagiert leitete, für die Chöre. Reichlich applaudiert wurde den Solisten Anna Palimina (Sopran), Stephanie Hauptfleisch (Alt), Erik Stokloßa (Tenor) und Martin Gäbler (Bass). Den effektvollen Weber-Werken schenkten sie schöne Stimmen, ohne gut zu harmonieren, was der zügellos forcierenden Sopranistin geschuldet war. Gedankt wurde schließlich dem Prager „collegium 1704“, das sich auf historischen Instrumenten beiden Klangwelten mit großer Sorgfalt widmete.
Gemessen an der Besucherzahl war das Interesse ernüchternd. Klemm aber ist keiner, der sich nun verdrossen auf die alten Singakademie-Schinken „Carmina burana“ und Brahms-Requiem zurückziehen, sondern daneben weiter das Ungewöhnliche hochhalten wird.
DNN, 15.5.05
Dresdner Singakademie mit großem Einsatz
Uraufführungen sind rar geworden. Das liegt nicht an Komponisten, denen etwa weniger einfiele. Da der Sinn einer Dichtung in Tönen aber darin besteht, aufgeführt zu werden, "klemmt die Säge". Anders bei einem Kompositionsauftrag für die Dresdner Singakademie, der mit Unterstützung der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen an deren Leiter Ekkehard Klemm ging. So konnten die Potenzen der Chöre (Großer Chor, Kammerchor, Seniorenchor und Kinderchor) aus bester Kenntnis genutzt und ausgeschöpft werden. So konnte anlässlich der 800-Jahr-Feier der Dresden-Bezug ins Spiel kommen (Klemm war Kruzianer und studierte hier Dirigieren, Klavier und Komposition), der sich auch im Blick auf Weber- und Schützmotivik äußert. Ein "maßgeschneidertes" Werk also, das eingebettet war in die beiden Messen Carl Marias. Warum "3 in 1"? Drei Texte liegen zugrunde und werden reflektiert: das "Vater unser", der Bonhoeffer-Text "Von guten Mächten" und jener des hier lebenden Pfarrers und Lyrikers Rolf Eisenhuth ("Psalm vom Frieden"). Am Ende des knapp halbstündigen Werkes bezieht sich Klemm auf Impulse aus der jüdischen und muslimischen Welt und endet mit "Vater - Allah - Elohim - - - Welt". Eine brennende, hochaktuelle Brisanz.
Der Komponist betont in der Einführung, dass seine Absicht war, "die Moderne nicht zu scheuen", dabei aber "emotionale, sinnliche Musik" zu schreiben. Ein löbliches Unterfangen, denn besonders die Frage, ob Musik beim Hörer "ankommt", ist vielfach verloren gegangen. Nun fesselt auf den ersten Blick der äußere Aufwand: Teilchöre am Altarplatz, auf den rechten, linken und hinteren Emporen. Subdirigate machen sich erforderlich (Claudia Sebastian-Bertsch, Paul-Johannes Kirschner, Manual Pujol, Matthias Herbig). Schon von daher stellt sich freilich die Frage nach möglichen Nachaufführungen durch andere Interpreten. Die Verschmelzung der unterschiedlichen Aussagen ist faszinierend, zumal es Klemm versteht, enorme Spannungen zu erzeugen. Aber gerade dort fiel mir der Nachvollzug schwer, aus welcher Richtung sich der Klang entfaltete. Ist die Annenkirche zu klein, so dass es zu einer Mixtur der einzelnen Anteile kommt? Klemm schichtet die Klänge, akzentuiert durch Flüstern, Sprechen, Singen und erreicht eindrucksvolle Passagen. In der Einführung erläutert er die formalen Strukturen, denen auf die Spur zu kommen, mir allerdings Probleme bereitete. Die Wirkung stellte sich bei mir "insgesamt" ein, wozu die inhaltliche Konzeption entscheidend beitrug.
Die Leistung der Chöre verdient großen Respekt. Mit einer entwaffnenden Souveränität bewältigte man die ungewöhnlichen, breit gefächerten Aufgaben. Mit dem "collegium 1704" aus Prag stand Klemm ein Ensemble zur Verfügung, das nicht gekannt zu haben, ich als schwer verzeihbare Lücke bezeichne. Eigentlich spezialisiert auf Barockmusik (mit den entsprechenden Instrumenten), zeigte es sich auch der "modernen" Aufgabe bestens gewachsen.
Carl Maria von Webers beide Messen von 1818 und 1819 bildeten den Rahmen, waren denkbar größter Kontrast. Hier kann nur so viel gesagt werden, dass die Missae sanctae G-Dur (Leitung Matthias Herbig) und Es-Dur (Leitung Ekkehard Klemm) bei den imponierenden Solisten Anna Palimina (welch ein markanter Sopran, im Quartett ein wenig dominant), Stephanie Hauptfleisch (Alt), Eric Stockloßa (Tenor) und Martin Gäbler (Bass) sowie dem klangschönen, homogenen Kammerchor und den Prager Instrumentalisten in besten Händen waren.
Hans Peter Altmann
klemmdirigiert - 2006-05-17 00:31
3 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
ElsaLaska - 2006-05-17 01:10
Herrlich,
du schichtest und agierst und klemmst und tust und machst in aller Brisanz und bereitest dem einen Rezensenten auch noch Probleme, du Fürst ...
kulturchronist - 2006-06-02 13:24
Ich gratuliere etwas spät, aber von Herzen. Ist das Werk denn für die Nachwelt konserviert worden? Ich schwelge gerade in Erinnerungen an "quasi improvisando" - weißt Du noch? Der Titel dieses Stückes wurde ja bald darauf zum geflügelten Wort.
klemmdirigiert - 2006-06-03 01:00
danke - ja, es wird eine Aufnahme geben, zumindest zu Dokumentationszwecken
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