2
Sep
2008

Sieg des Pragmatismus...??

Der oft für das opulent-süffige Theater mit Glamour-Faktor schreibende Manuel Brug hat in der WELT ein Statement veröffentlicht, das mir sehr zeitgeistig erscheint: verfolgt man die Tendenzen in einschlägigen Zeitschriften - crescendo, partituren, rondo etc. - dann braut sich da ein Gemisch zusammen, das am liebsten nur noch dem 'Event' das Wort redet, oder, um den Intendanten der Wiener Staatsoper zu zitieren, dem "Netrebkoismus". In diesem Sinne fand ich die Bewerbung Nike Wagners und G. Mortiers - wie aussichtslos auch immer - wichtig und mutig. Nötig hätte Mortier das nun wirklich nicht gehabt, sich diese Abfuhr einzuholen.

Ich selbst bin ja nun mitunter alles andere als unpragmatisch, aber den Pragmatismus siegen lassen - kann das in der Kunst gutgehen?
Ich habe in der WELT eine kleine Stellungnahme hinterlassen:

Die Wahl der Schwestern mag ja in Ordnung und gut sein. Warum aber die durchaus ernsthafte, wichtige und notwendige Opposition der Wieland-Tochter immer nur als verbiestert und verbittert dargestellt wird, erschließt sich nicht. Die "Opernrezepte von gestern" sind in Brüssel, Salzburg und anderswo zumindest nicht nur pragmatisch gewesen. Wie überhaupt das Lob des Pragmatismus der Kunst zuwiderläuft. Oder war Richard ein sehr pragmatischer Künstler...? Es befremdet, wenn alles, was nach intellektuell anspruchsvollem Ansatz aussieht, neuerdings von vornherein abqualifiziert wird. So werden wir in der Opernwelt den - mit Martin Kusej - "von reaktionären Menschen" beherrschten "Zucker'lberg" nicht abtragen können. Dazu braucht es Visionen, intellektuell aufregende Konzepte, viel Widerstand und - natürlich: - musikalische wie theatralische Sensationen! Wünschen wir Katharina und Eva, dass es gelingen möge, diese nach Bayreuth zu holen. Unterstellen wir aber über allen Zweifel erhabenen Opernleitern nicht, sie seien lediglich von gestern und verbiestert - das bleibt nun bei aller Pointiertheit des Schreibers wohl doch etwas zu sehr an der Oberfläche?!

Und hinzuzufügen wäre nur noch: alle wunderbaren Partituren, die heute mit so viel Glamour 'präsentiert' werden, sind irgendwann ganz intellektuell am Schreibtisch entstanden, selbst die von mir aus rotweingeschwängerten eines Herrn Mozart. Bei allem Bauch, den die Kunst braucht: der Hauptteil findet noch immer im Oberstübchen statt. Dort sieht es gottlob auch bei Katharina und Eva offenkundig nicht so schlecht aus...
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