zum Thema Benedikt ...
...wollte ich eigentlich schweigen, zumal im Internet ganz viel und garstig geschwätzt wird; Hans Küng und andere gelten plötzlich als Leute, die sich auf des Papstes Kosten profiliert hätten (jeder, der CHRIST SEIN wirklich gelesen hat, wird vom Gegenteil und der faszinierenden Sicht Küngs überzeugt sein, dessen Grundforderung der Dialog der Religionen ist; die Einheit der Kirche, zumal nur der römisch-katholischen, nützt dem Frieden der Welt, mit Verlaub, so gut wie nix, wenn sie ihn nicht sogar gefährdet)
An diesem Beitrag in der nzz wird wohl einiges dran sein, was wir uns merken könnten (Autor ist F. W. Graf, Theologe aus München):
Der Gelehrte auf Petri Stuhl hat die schismatischen Bischöfe aus ekklesiologischen Gründen dennoch in «die Kirche» zurückgeholt – ohne jede Vorbedingung. Wenn nun manche Kardinäle und einzelne deutsche Bischöfe erklären, Benedikt habe die Tragweite seiner Entscheidung nicht erkannt oder sei dem zuständigen Kurienkardinal Hoyos «ins Messer gelaufen», ist ihnen Ratzinger-Lektüre zu empfehlen. Dem Papst war «die Einheit der Kirche» wichtiger als alles bloss Politische – und dies entspricht ganz seiner Theologie.
Schon der junge Ratzinger hat einen eigenen organologischen Denkstil entwickelt. In seiner individuellen geistigen Ordnung steht immer «die Kirche», empirisch gesehen: die römisch-katholische Weltkirche, im Zentrum. Theologie soll die institutionelle Identität «der Kirche» gegenüber «der Welt» stärken. So konzentriert sich der Dogmatiker auf die Ekklesiologie, die Lehre von der Kirche und ihrer Heilsbedeutung, speziell die Ämterlehre, und die Sakramente. Kein anderer Theologe seiner
Generation hat vergleichbar intensiv über die exklusive Autorität des Papstamtes veröffentlicht: Nur der «Primat des Papstes» garantiere «die Einheit des Gottesvolkes». Offenbarungsgehorsam, strikte Bindung an die Lehre der Väter, Papsttreue, Sakramentalität und heiliger Ritus gelten ihm als entscheidende Kriterien wahrer Kirchlichkeit.
In dieser radikalen Ekklesiozentrik kann Ratzinger die sozialen Umwelten «der Kirche», etwa staatliche Institutionenordnungen, ideenpolitische Diskurse und gesellschaftliche Akteure, nur sehr unscharf wahrnehmen. Walter Kasper, damals Professor in Münster und nun Kurienkardinal sowie Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, hat in einer ebenso subtilen wie vernichtenden Besprechung von Ratzingers «Einführung in das Christentum» dem Tübinger Kollegen 1969 einen platonisierenden Spiritualismus attestiert, der weder konfliktreicher Geschichte noch dem «Bereich des Politischen» gerecht werden könne. Ratzinger spricht fortwährend «vom Primat des Unsichtbaren als des eigentlich Wirklichen» oder von der «Logoshaftigkeit der Wirklichkeit», die sich allein in der Christus-Offenbarung erschliesse. Die reformatorische «Freiheit eines Christenmenschen» und die kantische «Revolution der Denkungsart» verwirft er als «haltlosen Subjektivismus», und der moderne Historismus ist ihm völlig fremd geblieben. Fortwährend will er synthetisch und ganzheitlich denken – und dies heisst: Er denkt unhistorisch.
An diesem Beitrag in der nzz wird wohl einiges dran sein, was wir uns merken könnten (Autor ist F. W. Graf, Theologe aus München):
Der Gelehrte auf Petri Stuhl hat die schismatischen Bischöfe aus ekklesiologischen Gründen dennoch in «die Kirche» zurückgeholt – ohne jede Vorbedingung. Wenn nun manche Kardinäle und einzelne deutsche Bischöfe erklären, Benedikt habe die Tragweite seiner Entscheidung nicht erkannt oder sei dem zuständigen Kurienkardinal Hoyos «ins Messer gelaufen», ist ihnen Ratzinger-Lektüre zu empfehlen. Dem Papst war «die Einheit der Kirche» wichtiger als alles bloss Politische – und dies entspricht ganz seiner Theologie.
Schon der junge Ratzinger hat einen eigenen organologischen Denkstil entwickelt. In seiner individuellen geistigen Ordnung steht immer «die Kirche», empirisch gesehen: die römisch-katholische Weltkirche, im Zentrum. Theologie soll die institutionelle Identität «der Kirche» gegenüber «der Welt» stärken. So konzentriert sich der Dogmatiker auf die Ekklesiologie, die Lehre von der Kirche und ihrer Heilsbedeutung, speziell die Ämterlehre, und die Sakramente. Kein anderer Theologe seiner
Generation hat vergleichbar intensiv über die exklusive Autorität des Papstamtes veröffentlicht: Nur der «Primat des Papstes» garantiere «die Einheit des Gottesvolkes». Offenbarungsgehorsam, strikte Bindung an die Lehre der Väter, Papsttreue, Sakramentalität und heiliger Ritus gelten ihm als entscheidende Kriterien wahrer Kirchlichkeit.
In dieser radikalen Ekklesiozentrik kann Ratzinger die sozialen Umwelten «der Kirche», etwa staatliche Institutionenordnungen, ideenpolitische Diskurse und gesellschaftliche Akteure, nur sehr unscharf wahrnehmen. Walter Kasper, damals Professor in Münster und nun Kurienkardinal sowie Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, hat in einer ebenso subtilen wie vernichtenden Besprechung von Ratzingers «Einführung in das Christentum» dem Tübinger Kollegen 1969 einen platonisierenden Spiritualismus attestiert, der weder konfliktreicher Geschichte noch dem «Bereich des Politischen» gerecht werden könne. Ratzinger spricht fortwährend «vom Primat des Unsichtbaren als des eigentlich Wirklichen» oder von der «Logoshaftigkeit der Wirklichkeit», die sich allein in der Christus-Offenbarung erschliesse. Die reformatorische «Freiheit eines Christenmenschen» und die kantische «Revolution der Denkungsart» verwirft er als «haltlosen Subjektivismus», und der moderne Historismus ist ihm völlig fremd geblieben. Fortwährend will er synthetisch und ganzheitlich denken – und dies heisst: Er denkt unhistorisch.
klemmdirigiert - 2009-02-14 11:43
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Connie (Gast) - 2009-02-22 10:28
Farbwahl in den Beiträgen
Lieber Klemm,
als nunmehr doch ein wenig Alterssichtige habe ich Probleme mit dem roten Text auf grauem Hintergrund...
liest sich echt schlecht ;=(
Viele Grüsse, sehen wir uns in Berlin bei MärzMusik und Streichquartett?
Connie
als nunmehr doch ein wenig Alterssichtige habe ich Probleme mit dem roten Text auf grauem Hintergrund...
liest sich echt schlecht ;=(
Viele Grüsse, sehen wir uns in Berlin bei MärzMusik und Streichquartett?
Connie
klemmdirigiert - 2009-02-24 16:16
wegen der Korrespondenz zu meiner Homepage will ich's nicht völlig ändern; hab' aber das Rot im Verhältnis zum Grau mal etwas geändert und schreib' keine so langen roten Überschriften mehr... Einverstanden? Kann bestimmt nicht nach Berlin kommen - bin z.Zt. in Rostock mit Vorbereitungen für L'Amour de loin von Kaija Saariaho beschäftigt und die Zeit dazwischen muß ich in DD sein
Liebe Grüße!
Ekkehard
Liebe Grüße!
Ekkehard
ElsaLaska - 2009-03-11 01:30
Jedem, der mir mit Christ Sein Hans Küngs kommt, verweise ich auf eine Biografie von Mahatma Gandhi, innerhalb derer man wohl mehr übers Christ Sein erfahren kann als durch das heuchlerische Geschwätz Hans Küngs. Und wenn das immer noch nicht genug ist:
Küng hat sich damals, 1988, als die Piusbrüder exkommuniziert worden sind, als einer der echauffiertesten Vertreter dagegen aufgespielt, er sprach von inquisitorischen Maßnahmen von seiten der katholischen Kirche. (Das musste er natürlich tun in seiner Eigenschaft als der Küng - die christliche Liebe per se)
Heute erregt er sich ohne Ende über die AUFHEBUNG der Exkommunikation.
Wie bigott ist das denn nur?
Herzlichen Gruß
Küng hat sich damals, 1988, als die Piusbrüder exkommuniziert worden sind, als einer der echauffiertesten Vertreter dagegen aufgespielt, er sprach von inquisitorischen Maßnahmen von seiten der katholischen Kirche. (Das musste er natürlich tun in seiner Eigenschaft als der Küng - die christliche Liebe per se)
Heute erregt er sich ohne Ende über die AUFHEBUNG der Exkommunikation.
Wie bigott ist das denn nur?
Herzlichen Gruß
scipio (Gast) - 2009-03-11 07:56
Ich habe das Buch
"Christ sein" von Küng 1977 mit 17 Jahren von vorne bis hinten gelesen, fasziniert von seinem Schwung und seinem Stil und gleichzeitig auch zunehmend abgeschreckt von dem Mangel an religiöser und theologischer Substanz, von einem Wortgeklingel, hinter dem je länger je mehr ein Jesus zum Vorschein kam, dem zu begegnen, dem zu leben, den zu lieben sich nicht lohnte. Ein Morallehrer der 70er Jahre, kaum zu unterscheiden vom liberalen Theologen Küng.
Später hat Küng einmal bemerkt, daß das von Kritikern bemängelte Fehlen einer Theologie des Gebetes bei ihm - in Christsein und anderswo - auf das Konto der ihm aufgezwungenen Auseinandersetzung mit der Glaubenskongregation ginge. Mag sein, aber es alles eine Frage der Prioritätensetzung. Und die seine, wie wir sie seit 1974 beobachten, war nur konsequent und hat ihn dorthin geführt, wo er jetzt ist: An den Rande der Kirche, aber in die Mitte des florierenden Einmannunternehmens "Weltprojekt Küng".
Später hat Küng einmal bemerkt, daß das von Kritikern bemängelte Fehlen einer Theologie des Gebetes bei ihm - in Christsein und anderswo - auf das Konto der ihm aufgezwungenen Auseinandersetzung mit der Glaubenskongregation ginge. Mag sein, aber es alles eine Frage der Prioritätensetzung. Und die seine, wie wir sie seit 1974 beobachten, war nur konsequent und hat ihn dorthin geführt, wo er jetzt ist: An den Rande der Kirche, aber in die Mitte des florierenden Einmannunternehmens "Weltprojekt Küng".
klemmdirigiert - 2009-03-14 01:06
...da kann ich leider nicht mitgehen.
Vor dem Hintergrund gerade des aktuellen Papstbriefes kann auch ich zunächst sagen, dass ich ihn mit tiefem Respekt gelesen habe. Bigotterie gibt es dennoch genügend auch innerhalb der katholischen (wie evangelischen!, zu der ich mich zähle) Kirche. Neben dem Thema Empfängnisverhütung im Zeitalter von massenhaftem Aids wäre z.B. auch nach der Stellung der Befreiungstheologie zu fragen - im Verhältnis zu der nun den Piusbrüdern zugekommenen Handreichung.
Und ist es nicht prinzipiell bigott, zu behaupten, die alleinseligmachende Wahrheit gefunden und die dafür notwendige Kirche nebst Institution und Autorität zur Verfügung zu haben?
Dass Küng 88 anders votierte als heute, erklärt sich doch recht einfach: er als Mann 'von links' setzte sich auch bei denen 'von rechts' dafür ein, dass Rom andere Formen finden muss als die des Verbotes. Wenn er 2009 anders argumentiert, so liegt das offenkundig an dem 88 in dieser Schärfe wohl noch nicht erkennbaren Antisemitismus-Problem, das sich zweifellos sehr in den Vordergrund gedrängt hat und die eigentlichen Anliegen der Piusleute überdeckt.
Ich habe Küngs Bücher jederzeit mit Gewinn gelesen - sie bringen mir das Thema Glauben und die historische Christus-Figur wesentlich näher als Bendikt mit seinem Buch. Sorry. In Frage stellen, Zweifel, auf dem Weg bleiben, ein neues Verständnis finden - das sind doch sehr menschliche Dinge. Muss man sie gleich als 'heuchlerisches Geschwätz' apostrophieren? Was ist an Küngs Bemühen um das Projekt Weltethos heuchlerisch? Bitter nötig ist das - nötiger als zu behaupten, es gäbe nur einen Weg zum Heil.
Die Schärfe, mit der Küng und andere nun auf einmal angegriffen werden, verwundert mich. Er profiliere sich auf Kosten Bendikts usw. Ist der immense Erfolg seiner Bücher und Theologie nicht Beweis genug, dass viele Menschen nach etwas anderem dürsten als nach liturgischen Ritualen und institutionalisierten, angeblich geoffenbarten Wahrheiten? Was hat Küng dem Papst getan, dass er dafür so angegriffen wird? Umgekehrt aber hat Rom Küng allerhand getan. Der Papst ist ein Mensch wie wir alle. Das hat er nicht zuletzt nun selbst bekräftigt. Also kann er auch kritisiert werden.
Wie gesagt: sorry. Ich mag beide; mal mehr, mal weniger - aber Küng etwas mehr als Ratzinger: weil er mir Wege des Glaubens weisen konnte. Sein Aufarbeiten anderer Religionen und der damit verbundene Dialog können nur als vorbildlich und friedensstiftend eingeschätzt werden. Bei Ratzinger ist mir zu viel Beharren, zu viel Unhistorisches. Übrigens auch viel Schärfe im Gewande der Sanftmut (Regensbuger Rede z.B.). Und sein Jesus-Buch ist natürlich überhaupt nicht geschwätzig...??
Vor dem Hintergrund gerade des aktuellen Papstbriefes kann auch ich zunächst sagen, dass ich ihn mit tiefem Respekt gelesen habe. Bigotterie gibt es dennoch genügend auch innerhalb der katholischen (wie evangelischen!, zu der ich mich zähle) Kirche. Neben dem Thema Empfängnisverhütung im Zeitalter von massenhaftem Aids wäre z.B. auch nach der Stellung der Befreiungstheologie zu fragen - im Verhältnis zu der nun den Piusbrüdern zugekommenen Handreichung.
Und ist es nicht prinzipiell bigott, zu behaupten, die alleinseligmachende Wahrheit gefunden und die dafür notwendige Kirche nebst Institution und Autorität zur Verfügung zu haben?
Dass Küng 88 anders votierte als heute, erklärt sich doch recht einfach: er als Mann 'von links' setzte sich auch bei denen 'von rechts' dafür ein, dass Rom andere Formen finden muss als die des Verbotes. Wenn er 2009 anders argumentiert, so liegt das offenkundig an dem 88 in dieser Schärfe wohl noch nicht erkennbaren Antisemitismus-Problem, das sich zweifellos sehr in den Vordergrund gedrängt hat und die eigentlichen Anliegen der Piusleute überdeckt.
Ich habe Küngs Bücher jederzeit mit Gewinn gelesen - sie bringen mir das Thema Glauben und die historische Christus-Figur wesentlich näher als Bendikt mit seinem Buch. Sorry. In Frage stellen, Zweifel, auf dem Weg bleiben, ein neues Verständnis finden - das sind doch sehr menschliche Dinge. Muss man sie gleich als 'heuchlerisches Geschwätz' apostrophieren? Was ist an Küngs Bemühen um das Projekt Weltethos heuchlerisch? Bitter nötig ist das - nötiger als zu behaupten, es gäbe nur einen Weg zum Heil.
Die Schärfe, mit der Küng und andere nun auf einmal angegriffen werden, verwundert mich. Er profiliere sich auf Kosten Bendikts usw. Ist der immense Erfolg seiner Bücher und Theologie nicht Beweis genug, dass viele Menschen nach etwas anderem dürsten als nach liturgischen Ritualen und institutionalisierten, angeblich geoffenbarten Wahrheiten? Was hat Küng dem Papst getan, dass er dafür so angegriffen wird? Umgekehrt aber hat Rom Küng allerhand getan. Der Papst ist ein Mensch wie wir alle. Das hat er nicht zuletzt nun selbst bekräftigt. Also kann er auch kritisiert werden.
Wie gesagt: sorry. Ich mag beide; mal mehr, mal weniger - aber Küng etwas mehr als Ratzinger: weil er mir Wege des Glaubens weisen konnte. Sein Aufarbeiten anderer Religionen und der damit verbundene Dialog können nur als vorbildlich und friedensstiftend eingeschätzt werden. Bei Ratzinger ist mir zu viel Beharren, zu viel Unhistorisches. Übrigens auch viel Schärfe im Gewande der Sanftmut (Regensbuger Rede z.B.). Und sein Jesus-Buch ist natürlich überhaupt nicht geschwätzig...??
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