31
Aug
2006

nochmal Israel

Es sei hier nochmal betont, daß die Debatte neulich keinesfalls die Bomben auf den Libanon gutheißen sollte - mich störte der ungehemmt aufflammende Affekt gegen Israel und die Juden.

Nach etwas Urlaub scheint die Problematik ja richtig Fahrt aufgenommen zu haben. Zu Domkumentationszwecken nur einige Ausschnitte:

J. Gaarders Artikel ist an Torheit nicht zu übertreffen: Wir glauben nicht an die Idee eines von Gott auserwählten Volkes. Wir lachen über die Hirngespinste dieses Volkes und weinen über seine Untaten. Als Gottes auserwähltes Volk zu handeln ist nicht nur dumm und arrogant, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Hat Israel den Libanon wegen seiner Auserwähltheit angegriffen? Habe ich da was übersehen oder überhört?

Irene Dische ruft daraufhin: "Es reicht" (nur gegen Bares im Spiegel-Archiv zu bekommen) und verweist darauf, wie sie im Libanon mit "Heil Hitler" gegrüßt wurde und daß in libanesischen Lehrbüchern Israel als Staat ohnehin nicht existiert, was bisher niemanden der Libanon=Schweiz-des-Nahen-Ostens-Apologeten gestört zu haben scheint.

Nachdenklich sollte die Stimme György Konráds machen: Europa hat die Juden um die Zeit des Zweiten Weltkriegs verstossen und einem Teil von ihnen angeboten, heimzukehren ins Heilige Land, jedenfalls weg von hier. Und jetzt sehen die braven Europäer, dass sich die Kinder und Enkel der Juden aus dem Nahen Osten nicht auch vertreiben lassen. Das verblüfft sie derart, dass sie jedenfalls für die Araber Partei ergreifen und gegen die Israeli Stellung beziehen. Den ermordeten Juden steht ein Denkmal zu, doch die am Leben gebliebenen sollen nicht zurückschiessen und auf einen Sieg verzichten. Das professionelle Opfer darf bestimmungsgemäss nie siegen.

- zu finden in der nzz.

Der wunderbare Daniel Barenboim wird gefragt:

Warum können israelische und palästinensische Musiker zusammen musizieren, aber nicht zusammen leben?
und antwortet:
Weil die Realität keine Partitur hat. In der Musik muss man sich ausdrücken – und zugleich aufeinander hören. Alle diese Gesetze gelten nicht in der Realität, aber bei uns: Wir sind eine eigene kleine Republik.

Nur ein paar Stimmen aus dem Gewirr der vielen.

Trackback URL:
https://klemmdirigiert.twoday.net/stories/2603981/modTrackback

ElsaLaska - 2006-08-31 02:08

Konrads Stimme macht mich allerdings nachdenklich. Israel ist keine Enklave von Verfemten und Ausgestoßenen an den Wassern Babylons, sondern ein eigenständiges Staatengebilde, das seinen Platz innerhalb der Nationen der Welt einnimmt (egal was libanesische Kartografen dazu sagen. Tibet ist auch vom Atlas verschwunden, allerdings nicht nur deshalb, weil die Mandschurei sich schlicht weigert, es zu kartografieren). So, siegen sollen sie also dürfen, naja, der Rest der Welt ist von dem Gedanken halt nicht so begeistert, weil es eventuell auf unser aller Kosten gehen könnte und weil zumindest das böse Europa mit vergleichsweise gutem Erfolg seit dem letzten Versuch, siegen zu dürfen, gelernt hat, dass kämpfen und Krieg führen und siegen wollen der falsche Ansatz ist. Was man auch schon alleine daran sieht, dass Israel nun schon seit vierzig, fünfzig Jahren herumkämpft, auch zwischendurch mal gesiegt hat, aber nicht wirklich davon profitierte. Es sterben immer noch Juden. Andere übrigens auch.

klemmdirigiert - 2006-08-31 19:28

Einspruch Euer Ehren:

"der Rest der Welt ist von dem Gedanken halt nicht so begeistert"
"seit dem letzten Versuch, siegen zu dürfen"
"Es sterben immer noch Juden. Andere übrigens auch."

- das sind für mich eine gröbliche Verallgemeinerung, ein wirklich unangemessener Vergleich und ein Hinweis, der angesichts des Holocaust m.E. mehr als unangebracht, zumindest taktlos ist. Sorry. Ich kann das nicht unterschreiben, so sehr ich die Diskussion im Einzelnen verstehe. Die Gefahr des Mißverständnisses zum Antisemitismus beginnt für mich in unserem Land dort, wo wir glauben zu meinen, was für Israel und die Juden richtig wäre. Was sind schon 60 Jahre Zeitgeschichte? Kann man das, was passiert ist, in 3 Generationen wirklich einfach so bewältigen und dem jüdischen Staat einfach mal so sagen, wie sie auf die Raketen der Hisbollah zu reagieren hätten? Ich meine, nein. Und die Stimme der Betroffenen macht mich immer besonders Zuhören. Auch die der libanesischen Opfer übrigens.

Zuhören - das stünde für mich im Vordergrund. Und vermitteln. Besserwisserei und Vorwürfe indessen kann ich nicht nachvollziehen.

Aber vielleicht ist das Thema fürs Internet wirklich zu sensibel und ich sollte aufhören, wider diesen Stachel zu löcken - weiß gar nicht, ob es klug ist, das jetzt zu bloggen.
ElsaLaska - 2006-09-05 02:07

Wie stehst du zum Irak - Krieg, Ekkehard?
Findest du ihn unerträglich oder ganz okay, weil ja auch mal "andere", dieser oder jener, siegen dürfen sollen?

Entweder ich bin gegen Krieg, oder nicht. Dann muss ich -wenn ich dagegen bin - aber in Konsequenz auch dagegen sein, wenn Israel ihn führt. Und Al Kaida. Und Hitler und Ruanda und Serbien. USA. Wer noch? Ich will nicht so einseitig listen. Wenn sie einen gerechten Krieg führen, dann will ich sie in eine Reihe adäquat stelllen. Also wer führt "guten Krieg" auf der Welt, ohne dass ich jetzt Israel beleidige? Leute, postet "gute Kriegsparteien", dass ich aus der Bredouille komm.

Oder ich finde Krieg ganz okay, ist ja nichts dabei :) Die Demokratie wird siegen.
Gut. Mir auch recht. Ich änder eh nix dran.
klemmdirigiert - 2006-09-10 23:39

"Tatsache ist: es gibt keine klaren Antworten"

...sagte erst kürzlich Zeruya Shalev, ich hatte sie verlinkt - und sie scheint mir durchaus eine völlig unkriegerische Person zu sein.

Nein, an dieser Stelle nochmal in aller Klarheit: ich bin gegen Krieg, gegen den Irak-Krieg hatte ich damals recht klar hier (bzw. bei myblog, leider durch die Dilemmi mit dem Betreiber gelöscht) Stellung bezogen, auch gegen den aktuellen Krieg bin ich. Bei meiner Materialsammlung indessen fiel mir die tendenziöse Berichterstattung auf: in diesem Sinne fand ich einige anderslautende Kommentare 'bedenkenswert' - mehr hatte ich nicht formuliert.

Ich bin gegen den Krieg, vor allem gegen die, die ihn anzetteln. In diesem Sinne nochmals Shalev:

"Die Hisbollah schießt Raketen auf Zivilisten in Israel aus der Mitte der libanesischen Bevölkerung. Sie nutzt die Zivilisten als Basis für ihre militärischen Aktionen und es ist schwierig sich dagegen zu wehren, ohne dass Zivilisten getötet werden. Ich wünschte, das wäre möglich. Israel warnt die Menschen und fordert sie auf in Bunker zu gehen, aber ich habe gehört, dass die Hisbollah den Menschen nicht erlaubt, aus den Dörfern zu fliehen. Die Hisbollah benutzt die Zivilbevölkerung.

Was gestern in Kana passiert ist, ist eine große Tragödie und ich bin unglaublich traurig und schockiert - aber wiederum ist es passiert, weil die Hisbollah von Kana aus Hunderte Raketen auf Israel abgefeuert hat. Die israelische Armee wusste nicht, dass sich in dem Gebäude in Kana auch Zivilisten verstecken. Sie dachten, dass in dem Gebäude nur Hisbollah-Kämpfer sind. Es ist schrecklich, ein schrecklicher Fehler. Definitiv sind die Zivilisten im Libanon Opfer der Hisbollah, die sich dem libanesischen Volk gegenüber sehr unverantwortlich verhält.

Tatsache ist: Es gibt keine klaren Antworten."

Und es bleibt mir ein Rätsel, wie man/frau Israel, Al Kaida, Hitler usw. innerhalb dieses Themas in einem Atemzug nennen kann. Ich finde, das geht nicht.

*etwas ermattet*
ElsaLaska - 2006-09-23 23:15

Ja die Hisbollah ermordet Zivilisten. Und Israel ermordet Zivilisten. Und es gibt keine Antwort, schon gar nicht von Zeruya Shalev, das leuchtet mir auch ein.
Für mich ist Menschen umbringen, egal wer es tut, ob aus Not oder aus Willkür, aus Ideologie oder aus demokratischer Überzeugung, nicht akzeptabel.
Ich kann nicht einerseits Krieg verdammen und dann andererseits eben nicht, je nach dem wer das Opfer/der Täter ist. Das ist meine Prämisse, der du dich nicht folgen musst. Aber es ist okay, ich ermüde dich, wir brauchen auch nicht weiter drüber zu diskutieren. Und ich hab auch keine Lust mehr, deswegen angegangen zu werden als würde ich hier gar undenkbares und verwerfliches posten und bewegte mich irgendwo am Rande einer politisch fragwürdigen Einstellung, nur weil ich finde, dass Zivilisten, Frauen und Kinder ermorden, sowohl von Hitler oder sagen wir einfach im WK II., als auch von Al Kaida, als auch von den USA, als auch von der Hisbollah als auch von Israel und von wem auch immer auf der ganzen Welt praktiziert wird/wurde, wenn es zu kriegerischen Handlungen kam und kommt.
Wenn du das fragwürdig findest, steht es dir frei, diesen Kommentar zu löschen. Kein Problem. Es ändert aber nichts an der beklagenswerten Realität.
klemmdirigiert - 2006-09-24 13:36

...es gibt einen Titel von Degenhardt über die Befragung eines Zivis, dem eine Situation vorgestellt wird: die Freundin des Zivis wird von Soldaten vergewaltigt usw., der Zivi hätte die Möglichkeit, mit dem Gewehr einzuschreiten. Muß er zusehen, darf er einschreiten?

Wie käme ich im übrigen dazu, Kommentare von verehrten Widerspruchsgeistern zu löschen?

- werde ohnehin mit dem Bloggen wegen Überlastung aufhören müssen in der nächsten Zeit. Weiß bis Weihnachten nicht, wo mir der Kopf steht...
ElsaLaska - 2006-10-29 23:45

Ekkehard,

Frauen werden nicht vergewaltigt, während Zivis daneben stehen. Frauen werden vergewaltigt, weil KRIEG geführt wird. Frauen werden auch in Friedenszeiten vergewaltigt, weil es dumme und unterprivilegierte Männer gibt. Frauen werden insbesondere dann vergewaltigt, wenn jemand Krieg proklamiert, das ist NORMAL, c'est la guerre! Krieg, das ist KRIEG! Mit allen Konsequenzen! Menschen vertieren im Krieg! Was kann an Krieg, und sei er für Israel, denn nur gut sein? Nichts ist gut! Nichtmal für Israel. Kinder, Alte, Kranke, Frauen werden qualvoll sterben, das ist das Resümee vom Krieg. Egal von welchem! Wir haben es doch wirklich satt erfahren! Ist es denn noch eine Frage!?
Müssen wir nicht endlich sagen: Scnluss mit KRIEG!
?
klemmdirigiert - 2006-10-31 13:00

Schluss mit Krieg -

- ganz recht, dem ist nichts hinzuzufügen. Mich hatte an der in Deutschland entflammten Debatte eigentlich nur die Einseitigkeit gestört. Und gutgeheißen habe ich den Krieg nicht, lediglich einen Artikel für bedenkenswert gehalten, der Gründe für Israels Entscheidungen, der obigen Forderung nicht nachzukommen, angab. Entscheidungen, die ich selbst für Irrtümer halte, die sich aber von unserer sicheren Position aus leicht abqualifizieren lassen. Es sind Entscheidungen aus dem Dickicht einer Geschichte und Situation heraus, um die wir Israel nicht beneiden wollen.

Apropos: "Dieser Krieg ist die entscheidende Auseinandersetzung zwischen Nationalsozialismus und Weltjudentum. Einer bleibt auf der Strecke ... Wenn wir verlieren, vernichten sie uns." - so Hitler lt. dem Tagebuch seines Adlaten Speer. So viel zum Thema 'antisemitischer Krieg', einen Passus, den ich nicht teilen muß: nur Bullshit aber ist er ebensowenig.
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