FIGARO aus Salzburg
gestern abend auf ARD
Ich war sehr gespannt. Mit dem Regisseur Claus Guth und seinem Bühnenbildner Christian Schmidt habe ich einige Produktionen gemacht (REVISOR von Egk, BEBEN von Terterian, WILDSCHÜTZ von Lortzing für's Fernsehen).
Nicht aus Loyalität, sondern ganz ehrlich (und ich schreibe das noch vor den morgen erscheinenden Kritiken): die Regie war der spannendste Teil des Abends! Psychologisierung hin, Ibsen her - Guth hat der Sache neue Schattierungen abgewonnen, Abgründe gefunden, Flachheiten gemieden. Sehr überzeugend, wenn auch nicht in allen Details sofort einleuchtend und verständlich. Susanna bleibt etwas offen in dem ganzen Spiel. Wenn sie dem Grafen (einem ziemlichen Fiesling) tatsächlich verfällt, müßte ihre Fallhöhe am Ende anders aussehen. Aber so ist das: man leuchtet eine Seite besonders aus (Cherubin und seine Doppelfigur, eine Art Eros/Amor/Engel o.dgl.) und verliert mglw. das Licht auf der anderen Seite etwas.
Sehr gespannt war ich auf den verehrten Nikolaus Harnoncourt am Pult, der auch diesmal wie schon bei der Produktion mit L. Bondy (wenn die Erinnerung nicht trügt) sehr frei, langsam und psychologisierend musizierte. Aber - ich leiste schon jetzt Abbitte - es war mir zuviel. Jede Pause wird künstlich verlängert, hohe Töne (ohne Fermate!) erhalten die doppelte Länge, Zusammenhänge werden auseinandergerissen - nein, sorry, ich erkenne Mozarts geniale Form, den Bogen nicht mehr! Bei aller Farbe im Detail. Die Kritik wird das wieder zum Wunder und zur Entdeckung des FIGARO hochschreiben - sorry, Kinder, das ist jenseits von Gut und Böse des Notentextes!
Und damit bin ich bei den Sängern: überragend Chr. Schäfer als Cherubino!! (auch mit dem meisten Beifall, wie mir schien); D. Röschmann als Gräfin leider nur im forte und mit unruhigem Vibrato; Bo Skovhus ein recht böser Graf, zu viel Gebrüll - die berühmten Triolen der Arie müssen extra ausgebremst werden, weil sie sonst zu schnell wären (dabei war der Einstieg ins Allegro bereits zu rasch - dort etwas verhaltener, und alles würde stimmen!); eine Marcellina, die ihre Arie sogar singen darf, leider aber nicht singen sollte - keine Höhe, keine Koloraturen mehr, scharf und ohne Schönheit; schließlich die Susanna der Netrebko: stimmlich recht perfekt, kühl im Spiel - aber würde ihr bitte mal jemand sagen, daß sie beständig zu hoch intoniert und die berühmte Rosenarie einfach zu unsauber war?
Sorry, sorry. Wer im Glashaus sitzt... - aber ich bin so frei.
Ich war sehr gespannt. Mit dem Regisseur Claus Guth und seinem Bühnenbildner Christian Schmidt habe ich einige Produktionen gemacht (REVISOR von Egk, BEBEN von Terterian, WILDSCHÜTZ von Lortzing für's Fernsehen).
Nicht aus Loyalität, sondern ganz ehrlich (und ich schreibe das noch vor den morgen erscheinenden Kritiken): die Regie war der spannendste Teil des Abends! Psychologisierung hin, Ibsen her - Guth hat der Sache neue Schattierungen abgewonnen, Abgründe gefunden, Flachheiten gemieden. Sehr überzeugend, wenn auch nicht in allen Details sofort einleuchtend und verständlich. Susanna bleibt etwas offen in dem ganzen Spiel. Wenn sie dem Grafen (einem ziemlichen Fiesling) tatsächlich verfällt, müßte ihre Fallhöhe am Ende anders aussehen. Aber so ist das: man leuchtet eine Seite besonders aus (Cherubin und seine Doppelfigur, eine Art Eros/Amor/Engel o.dgl.) und verliert mglw. das Licht auf der anderen Seite etwas.
Sehr gespannt war ich auf den verehrten Nikolaus Harnoncourt am Pult, der auch diesmal wie schon bei der Produktion mit L. Bondy (wenn die Erinnerung nicht trügt) sehr frei, langsam und psychologisierend musizierte. Aber - ich leiste schon jetzt Abbitte - es war mir zuviel. Jede Pause wird künstlich verlängert, hohe Töne (ohne Fermate!) erhalten die doppelte Länge, Zusammenhänge werden auseinandergerissen - nein, sorry, ich erkenne Mozarts geniale Form, den Bogen nicht mehr! Bei aller Farbe im Detail. Die Kritik wird das wieder zum Wunder und zur Entdeckung des FIGARO hochschreiben - sorry, Kinder, das ist jenseits von Gut und Böse des Notentextes!
Und damit bin ich bei den Sängern: überragend Chr. Schäfer als Cherubino!! (auch mit dem meisten Beifall, wie mir schien); D. Röschmann als Gräfin leider nur im forte und mit unruhigem Vibrato; Bo Skovhus ein recht böser Graf, zu viel Gebrüll - die berühmten Triolen der Arie müssen extra ausgebremst werden, weil sie sonst zu schnell wären (dabei war der Einstieg ins Allegro bereits zu rasch - dort etwas verhaltener, und alles würde stimmen!); eine Marcellina, die ihre Arie sogar singen darf, leider aber nicht singen sollte - keine Höhe, keine Koloraturen mehr, scharf und ohne Schönheit; schließlich die Susanna der Netrebko: stimmlich recht perfekt, kühl im Spiel - aber würde ihr bitte mal jemand sagen, daß sie beständig zu hoch intoniert und die berühmte Rosenarie einfach zu unsauber war?
Sorry, sorry. Wer im Glashaus sitzt... - aber ich bin so frei.
klemmdirigiert - 2006-07-28 00:51
3 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Maria-Theresa (Gast) - 2006-08-01 20:19
pseudo-intellektueller Nonsens
Ich bin mit Ihrer Krtik, was die Inszenierung anbelangt, nicht einverstanden, Herr Klemm. Was Sie zu der Musik sagen "Die Kritik wird das wieder zum Wunder und zur Entdeckung des FIGARO hochschreiben " gilt genauso für die Inszenierung, nur "sorry, Kinder, das ist jenseits von Gut und Böse des Librettos". Diese pseudo-intellektuellen Inszenierungen gehen mir nur noch auf die Nerven. Mozarts Figaro ist ein Ausbund an Sinnlichkeit, und die kommt dann in schwarz-weiß und Grautönen daher, nee. Ein Trauerspiel, leider: dazu passen dann wieder die Farben.
klemmdirigiert - 2006-08-02 22:53
...da muß ich widersprechen: als Theatermensch weiß ich um die Lust, aber auch die Qual, eine Lesart für ein Stück zu finden - bei Mozart ist das ein Balancieren am Abgrund. Glücksgefühle am laufenden Band bei ständiger Möglichkeit des Absturzes.
Da ist Guth m.E. eine sehr homogene, durchaus sinnliche und sehr nachvollziehbare Lesart gelungen, die das Stück dennoch nicht vergewaltigt, sondern Möglichkeiten entdeckt. Ich habe die Inszenierung größtenteils genießen können. Ich habe auch Harnoncourt recht eigentlich genossen, kenne aber den Notentext zu gut, um zu wissen, daß ich solche Freiheiten mir nicht nehmen würde. Da sind mir Form und Tempo zu wichtig - sie bestimmen die Emotion, und nicht die Emotion das Tempo.
Mit intellektuell hat das alles aus meiner Sicht viel weniger zu tun... - sorry.
Da ist Guth m.E. eine sehr homogene, durchaus sinnliche und sehr nachvollziehbare Lesart gelungen, die das Stück dennoch nicht vergewaltigt, sondern Möglichkeiten entdeckt. Ich habe die Inszenierung größtenteils genießen können. Ich habe auch Harnoncourt recht eigentlich genossen, kenne aber den Notentext zu gut, um zu wissen, daß ich solche Freiheiten mir nicht nehmen würde. Da sind mir Form und Tempo zu wichtig - sie bestimmen die Emotion, und nicht die Emotion das Tempo.
Mit intellektuell hat das alles aus meiner Sicht viel weniger zu tun... - sorry.
Maria-Theresa (Gast) - 2006-08-04 14:15
Ich habe auch von "pseudo-intellektuell" gesprochen: Damit meine ich, dass immer häufiger versucht wird, auf Teufel komm raus, die Opern neu zu intrepretieren, um den intellektuellen Anspruch des Regisseurs zu unterstreichen. Das ist nicht nur völlig unnötig, sondern in den meisten Fällen, so wie auch bei dieser Guthschen Interpretation kontra-produktiv. Die "Abgründe" in dieser Oper hat Guth nicht gefunden, sondern krampfhaft gesucht. Ich habe mich von ersten Augen-Blick (im wahrsten Sinne des Wortes) über Bühnenbild und Kostüme nur geärgert. Die Kammer des Brautpaares mitten im Treppenhaus, als Durchgangszimmer sozusagen? Das Bändchen der Gräfin, das Cherubino an sich nimmt, ist schwarz? Die Gräfin fällt auf einmal lüstern über Cherubino her? Die Blumenmädchen stecken in Schuluniformen, an denen aber auch alles grau in grau ist? Der Graf ist ein unsympathischer Choleriker? Trotzdem läßt Susanna sich dazu hinreißen, ihn leidenschaftlich zu küssen? Das zusätzlich erfundene Engelchen, das eigentlich das innere Teufelchen ist, war auch kein Geniestreich. Ziemlich plakativ, und überflüssig.
Den einzigen Gestaltungswillen, den ich in all dem erkennen kann, ist der, alles anders machen zu wollen als bisher oder als man es erwarten würde. Das nenne ich "pseudo" und das brauche ich nicht und die Oper auch nicht. Da ist mir eine konventionelle farbenfrohe und temporeiche Inszenierung tausend Mal lieber.
Den einzigen Gestaltungswillen, den ich in all dem erkennen kann, ist der, alles anders machen zu wollen als bisher oder als man es erwarten würde. Das nenne ich "pseudo" und das brauche ich nicht und die Oper auch nicht. Da ist mir eine konventionelle farbenfrohe und temporeiche Inszenierung tausend Mal lieber.
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