nochmal Gielen
schönes Bild des Kollegen
"Vor acht Jahren wurde ich eingeladen, in der Mozart-Woche in Salzburg ein Konzert mit den Wiener Philharmonikern zu dirigieren, und da war die große Sinfonie Es-dur KV 543 im Programm. Eines dieser Interpretationsprinzipien, die von Kolisch allerdings nicht expressis verbis erwähnt werden, von denen ich aber felsenfest überzeugt bin, lautet: Die Einleitung verhält sich zum Allegro wie eins zu zwei. Das ist fast immer der Fall. Das bedeutet, dass in der Es-dur-Sinfonie die Einleitung ungefähr doppelt so schnell geht wie bei allen berühmten Dirigenten - Furtwängler, Böhm etc. Böhm dirigiert sie besonders langsam, in Achteln. Sie ist aber "alla breve" bezeichnet, und das ist schon ein Hinweis darauf, dass es nicht so langsam geht. Ein ähnlicher Fall ist ja die Einleitung zum ersten Satz der großen C-dur-Sinfonie von Schubert: Seit man weiß, dass da "alla breve" steht, spielt man sie mit gutem Gewissen doppelt so schnell. Aber Furtwängler und Böhm wussten ja nicht, dass über der Einleitung alla breve steht und wussten sich nicht anders zu helfen als mit dieser Feierlichkeit und dem großen Accelerando. – Also gut ich komme zurück zur Es-dur Sinfonie von Mozart mit den Wiener Philharmonikern. Es war natürlich eine große Ehre. Ich verehre dieses Orchester, aber ich wusste schon, da gibt es einen Riesenkonflikt. Ich fange an, und das Orchester versteht Achtel, wo ich Viertel meine. Ich muss also nach dem zweiten Schlag abbrechen und sagen: "Nein, meine Herren, in Vierteln." Schon Sand im Getriebe. Sowas geht einem Orchester gegen den Strich. Aber gut, sie spielen es. Dann kommen wir zum Allegro, und da machen auch alle anständigen Menschen drei Viertel daraus und spielen alles aus. Und ich dirigierte in Eins. Natürlich nicht in striktem Tempo, sondern in einem Tempo, das dem Charakter dauernd folgt. Also eine etwas freie Deklamation. Es sollte ein bisschen wie menschliche Sprache sein, ein bisschen nur, aber doch wahrnehmbar. Worauf dann natürlich gleich der Konzertmeister sagte: "Aber Herr Gielen, das geht doch im Takt", und singt mir das vor, so Viertel nach Viertel. Und ich sagte: "Aber um Gottes Willen doch bloß nicht im Takt!" Dann haben sie alle gelacht, und dann war's gut. Sie haben schließlich sehr schön gespielt."
"Vor acht Jahren wurde ich eingeladen, in der Mozart-Woche in Salzburg ein Konzert mit den Wiener Philharmonikern zu dirigieren, und da war die große Sinfonie Es-dur KV 543 im Programm. Eines dieser Interpretationsprinzipien, die von Kolisch allerdings nicht expressis verbis erwähnt werden, von denen ich aber felsenfest überzeugt bin, lautet: Die Einleitung verhält sich zum Allegro wie eins zu zwei. Das ist fast immer der Fall. Das bedeutet, dass in der Es-dur-Sinfonie die Einleitung ungefähr doppelt so schnell geht wie bei allen berühmten Dirigenten - Furtwängler, Böhm etc. Böhm dirigiert sie besonders langsam, in Achteln. Sie ist aber "alla breve" bezeichnet, und das ist schon ein Hinweis darauf, dass es nicht so langsam geht. Ein ähnlicher Fall ist ja die Einleitung zum ersten Satz der großen C-dur-Sinfonie von Schubert: Seit man weiß, dass da "alla breve" steht, spielt man sie mit gutem Gewissen doppelt so schnell. Aber Furtwängler und Böhm wussten ja nicht, dass über der Einleitung alla breve steht und wussten sich nicht anders zu helfen als mit dieser Feierlichkeit und dem großen Accelerando. – Also gut ich komme zurück zur Es-dur Sinfonie von Mozart mit den Wiener Philharmonikern. Es war natürlich eine große Ehre. Ich verehre dieses Orchester, aber ich wusste schon, da gibt es einen Riesenkonflikt. Ich fange an, und das Orchester versteht Achtel, wo ich Viertel meine. Ich muss also nach dem zweiten Schlag abbrechen und sagen: "Nein, meine Herren, in Vierteln." Schon Sand im Getriebe. Sowas geht einem Orchester gegen den Strich. Aber gut, sie spielen es. Dann kommen wir zum Allegro, und da machen auch alle anständigen Menschen drei Viertel daraus und spielen alles aus. Und ich dirigierte in Eins. Natürlich nicht in striktem Tempo, sondern in einem Tempo, das dem Charakter dauernd folgt. Also eine etwas freie Deklamation. Es sollte ein bisschen wie menschliche Sprache sein, ein bisschen nur, aber doch wahrnehmbar. Worauf dann natürlich gleich der Konzertmeister sagte: "Aber Herr Gielen, das geht doch im Takt", und singt mir das vor, so Viertel nach Viertel. Und ich sagte: "Aber um Gottes Willen doch bloß nicht im Takt!" Dann haben sie alle gelacht, und dann war's gut. Sie haben schließlich sehr schön gespielt."
klemmdirigiert - 2007-02-02 22:27
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