12
Okt
2013

Britten, WAR REQUIEM zum 100. Geburtstag in der Kreuzkirche Dresden

Singakademie-Coventry-I

Es war wohl einer der eindrücklichsten Momente unserer Reise nach England, in den Ruinen der Kathedrale in Coventry Schumann und Britten zu singen und damit einen kleinen Mosaikstein zum großen Gedanken der Versöhnung hinzuzufügen, wie er unmittelbar nach der Zerstörung der Kirche im November 1940 seinen Ausgang nahm. Bereits zu Weihnachten des gleichen Jahres war es der Domprobst Richard Howard, der zu Vergebung und Versöhnung aufrief. Entstanden ist eine weltweite Verbundenheit in der sogenannten 'Nagelkreuzbewegung', zurückgehend auf die Formung eines Kreuzes, zunächst aus verbranntem Holz, später aus Nägeln der zerstörten Kirche. Die Litanei wird jeden Werktag um die Mittagszeit gebetet, unser Chor war eingeladen, am Tag seines Konzertes daran teilzuhaben. Mit Schütz, Lechner, Purcell, Schumann, Brahms, Britten und Reiko Füting durften wir am Abend selbst ein Konzert in der Kathedrale gestalten.

Der Geist der Versöhnung und Vergebung ist in Coventry mit dem festen Glauben verbunden, dass ein Neuanfang möglich und nötig ist, um wirklichen Aufbruch zu entfachen. Die Art und Weise, wie dies – ausgehend von der geistlichen Erneuerung – auch hinsichtlich der konsequent modernen künstlerischen Gestaltung gelang, ist tief bewegend und beeindruckend. Es wurde ein ganz zeitgemäßes spirituelles Symbol geschaffen für das, was christlicher Glaube den Menschen in Coventry, England und allen an Versöhnung ehrlich und ernsthaft interessierten Menschen in der Welt bedeuten könnte. Staunend geht man von den Skulpturen der Ruine hinüber zur neuen Kirche, die durch die berühmten Glasgravuren biblischer Figuren von John Hutton zwar abgegrenzt ist, dennoch offen wirkt und den Blick freigibt auf das Gegenüber, den Altar mit dem Gobelin Graham Sutherland's. Dazwischen schweift der Blick über unzählige andere Kunstwerke, bunte Glasfenster, metallene Skulpturen und das aus afrikanischem Holz gefertigte Chorgestühl. In seitlichen Kapellen befinden sich weitere bedeutende Werke, u.a. die von der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin geschenkte Kopie der Stalingradmadonna von Kurt Reuber.

Doch auch die Musik kam zu ihrem Recht. Benjamin Britten wurde mit der Komposition eines Stückes aus Anlass der Weihe beauftragt – herausgekommen ist das WAR REQUIEM, womit die Kathedrale Coventry und der Komponist seit 1962 endgültig auch in den Lexika der Musikgeschichte verankert sind. Es gibt wohl kaum eine gültigere musikalische Auseinandersetzung mit dem, was das grausame 20. Jahrhundert geprägt hat: Krieg, Zerstörung und Verbrechen. Für den von Coventry ausgehenden Gedanken der Versöhnung ist es umso wichtiger, dass diese Musik nicht nur in hochkarätigen Gastkonzerten erklingt, sondern in unseren Alltag tief eindringt. Mit der Kooperation zwischen mehreren Laienchören aus Dresden, München und Jena und den Aufführungen zum Deutschen Chorfestival im Zwickauer Dom und nun in der Dresdner Kreuzkirche hoffen wir, genau das zu erreichen: Dass Menschen die Musik Brittens und ihren Appell ins Herz aufnehmen durch die intensive Beschäftigung und Auseinandersetzung, dass sie dabei andere mitnehmen und den Gedanken der forgiveness and reconciliation Wurzeln schlagen lassen.

Wir danken allen, die dieses große Projekt mit allen damit verbundenen Ideen unterstützt haben:
- die Rudolf Kempe Society Stratford upon Avon mit Cordula Kempe an der Spitze
- Richard Williams, der die Konzerte der Singakademie in England mitorganisierte
- dem Dresden Trust, seinem Präsidenten, dem Dresdner Ehrenbürger Dr. Alan Russell sowie Chairfrau Evelyn Eaton, die den Chor in
Oxford empfingen
- den Städten Dresden und Zwickau und Coventry
- allen Förderern der Chöre in München, Jena und Dresden
- dem Verband Deutscher Konzertchöre VDKC, der durch sein Chorfestival unter dem Motto "Lichter Schatten Horizonte" den Anstoß
gab, sich des Werkes Brittens anzunehmen.

Nicht zuletzt und ganz besonders sei allen mitwirkenden Künstlerinnen und Künstlern gedankt, den Solisten Jana Büchner, Erik Stokloßa und Andreas Scheibner, den Dirigenten Berit Walther und Hayko Siemens sowie dem Philharmonischen Orchester Plauen/Zwickau!
Möge etwas von den ergreifenden Momenten, die wir mit dem Stück und auf unserer Reise erlebt haben, bei unserem Publikum ankommen.

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