23
Mai
2006

2 Filme

"Das Leben der anderen"

- sehr beeindruckend mit winzigen Einschränkungen: 1. daß schon wiedermal ein Täter der 'Held' ist, nervt mich etwas (und daß man am Ende sogar mit ihm Mitleid haben soll) und 2. S. Koch im Leinenhemd - das ist so, wie man sich im Westen die Ostopposition vorstellt... ein wenig zu sehr 68-er der ehemaligen BRD (und das nicht nur im Aussehen, sondern auch in Habitus und Spiel).

"Der da-Vinci-Code"

- ein glatter Ausfall. Langweilig und mit lauter vergebenen Möglichkeiten. Was nützt das sanfte Gesicht der Heldin, wenn gleichzeitig die Chance einer richtigen Szene mit A. Molina ungenutzt bleibt?! Das wäre doch ein Charakter gewesen! Ein Inquisitor, wie er im Buche steht. Aber ehe er richtig da ist, wird er umgelegt... Und diese ätzenden profan-populärwissenschaftlichen Vorträge, die nichtmal ordentlich unterfüttert sind (wie man hier nachlesen kann.

17
Mai
2006

den hungrigen Lesern zur Kenntnis - die Presse über unser Konzert vom Samstag:

Sächsische Zeitung
Montag, 15. Mai 2006
Botschaft mit Kraft
Von Karsten Blüthgen

Konzert. Singakademie Dresden konfrontiert Weber mit Klemm-Musik.

„3 in 1“ heißt weder eine neue Körperpflege noch ein Kombiwerkzeug für Bastler. „3 in 1“ stillt das Interesse an Gott und an herben handgemachten Klangreibungen. Das Stück für Chöre und Orchester erlebte am Sonnabend in der Dresdner Annenkirche seine Uraufführung, forsch hineingetrieben in die verklärte Harmonie zweier Messen Carl Maria von Webers.

Hinter dem vieldeutigen Titel steckt ein Auftrag der Singakademie Dresden, ein Beitrag zum Stadtjubiläum. Ekkehard Klemm, seit 2004 Chef des Laienchores, nutzte die Gelegenheit, sich neben seinen vielen Dirigierterminen mal wieder einer Sache zu widmen, die er ebenfalls studiert hat: dem Komponieren. Er integrierte, indem er den ganzen Apparat einbezog und Kinderchor, Oratorienchor und Seniorenchor im Raum verteilt singen ließ. Auch inhaltlich viel zu tragen hat das etwa halbstündige Opus: das alte „Vater unser“, den unter Kriegseindrücken entstandenen Bonhoeffer-Text „Von guten Mächten“, schließlich den visionären „Psalm vom Frieden“ des in Dresden lebenden Christoph Eisenhuth. Klemm gab den Texten zunächst je eigene klingende Identitäten, brachte moderne Stile in Anschlag, zitierte Gregorianik und Schütz, stellte Askese neben „musikalische Katastrophe“. Man bemerkt ein Annähern; schließlich lautet die finale Botschaft: Frieden über Religionsgrenzen hinweg. Eine Botschaft ohne jeglichen Zwang, aus Dresden müsse Spezielles tönen.

Ein Herz fürs Ungewöhnliche Langen Beifall gab es für den wie gewohnt zupackend agierenden Klemm, für Matthias Herbig, der eine der Weber-Messen engagiert leitete, für die Chöre. Reichlich applaudiert wurde den Solisten Anna Palimina (Sopran), Stephanie Hauptfleisch (Alt), Erik Stokloßa (Tenor) und Martin Gäbler (Bass). Den effektvollen Weber-Werken schenkten sie schöne Stimmen, ohne gut zu harmonieren, was der zügellos forcierenden Sopranistin geschuldet war. Gedankt wurde schließlich dem Prager „collegium 1704“, das sich auf historischen Instrumenten beiden Klangwelten mit großer Sorgfalt widmete.

Gemessen an der Besucherzahl war das Interesse ernüchternd. Klemm aber ist keiner, der sich nun verdrossen auf die alten Singakademie-Schinken „Carmina burana“ und Brahms-Requiem zurückziehen, sondern daneben weiter das Ungewöhnliche hochhalten wird.



DNN, 15.5.05

Dresdner Singakademie mit großem Einsatz

Uraufführungen sind rar geworden. Das liegt nicht an Komponisten, denen etwa weniger einfiele. Da der Sinn einer Dichtung in Tönen aber darin besteht, aufgeführt zu werden, "klemmt die Säge". Anders bei einem Kompositionsauftrag für die Dresdner Singakademie, der mit Unterstützung der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen an deren Leiter Ekkehard Klemm ging. So konnten die Potenzen der Chöre (Großer Chor, Kammerchor, Seniorenchor und Kinderchor) aus bester Kenntnis genutzt und ausgeschöpft werden. So konnte anlässlich der 800-Jahr-Feier der Dresden-Bezug ins Spiel kommen (Klemm war Kruzianer und studierte hier Dirigieren, Klavier und Komposition), der sich auch im Blick auf Weber- und Schützmotivik äußert. Ein "maßgeschneidertes" Werk also, das eingebettet war in die beiden Messen Carl Marias. Warum "3 in 1"? Drei Texte liegen zugrunde und werden reflektiert: das "Vater unser", der Bonhoeffer-Text "Von guten Mächten" und jener des hier lebenden Pfarrers und Lyrikers Rolf Eisenhuth ("Psalm vom Frieden"). Am Ende des knapp halbstündigen Werkes bezieht sich Klemm auf Impulse aus der jüdischen und muslimischen Welt und endet mit "Vater - Allah - Elohim - - - Welt". Eine brennende, hochaktuelle Brisanz.
Der Komponist betont in der Einführung, dass seine Absicht war, "die Moderne nicht zu scheuen", dabei aber "emotionale, sinnliche Musik" zu schreiben. Ein löbliches Unterfangen, denn besonders die Frage, ob Musik beim Hörer "ankommt", ist vielfach verloren gegangen. Nun fesselt auf den ersten Blick der äußere Aufwand: Teilchöre am Altarplatz, auf den rechten, linken und hinteren Emporen. Subdirigate machen sich erforderlich (Claudia Sebastian-Bertsch, Paul-Johannes Kirschner, Manual Pujol, Matthias Herbig). Schon von daher stellt sich freilich die Frage nach möglichen Nachaufführungen durch andere Interpreten. Die Verschmelzung der unterschiedlichen Aussagen ist faszinierend, zumal es Klemm versteht, enorme Spannungen zu erzeugen. Aber gerade dort fiel mir der Nachvollzug schwer, aus welcher Richtung sich der Klang entfaltete. Ist die Annenkirche zu klein, so dass es zu einer Mixtur der einzelnen Anteile kommt? Klemm schichtet die Klänge, akzentuiert durch Flüstern, Sprechen, Singen und erreicht eindrucksvolle Passagen. In der Einführung erläutert er die formalen Strukturen, denen auf die Spur zu kommen, mir allerdings Probleme bereitete. Die Wirkung stellte sich bei mir "insgesamt" ein, wozu die inhaltliche Konzeption entscheidend beitrug.
Die Leistung der Chöre verdient großen Respekt. Mit einer entwaffnenden Souveränität bewältigte man die ungewöhnlichen, breit gefächerten Aufgaben. Mit dem "collegium 1704" aus Prag stand Klemm ein Ensemble zur Verfügung, das nicht gekannt zu haben, ich als schwer verzeihbare Lücke bezeichne. Eigentlich spezialisiert auf Barockmusik (mit den entsprechenden Instrumenten), zeigte es sich auch der "modernen" Aufgabe bestens gewachsen.
Carl Maria von Webers beide Messen von 1818 und 1819 bildeten den Rahmen, waren denkbar größter Kontrast. Hier kann nur so viel gesagt werden, dass die Missae sanctae G-Dur (Leitung Matthias Herbig) und Es-Dur (Leitung Ekkehard Klemm) bei den imponierenden Solisten Anna Palimina (welch ein markanter Sopran, im Quartett ein wenig dominant), Stephanie Hauptfleisch (Alt), Eric Stockloßa (Tenor) und Martin Gäbler (Bass) sowie dem klangschönen, homogenen Kammerchor und den Prager Instrumentalisten in besten Händen waren.
Hans Peter Altmann

28
Apr
2006

"3 in 1" - eine Einführung

Verehrte Hörerinnen und Hörer des heutigen Konzertes,


die Aufführung der Messen von Weber und die UA von "3 in 1" aus meiner eigenen Bleistiftmine ist eine ganz und gar originär 'Dresdner Veranstaltung'. Im 800. Jahr der Stadt haben wir nach Stücken gesucht, die für Dresden in Dresden komponiert sind: Webers Messen gehören ganz explizit dazu – es sei auf den Text von Gerhard Poppe verwiesen.

Doch wir wollen nicht nur im Gestern verweilen, sondern das Heute antworten lassen. Dabei war mir wichtig, alle Chöre der Singakademie zu beteiligen, also neben dem Kammer- und Großen Chor auch die Senioren und Kinder. Gleichzeitig sollte aber ein Stück entstehen, daß die Moderne – also etwa zwölftönige, collagehafte oder aleatorische Strukturen – nicht scheut, dennoch für einen Laienchor zu bewältigen ist und überdies natürlich 'emotionale', 'sinnliche' Musik ist... Die Quadratur des Kreises also. Die Aufgabe war so klar wie schwierig, die Zeit knapp, die Idee schon im Ansatz so spannend, daß ich mich nach kurzer Überlegung der Aufgabe selbst unterzogen habe.

Herausgekommen ist "3 in 1" – ein Stück mit einem kryptischen, vielsagenden Titel, der natürlich zunächst pointiert an die Dreifaltigkeit des christlichen Gottes erinnert. Darüberhinaus aber sind in dem opus drei Texte aus drei Zeiten vereint: das biblische "Vater unser", Bonhoeffers Text aus der Kriegszeit "Von guten Mächten" und der "Psalm vom Frieden" des heute in Dresden lebenden Pfarrers und Lyrikers Christoph Eisenhuth. Religiöse Tradition, Erinnerung an die schwerste Stunde der Stadt (mit den Worten des 2006 100-jährigen Theologen der Bekennenden Kirche) und die Frage nach der Zukunft sind somit ineinander verwoben.
Die aktuelle Situation hat zusätzlich eine besondere Schlußpointe hervorgebracht: bei den Worten Eisenhuths "Wirklichkeit wächst durch das verfallene Haus" werden Worte aus 5. Mose und ein islamischer Text eingeflochten: das "Höre Israel" und die Eröffnungssure des Koran "Im Namen des all-barmherzigen und all-gnädigen Gottes" – Texte und Gebete mithin, die in den beiden anderen auf Abraham zurückreichenden Offenbarungsreligionen den gleichen Stellenwert haben wie im christlichen Galuben das "Vater unser". Ich bin überzeugt davon, daß "das letzte Wort Welt" nur "aussprechbar" bleibt (so ähnlich dichtet Eisenhuth), wenn diese drei Religionen so zueinanderfinden, daß VATER, ALLAH und ELOHIM gleichzeitig ausgesprochen und angerufen werden können.

Und so ist eine Art meditative Collage entstanden, die – das Psalmodieren als Ausgangspunkt religiösen Singens im Zentrum – für das christliche Gebet neue Töne sucht, dabei die alten (jene der Dresdner Schütz, Homilius, Weber sowie jene Luthers und zweier auf die Gregorianik zurückgehender Melodien) nicht vergessen kann und sie in die Suche einbezieht, zu der auch Atemgeräusche, Gebets-Gemurmel oder Schreie gehören. Dies alles wird unterbrochen durch die Worte Bonhoeffers, dessen einzelne Strophen zunächst kleinen Teilakkorden vorbehalten sind. Erst gegen Ende werden diese Teilakkorde zum Ganzen – einem farbenprächtigen Zwölftonakkord – gefügt.
Zuvor mündet das Ende des christlichen Gebets ("denn dein ist das Reich...") in eine musikalische Katastrophe, auf die Bonhoeffers Strophe "Wenn sich die Stille nun tief in uns breitet" antwortet. An dieser Stelle verstummen die Instrumente und Einsenhuths moderner Psalm beginnt in gesprochenem Duktus. Erst bei den Worten "Du Herr bist geblieben" beginnen wieder die Töne, die in einer – nun einstimmigen, wenn auch aufgesplitterten Psalmodie der Instrumente – zum bohrenden Schlußton führen, den die Kinder mit dem Wort "Welt" verbinden.

Für die Form des Werkes spielen die Proportionen des Goldenen Schnittes und dessen exemplarischer Zahlenreihe 1 2 3 5 8 13 21 34 55 89 144 233 ... eine zentrale Rolle: Takt 1 – 34 bilden eine erste Exposition des "Vater unser", die von der ersten Strophe "Von guten Mächten treu und still umgeben" (Altstimmen, erster Teilakkord), einem aleatorischen Abschnitt, unterbrochen wird. Takt 35 – 55 setzen diese Exposition fort, ehe die zweite Strophe "Noch will das Alte uns're Herzen quälen" (Bässe, zweiter Teilakkord, wieder aleatorisch) Bonhoeffers folgt.
Takt 56 – 89 wiederholen die die bis dahin erklungenen 55 Takte der Exposition – auf 34 Takte gerafft. Darauf antwortet Bonhoeffers 3. Strophe (Tenöre, 3. Teilakkord), ehe nun
zwei Durchführungsabschnitte die Kulmination vorbereiten: im ersten Teil der Durchführung (Takt 90 – 123) spielt ein für das Wort "geheiliget" etablierter zwölftöniger Quart-Tritonus-Akkord eine dominierende Rolle. Gleichzeitig aber schiebt sich 'von unten' die SANCTUS-Musik Carl Maria von Webers in die musikalische Szenerie. In seiner MISSA SANCTA in Es-dur ist diese Musik ein kontemplatives pianissimo sich aufbauender Akkorde mit Pauken und Baßpizzicati, das merkwürdigerweise an die Samiel-Musik im FREISCHÜTZ erinnert (!). Ganz anders in der MISSA SANCTA in G-dur, wo der gleiche Text ein schneidiges Hornquartett mit scharf punktiertem Rhythmus zugeordnet bekommt.
Entsprechend ist der die kontemplative Musik Webers zitierende erste Durchführungsteil meditativ, während der zweite chaotisch auf den Höhepunkt zusteuert (Takt 124 – 144). Dazwischen steht Bonhoeffers 4. Strophe (Soprane, 4. Teilakkord).
In den gemeinsamen Aufschrei aller vier Chöre am Ende der Durchführung ("denn dein ist das Reich...") hinein ertönt (unisono, alle Stimmen, vom übriggebliebenen 12. Ton D ausgehend) Bonhoeffers 5. Strophe. Und an dieser Stelle greift die Musik – nicht mehr weiter wissend – für 8 Takte auf das "Vater unser" von Heinrich Schütz zurück. So bilden den ersten Teil des Stückes 144 Takte, die Proportionen der aleatorischen Teile entsprechen weiteren 89 Takten, gesamt also 233; der zweite Teil des Stückes, der nun anschließt beinhaltet nochmals 144 Takte. Schütz' Zitat steht also genau im Goldenen Schnitt der Gesamtdauer. (Die aleatorischen Teile sind der Grund dafür, daß die Taktzahlen die Proportionen am Ende nicht ganz korrekt wiedergeben: so kommt das Stück schlußendlich nur auf 330 statt 377 Takte – eine Ungenauigkeit, wie sie der lebendige Organismus eines Kunstwerkes hervorbringt...)

Wie in Günther Grass berühmter Novelle "Das Treffen in Telgte" ermuntert die Autorität Schütz' zum Neuanfang – im Falle meines Stückes mit den zeitgenössischen Worten des Lyrikers Christoph Eisenhuth, die zunächst nur rhythmisch gesprochen werden(Takt 153 – 186).
"Du Herr bist geblieben" läßt erneut die Instrumente einsetzen – mit dem Tonmaterial des ersten Teils, aber hier – mithin in der Reprise – in neuer Gestalt: als einstimmige Psalmodie, die zwar aufgespalten wird, sich verzweigt und verirrt, aber immer neu zusammenfindet und weitergetrieben wird (Takt 187 – 330). Überwuchert wird sie von den Teilakkorden des Bonhoeffer-Textes, die eine Art 'Geläut' bilden und zum schon erwähnten farbenprächtigen zwölftönigen Akkord der letzten Bonhoeffer-Strophe führen. Danach wird die Psalmodie zu Ende gebracht unter Einbeziehung der Texte der jüdischen und muslimischen Religionen – die zu 'vertonen' ich vermieden habe, das stünde mir als Christ auch nicht zu. Dagegen habe ich sie bewußt im Deutschen belassen.

"3 in 1" ist für 4 Chöre (Kinderchor, Kammerchor und zwei weitere Chöre), die im Raum verteilt aufgestellt sein sollen, komponiert. Hinzu kommt ein Kammerorchester, das ad libitum auf historischen Instrumenten musizieren kann. Die Tongebung der alten Instrumente hat mich gereizt und inspiriert, der Kontrast zu den auf denselben Instrumenten gespielten Weber-Messen zusätzlich motiviert. Lediglich im Schlagwerk wird das 21. Jahrhundert zitiert – mit typischen Gesten auf Großer Trommel, Tamtam, Tempelblocks und Tomtoms.

Das Werk ist dem Andenken meines 1999 verstorbenen Vaters gewidmet, für den Gedanken wie das 'weltliche Christsein' Bonhoeffers, das 'Weltethos' Hans Küngs und neue Musik eine Selbstverständlichkeit waren. Der direkte Anlaß der Enstehung ist die 800-Jahr-Feier der Stadt Dresden, für deren Singakademie die Komposition als Auftrag des Chores geschrieben ist.

23
Apr
2006

so ein Mist!

da gab es nun bis vor Kurzem Adwaitya, die mir hätte Auskunft geben können über das Musizieren Bachs, Mozarts oder Beethovens - ("Als sie 1750 an einem Strand des Aldabra-Atolls, das zu den Seychellen gehört, aus einem Ei schlüpfte, gab es auf der Erde noch kein Dynamit, keine Eisenbahn, keine künstlichen Zähne, und die Vereinigten Staaten von Amerika gab es auch noch nicht. Es war das Jahr, in dem Johann Sebastian Bach starb.") - und ich habe sie nicht gefragt.

Köstlicher Text:

Als sie 1876 in den Zoologischen Garten gebracht wurde, gab es auf der Erde noch kein elektrisches Licht, keinen Teebeutel und keine Atombombe, die Eissorte „Strawberry Cheesecake“ war nicht erfunden und Franz Kafka hatte noch keine Zeile geschrieben. Es war das Jahr, in dem das Telefon patentiert wurde. Was in den folgenden 130 Jahren noch hinzukam, dürfte soweit bekannt sein.

Auto, Kontaktlinsen, Weltkrieg, Fernsehen, Beckenbodengymnastik, Elektroschock, Klingelton, Pendlerpauschale, Heuschnupfen und zuletzt Kurt Beck. Wahrscheinlich hat noch kein anderes Lebewesen der Zeit länger dabei zugesehen, wie sie verging, und der Welt länger dabei zugesehen, wie sie entstand, als eben diese Schildkröte. Was folgt jetzt daraus?

22
Apr
2006

die deutsche Theaterlandschaft...

...kann - solange sie noch besteht (das muß in dieser Deutlichkeit leider gesagt werden!) - nicht genug gelobt werden.
Die vergangene Woche war ich zu Proben und heute schließlich zu Generalprobe und Konzert am Brandenburgischen Staatstheater in Cottbus, wo ich gastweise ein Sinfoniekonzert mit Mozart (Klavierkonzert C-dur, KV 467, das mit dem berühmten 2. Satz, den man in jedem Kaufhaus hören kann...) und Schostakowitsch (5. Sinfonie) dirigieren konnte (Wiederholung am Sonntag).
Und das Wunder geschah: eine beglückende Woche mit schönen, kreativen Proben in wunderbarer Atmosphäre (noch dazu in einem perfekten, neu errichtetetn Probensaal) und heute abend ein Konzert, wie man es sich kaum schöner wünschen kann: inspiriert, spannungsvoll und mit einem Gefühl des Getragenwerdens von allen Seiten, voller Saal, dankbares Publikum, dankbares und gutes Orchester: wer wollte solche Abende dem Rotstift opfern?
Das Cottbuser Theater ist übrigens ein perfektes Jugendstilgesamtkunstwerk, das demnächst auch wieder rekonstruiert wird.

21
Apr
2006

3 in 1

- unter diesem Titel ist ein Stück entstanden und soeben fertig geworden:

3 in 1 - nach Texten heiliger Schriften, von Dietrich Bonhoeffer und Christoph Eisenhuth

für 4 Chöre und Kammerorchester (ad lib. auf historischen Instrumenten)

Es ist eine Art meditative Collage, die sich dem biblischen Vater unserzu nähern sucht, dabei musikalische Zitate aus dem 800-jährigen Dresden einbezieht, den Text aber auf neue Art mit der Farbenpracht der Zwölftönigkeit vorantreibt; unterbrochen wird der Fluß durch schnittartige Einschübe, die Bonhoeffers Text aus dem letzten Kriegsjahr Von guten Mächten treu und still geborgen zum Gegenstand haben; das Ganze mündet in einen Text des heute in Dresden lebenden Lyrikers und Theologen Christoph Eisenhuth (Psalm vom Frieden).
Bei seinen Worten "Wirklichkeit wächst durch das verfallene Haus" konnte ich nicht länger widerstehen und lasse 3 der Chöre heilige Gebete der 3 Offenbarungsreligionen sprechen. Danach geht das Stück mit Einsenhuths letztem Satz: "Aussprechbar wird das letzte Wort: Welt. zu Ende, wobei die Erwachsenenchöre das Wort Welt nur sprechen, während ein Kinderchor - den letzten Ton der Instrumente wiederholend - das Wort singt. Fine.

Das Stück ist dem Andenken meines Vaters gewidmet. Uraufführung soll am 13. Mai 2006 in Dresden sein.

12
Apr
2006

"Solche Sachen sind das" - eine Alternative zum Tagesthemen-Strömungsfilm

GaertnerAus einem Interview mit einem 84-jährigen Gärtner:


sueddeutsche.de: Haben Sie einen so langen Winter vorausgesehen?

Lotter: Den habe ich im August vorausgesagt.


sueddeutsche.de(ungläubig): Im August?

Lotter: Ja, ich habe einen kurzen, schönen Herbst vorausgesagt, dann einen guten, festen Winter, und der Frühling zieht sich weit hinaus. Vom Frühling kann man ja auch noch gar nicht reden, es sind immer wieder zwei, drei Tage schön, dann kommt wieder ein Wettersturz.


sueddeutsche.de (nickend): Und wie haben Sie das schon im August vorhersagen können?

Lotter: Durch lebenslange Beobachtungen. Ich sehe das an den Vögeln, an den Dohlen und Dompfaffen. Auch an den weißen Scheiben der Rehe, hinten, kann man viel sehen. Oder an den Regenwürmern: ob sie tief oder weniger tief runter gehen. Solche Sachen sind das.



Ist das nicht köstlich?


Wir werden den Wetterfrosch prüfen können:

Lotter: Ich kann jetzt sagen: Das geht jetzt mit dem April-Wetter ungefähr bis zum 15. Mai weiter. Da sollte man allmählich raus können. Aber am 15. Mai ist die kalte Sophie, die kommt alle Jahre. Und am 13. ist Vollmond. Wir werden vom 15.– 20. Mai gefährliche Tage mit Nachtfrösten kriegen. Davor geht es immer auf und ab.


sueddeutsche.de: Das heißt, wir müssen jetzt noch einen Monat mit dem kalten Wetter ausharren.

Lotter: Es wird abwechslungsreich, zwischendrin gibt es ganz warme Tage, da wird es bis auf 20 Grad raufgehen. Aber so wechselhaft wie in den letzten acht oder 14 Tagen wird es weitergehen.


sueddeutsche.de: Können Sie schon sagen, wie der Sommer wird?

Lotter: Der Sommer wird kurz, mit vielen Gewittern. Die Gewitter werden viel Wasser mitbringen. Aber der Sommer wird erst um Johannis losgehen, das ist um den 24. Juni. Wenn die Schafskälte weg ist, dann sollte es einigermaßen besser werden.


Herrlich! Eine echte Alternative zum Tagesthemen-Strömungsfilm (warum muß der eigentlich jeden Abend kommen und auch noch so umständlich betitelt werden? Ist das eine so enorme und einzigartige Errungenschaft? Die wenigen Male, wo ich das mal sehe, lache ich mich jedesmal kaputt: man muß den TV lautlos stellen und dann die Gesten der Wetterfrösche beobachten!)

9
Apr
2006

"Indifferentismus"

Gibt es dieses Wort?

Offenbar: " »Indifferentismus und Relativismus des eigenen Standpunkts lassen den interreligiösen Dialog freilich nicht gelingen«, heißt es in der Begründung.

Vor über einem Dutzend hochrangiger Kirchenvertreter war der Festivaldirektor zuvor in der Diözese zur Rede gestellt worden und musste seine »Beweg- und Hintergründe für die weitere Durchführung der Konzertreihe Musica Sacra« darlegen. Rabus kam sich vor »wie Luther vor der päpstlichen Kommission«. Das Verbot liege »ganz auf der Linie des Vatikans«


- soweit ein Ausschnitt aus einem Beitrag der ZEIT, der arg zu denken gibt.

Wenn sich jemand für die Verständigung zwischen den Religionen einsetzt, ist sie/er doch nicht indifferent und relativierend, sondern eher das Gegenteil: indifferent finde ich vielmehr, in dieser so aufgeladenen Situation zwischen den Religionen deren Austausch zu boykottieren.

»Unser vertrautestes und intimstes Zimmer, den heiligsten Raum wollen wir nicht mehr so leicht öffnen. Das sind wir Jesus Christus auch schuldig.«

Ich glaube, wir sind ihm vor allem schuldig, einiges in der Religionsausübung und im Religionsverständnis der letzten 2000 Jahre zu relativieren...

"Indifferentismus" - ich faß' es nicht! Macht endlich die Tore auf, damit Luft reinkommt! Tanzende Derwische in der Kirche - warum denn nicht. Ist doch eh' alles dieselbe Linie mit Stammvater Abraham an der Spitze!
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