7
Jun
2015

Dirigierkurs in Dresden

Letzte Möglichkeit der Anmeldung diese Woche!

Zu einem sehr interessanten Kurs mit dem Philharmonischen Kammerorchester Dresden laden die Dresdner Meisterkurse Musik 2015 ein. Das Programm bietet mit Ausschnitten aus Opern von Mozart (Idomeneo, Don Giovanni), mit Werken von Stravinski, Beethoven und Mark Andre eine breite Vielfalt anspruchsvoller Aufgaben. Jeder Aktive darf in den Abschlusskonzerten dirigieren.

Herzliche Einladung!!

31
Mrz
2015

Brief an den Orchestervorstand der Sächsischen Staatskapelle Dresden

Logo-Staatskapelle


Aus Gründen der Dokumentation sei hier ein aktueller Brief zum Thema Musikerausbildung angezeigt. Er versucht, das Thema einer aktuellen Kritik an der Ausbildung der Musikhochschulen etwas weiter zu fassen. In den Dresdner Neuesten nachrichten erschien dazu heute ein redaktioneller Beitrag, der etliche Gedanken dieses Briefes aufnimmt.


Verehrter, lieber Herr Wylezol,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Kritik über den mangelnden Nachwuchs, der in deutschen Musikhochschulen und speziell auch in Dresden ausgebildet wird nehmen wir sehr ernst und ich erlaube mir gerade deswegen, Ihnen dazu einige Gedanken zu übermitteln.

Wie entsteht Elite in der Ausbildung des musikalischen Nachwuchses? Welche Voraussetzungen sind dafür notwendig und wieviel Breite ist nötig, um am Ende die so wichtige und hochqualifizierte Spitze zu erhalten?

Um mit einem Beispiel zu beginnen: Wenn Rudolf Mauersberger seinerzeit Nachwuchs für den Kreuzchor gesucht hat, fuhr er ins Erzgebirge und suchte ihn in den Kurrenden und Kantoreien. Für Roderich Kreile würde sich die Frage stellen, wo er überhaupt hinfahren soll, denn es gibt weder Kurrenden noch Kantoreien wie früher, auch die Kantoren sind nicht mehr da, weil sich ein riesiger Wandlungsprozess vollzogen hat. Weder Musikschulen und gleich gar nicht Schulen können das Weggebrochene auffangen. Das gesamte Reservoir des deutschen Musikernachwuchses ist momentan in Frage gestellt, weil die gegenwärtige gesellschaftliche Situation Kultur und besonders Kunst an den Rand drängt. Freischaffende wie fest Engagierte, von den besser bezahlten Spitzenensembles abgesehen, fristen ein Dasein am unteren Rand der Einkommensskala. Fast alle sächsischen und viele deutsche Orchester arbeiten unter Haustarifvertrag. Es wird nur noch über Abbau, Fusionen oder Einsparungen geredet, die Situation an den Musikschulen hinsichtlich der Verdienstmöglichkeiten ist katastrophal. Weder regionale Orchester noch Musikschulen sind realistische Perspektiven für junge Leute, die geeignet wären, den Musikerberuf zu ergreifen. Nicht zu reden von der Wertigkeit des Faches Musik an den allgemeinbildenden Schulen. Wir stehen also vor einem viel größeren Problem, als es auf den ersten Blick scheint und keinesfalls können hier nur die Musikhochschulen in die Pflicht genommen werden.

Dort anzusetzen wäre also die vordringlichste Aufgabe. Gelingen kann das nur, wenn alle Kräfte an einem Strang ziehen, wenn Spitzenmusiker, Pädagogen und Musikhochschulen Netzwerke in die Regionen hinein entwickeln, Talente aufspüren, fördern und wenn die Politik und die gesamte Gesellschaft dem Berufsstand wieder eine Zukunft und Vision gibt. Neben der dringend notwendigen hohen Qualität einer Elite-Ausbildung ist also zunächst und vor allem auch die Breite zu fördern, aus der die Spitze überhaupt wachsen kann.

Für die Eliteausbildung gibt es in Dresden durchaus herausragende Möglichkeiten und auch hervorragendes Personal. Es gibt das Sächsische Landesgymnasium als pre college - was es nicht gibt, sind attraktive Bedingungen für den großen Kreis der Lehrbeauftragten, die völlig unter Wert bezahlt werden. Hierfür kämpft die HfM Dresden seit Jahren, wohl wissend, dass qualifiziertes Personal auch an qualifizierter Bezahlung hängt. Mit ihren Kontakten in die Regionen steht die HfM Dresden geradezu vorbildlich da, indem sie etwa regelmäßig mit fast allen sächsischen Orchestern zusammenarbeitet, gemeinsame Projekte und Absolventenkonzerte gestaltet, die sowohl in den Regionen als auch in Dresden erklingen. Ich persönlich habe dieses Netzwerk in den letzten Jahren entscheidend vorangetrieben und entwickelt. Die Dresdner Studierenden profitieren dabei in vielerlei Form: Die Hochschule ist mit Praktika und Substituten in fast allen Orchestern von Görlitz bis Eisenach präsent und aktiv, bei den Konzerten selbst gibt es zahlreiche Möglichkeiten, besonders Begabte als Solisten auftreten zu lassen, Dirigenten die so wichtige Praxis zu vermitteln und die HfM Dresden als attraktiven Ausbildungsort in ganz Mitteldeutschland bekannt zu machen. Um dieses Netzwerk zu allen regionalen Orchestern und darüber hinaus vielen regionalen und überregionalen Musikschulen beneiden uns viele Kollegen als eines Dresdner Alleinstellungsmerkmals. Spitze trifft auf Breite und wäre imstande, neue Spitze anzulocken, wenn der Beruf eine Perspektive darstellen würde. Oft wünschen auch wir uns schnellere Erfolge und Fortschritte – sie zu erringen bemühen wir uns seit Jahren, nach wie vor entstammt die Mehrzahl unserer Professorinnen und Professoren in den Instrumental- und Gesangsfächern selbst den Spitzenensembles oder gehört ihnen an. Dem Engagement dieser Dozenten kann nicht genug Dank gesagt werden! Es als zu ungenügend zu kritisieren, zielt vorbei und ist – nebenbei bemerkt – eine Kritik an den eigenen Kolleginnen und Kollegen.

Als Rektor der HfM Dresden blicke auch ich mit verhaltenem Stolz darauf:

- dass ausgerechnet in der Sinopoli-Akademie im letzten Jahr 7, heuer 5 Absolventen unseres Hauses spielen (in der von mir betreuten Premiere der
Nachtausgabe von Ronnefeld bestand die Mehrzahl des Orchesters der Akademie aus Absolventen und Studenten der von mir geleiteten Hochschule),
- dass ein weiterbildender Studiengang Chorgesang mit dem Chor der Semperoper ins Leben gerufen werden konnte (aktuell 4 Studierende),
- dass der neue Chordirektor und sein Stellvertreter (Herr Andresen und Herr Volke) beides Dresdner Absolventen sind (Schüler von Herrn Rademann und
mir selbst),
- dass unter den jüngeren Kollegen in der Staatskapelle mindestens 11 Absolventen engagiert sind, die unter meiner Leitung noch im Hochschulorchester
(also nach 2003) aktiv waren.

Semperoper und Hochschule arbeiten außerdem bei Semper II Junge Szene erfolgreich zusammen, mehrere Produktionen der letzten Jahre wurden von unseren Studierenden gespielt und sowohl von der Presse als auch der hauseigenen Leitung außerordentlich gelobt, so u.a.:

- Der gestiefelte Kater
- Die Prinzessin auf der Erbse,
- Mario und der Zauberer,
- Prinz Bussel,
- Der Teufel mit den drei goldenen Haaren
- Die Konferenz der Tiere (dort war es das Junge Sinfonieorchester des Landesgymnasiums).

Intensive Kontakte und Kooperationen gab es auch innerhalb der Veranstaltungen mit den capell-compositeuren und dem Schostakowitsch-Festival, für das die HfM Dresden gerade im letzten Zyklus ihren Saal großzügig für Proben und CD-Aufnahmen mit Gidon Kremer bereitgestellt hat. Eine solch fruchtbare Zusammenarbeit mit Weltspitzenensembles wie der Sächsischen Staatsoper und Staatskapelle können nur wenige Musikhochschulen vorweisen – sie wird uns langfristig auch neue und weitere Erfolge bringen.

Verbunden mit großem persönlichen Engagement der Hochschulleitung und mir ganz persönlich sind in den letzten Jahren außerdem mehrere Professuren für die Orchesterausbildung extra geschaffen und übrigens auch mit Kollegen der Dresdner und Berliner Staatskapelle besetzt worden. Der Schuncke-Hornpreis ging kürzlich an einen Studenten von Prof. Robert Langbein (Peter Müseler), das trio sostenuto hat im letzten Jahr den 2. Preis im Hochschulwettbewerb Ensemble Neue Musik gewonnen, Dirigierstudierende der unmittelbar letzten Jahrgänge arbeiten in festen Engagements u.a. in München, Berlin, Bern, Basel, Kaiserslautern, Hof, Mainz, Koblenz, Dresden, Seoul, Odessa, Yokohama, Peking usw. Mit den Dresdner Meisterkursen Musik DMM ist ein zusätzliches Instrument geschaffen worden, junge Leute an die Elbe zu locken. Ich bin dankbar, dass dabei Kolleginnen und Kollegen der hiesigen Ensembles fest integriert sind. Im Januar fand in Köln eine gemeinsame Konferenz der Deutschen Orchestervereinigung, des Deutschen Bühnenvereins und der Rektorenkonferenz der Musikhochschulen zum Thema Orchesterausbildung statt, wo nach Wegen neuer Ansätze und vor allem Gemeinsamkeiten gesucht wurde. Ich selbst war in die Vorbereitungen aktiv integriert, weil das Thema so wichtig ist, konnte nur an der Konferenz selbst wegen eines Auslandsaufenthalts nicht teilnehmen.
Die Kontakte und Bemühungen, die Elite nach Dresden zu holen und hier auch kompetent auszubilden, sind also überaus vielfältig, an einigen Stellen durchaus erfolgreich und die Spitzenensembles – neben der Staatskapelle übrigens auch die Dresdner Philharmonie mit verschiedenen Aktivitäten – sind darin hervorragend eingebunden. Ich habe es vor diesem Hintergrund bedauert, dass das früher recht aktive und wichtige System der Substituten aufgegeben wurde. Umgekehrt habe ich in mehreren Gesprächen, an die anzuknüpfen wäre, für die Idee eines gemeinsamen Master-Studiengangs für die Akademisten (analog der Lösung für die Chorsänger) geworben, die durch so eine Möglichkeit als Studierende immatrikuliert wären und neben anderen Vorteilen (Studententicket, Versicherungsstatus) ihre akademische Karriere fortsetzen könnten.

Für die Ernsthaftigkeit des Umgangs mit der von Ihnen geäußerten Kritik kann ich mich seitens der HfM Dresden verbürgen und wünsche nichts sehnlicher, als die gemeinsam vorangebrachten Dinge weiter zu entwickeln. Allgemeine und sehr verkürzte Schuldzuweisungen in so herausgehobener Form dagegen sind aus unserer Sicht wenig hilfreich und – mit Verlaub – auch nicht zutreffend. Ich darf darüber hinaus erwähnen, dass Musikhochschulen heute wesentlich mehr auszubilden haben als nur Orchesternachwuchs – auch auf anderen Feldern müssen wir erfolgreich agieren und tun dies recht erfolgreich. Dies betrifft die Sängerinnen und Sänger ebenso wie Pianisten, Jazzmusiker, Musiklehrer in verschiedensten Ausprägungen und auch Komponisten, Dirigenten, Korrepetitoren und Musiktheoretiker. Es gibt jede Menge Absolventen, die auswärts Erfolg hatten und als sehr qualifizierter Nachwuchs aus Dresden wahrgenommen werden. Die Liste der Engagements und auch vieler Preisträger sind in den Jahrbüchern regelmäßig nachzulesen.

Ich rege ausdrücklich an, zu den Problemen ein gemeinsames Gespräch zu führen und knüpfe dabei an die Idee an, mit einem Dresdner Institut für Ensemble- und Orchesterentwicklung (DIEO) ein gemeinsames Forum zu schaffen und zu etablieren, wo alle Beteiligten in ständigem Austausch stehen, regelmäßig miteinander kommunizieren und nach Lösungen suchen. Die vielen unterschiedlichen Aktivitäten und Projekte hätten dann eine Plattform, die auch nach außen sichtbar macht, dass wir die Probleme konzertiert angehen und es in Sachsen und Dresden Initiativen gibt, genau den Nachwuchs heranzubilden, den Sie sich so dringend wünschen. Diese Idee hatte ich verschiedenen Ansprechpartnern bereits mündlich sowie teilweise auch schriftlich vorgetragen und auf dieser Basis sind viele der oben benannten Aktivitäten entstanden.

Gestatten Sie mir bitte noch einen ganz persönlichen Gedanken: Seit meiner Jugend im Dresdner Kreuzchor bin ich der Staatskapelle zutiefst verbunden, habe unzählige Konzerte unter Herbert Blomstedt, Rudolf Kempe, Wagners Ring mit Marek Janowski, Schönbergs Moses und Aron mit meinem späteren Lehrer Siegfried Kurz und vieles mehr erlebt. Es war mir eine große Ehre, in mehreren Konzerten der Singakademie, in Ihren Aufführungsabenden und auch in der Oper selbst mit dem Orchester zusammenarbeiten zu dürfen. Die von Ihnen skizzierten Probleme zu lösen ist daher eine der wichtigsten Motivationen, warum ich mich um das Rektorenamt der HfM Dresden beworben habe. Einfache Lösungen dafür gibt es jedoch leider nicht. Um die komplizierteren habe ich mich nach Kräften bemüht.

Ich freue mich auf weitere Kontakte und Gespräche, gern auch mit dem gesamten Vorstand der Kapelle und bin mit freundlichen Grüßen
Ihr

Ekkehard Klemm

1
Feb
2015

"in der Fremde" - Veranstaltung der drei Dresdner Kunsthochschulen

Zur gestrigen gemeinsamen Veranstaltung der drei Dresdner Kunsthochschulen war der Konzertsaal überfüllt mit Gästen aus nah und fern - u.a. auch mit Asylbewerbern, die z.Zt. in Dresden wohnen. Dozentinnen und Dozenten haben sie selbst mit dem Auto abgeholt und wieder 'nach Hause' gebracht - vielleicht nur eine symbolische Geste, aber eine, die angekommen ist. Das Echo war überwältigend, Flüchtlinge aus Eritrea, Syrien, Tunesien und Somalia inmitten von Studierenden und ihren Dozenten, Musik, Tanz, Bilder, Essen und Trinken, Gespräche... Die folgende Begrüßung wurde (leicht gekürzt) live ins Englische und Russische übersetzt und war auf Video-Leinwand Arabisch zu lesen:

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Gäste,

"Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh' ich wieder aus." Die weltberühmten Worte aus Schuberts Winterreise, geschrieben vom romantischen Dichter Wilhelm Müller sind Worte eines Wanderers, eines Flüchtlings auf der Suche nach Heimat und Liebe.

Worte, die unserer heutigen Veranstaltung den Namen gegeben haben. Die verwirrenden und irritierenden Ereignisse der letzten Wochen hier in dieser Stadt und in ganz Deutschland haben die Dresdner Kunsthochschulen bewogen, Sie an diesem Nachmittag einzuladen. Mit unserer Kunst wollen wir ein Statement abgeben, was uns ein weltoffenes Dresden bedeutet!

Nicht nur die Asylsuchenden sind in Deutschland "in der Fremde", auch viele ausländische Künstlerinnen und Künstler, Freunde, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie sehr viele internationale Studierende sind besorgt über die Ereignisse und Diskussionen. Aber auch viele der Einheimischen fühlen sich mehr und mehr "in der Fremde", denn ein Deutschland, das gegenüber Menschen in Not verschlossen ist, aber auch gegenüber Menschen aus aller Welt, die mit und und für uns leben und arbeiten wollen – ein solches Deutschland ist uns fremd.

Seit Jahrhunderten wirken in Dresden Künstler aus vielen Ländern, während Dresdner Künstler um die Welt fuhren. Die Ideen von Emile Jaques-Dalcroze, Gret Palucca, Mary Wigman prägen den internationalen Tanz bis heute. Das gesamte Ballett der Semperoper und die Palucca Hochschule für Tanz sind ein einzigartiger Kosmos weltweiter Verständigung. Die Sprache des Tanzes ist in diesen Tagen nicht Deutsch, sondern vor allem Englisch oder Russisch!
Die Geschichte der bildenden Künste und Architektur lebt seit Jahrhunderten von den wechselseitigen Einflüssen: Canaletto malte das barocke Dresden, der italienische Baumeister Chiaveri errichtete die Hofkirche. Der erste Leiter der Kunstakademie war der Franzose Charles Hutin, einer seiner Nachfolger der Italiener Giovanni Battista Casanova. Jahrhunderte später inspirierten die Künstler der Brücke um Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt Rottluff, Max Pechstein und Emil Nolde die internationale Kunst des 20. Jahrhunderts und legten den Grundstein für die Entstehung des Expressionismus.

Mit Heinrich Schütz verfügt die Musik über einen der ersten großen Europäer in der Kunstgeschichte überhaupt. Die Hofkapelle lebte von den Ideen des italienisch geprägten Geigers Pisendel, des böhmischen Bassisten und Komponisten Zelenka und des französischen Flötisten Buffardin. Bis zum heutigen Tag ist die Geschichte der Dresdner Orchester eine Geschichte internationaler Zusammenarbeit und Einflüsse. Carl Maria von Weber, Robert Schumann und Richard Wagner weilten in Dresden und verbanden den Ort durch ihr Wirken mit Prag, Wien, Breslau, Riga, Paris, Zürich und London – Flugreisen gab es damals noch nicht und per Schiff war es beschwerlich und lang. Dies änderte sich im 20. Jahrhundert, als Fritz Busch, Rudolf Kempe, Franz Konwitschny, Otmar Suitner, später Giuseppe Sinopoli und Fabio Luisi, Marek Janowski oder Raffael Frübeck de Burgos hier dirigierten und von Dresden aus mit ihren Musikerinnen und Musikern die Welt bereisten.

Internationalität, Austausch und Offenheit sind für uns selbstverständlich und sie sind unser Lebenselixier. Auch in unseren drei Kunsthochschulen leben, arbeiten und studieren Menschen aus aller Welt und vieler Religionen. Wir wollen, dass dies so bleibt, dass unsere Kollegen und Freunde sich hier wohl fühlen, dass wir von und mit ihnen lernen! Die Professoren und Dozenten haben sich deshalb heute selbst auf den Weg gemacht und Asylsuchende in ihren Unterkünften abgeholt. Sie werden sie am Ende auch wieder 'nach Hause' bringen und wir hoffen und wünschen, dass dieses 'zu Hause' dann etwas weniger 'in der Fremde' ist.

Viele haben beigetragen, dass diese Veranstaltung gelingen möge! Wir wollen an dieser Stelle keine einzelnen Namen hervorheben, denn es ist vor allem eine gemeinsame Initiative! Danke allen Künstlerinnen und Künstlern, Danke allen, die für Speis und Trank gesorgt haben, Danke an alle Organisatoren, alle Übersetzer, alle Chauffeure, Danke an die Technik!
Danke vor allem aber Ihnen, die Sie gekommen sind! Lassen Sie uns die Möglichkeit nutzen, einander zuzuhören, uns anregen zu lassen, Geschichten zu erzählen und vielleicht auch ins Gespräch zu kommen. Über uns, über unser Leben zu Hause und in der Fremde. Wir wünschen Ihnen ein herzliches Willkommen in einem weltoffenen Dresden, einem Dresden für alle!

14
Dez
2014

VDKC war mit dem Antrag zur Aufnahme der "Chormusik in deutschen Amateurchören" in die deutsche Liste des immateriellen Kulturerbes erfolgreich.

Logo-IKE

Mitteilung auf der Website der Deutschen UNESCO Kommission e.V.:

27 Kulturformen ins deutsche Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen
Genossenschaftsidee wird der UNESCO als erste internationale Nominierung vorgeschlagen

Deutschland nimmt 27 Traditionen und Wissensformen in sein neues bundesweites Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes auf und setzt damit das entsprechende UNESCO-Übereinkommen um. Zu den lebendigen Traditionen, die die Kriterien erfüllen, zählen zum Beispiel das Chorsingen, die Morsetelegrafie, die Flößerei und die Orgelbautradition. Außerdem nominierten die Experten aus den 27 Kulturformen die Genossenschaftsidee für die internationale "Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit".
Die Chormusik hat in Deutschland eine lange TraditionChormusik

Die Kultusministerkonferenz (KMK) unter Leitung der Präsidentin, Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann, und die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, haben am 11. Dezember 2014 die Empfehlungen eines unabhängigen Expertenkomitees bestätigt.

"Das bundesweite Verzeichnis ist ein Spiegelbild der kulturellen Vielfalt in Deutschland. Und es macht gleichzeitig deutlich, mit welchem großartigen Engagement die Zivilgesellschaft traditionelle kulturelle Bräuche und Techniken bis heute pflegt, modern interpretiert und an nachfolgende Generationen weitergibt", sagte KMK-Präsidentin Sylvia Löhrmann.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters betonte: "Das immaterielle kulturelle Erbe steht für unsere lebendige Alltagskultur. Sie ist Ausdruck der kulturellen Vielfalt in Deutschland und soll dazu beitragen, dass gelebte Traditionen, die das Selbstverständnis der Kulturnation Deutschland prägen, erhalten, fortgeführt und weiterentwickelt werden. Auch für zukünftige Generationen wird durch eine Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis das öffentliche Bewusstsein für diese Traditionen gestärkt."
Vogtländischer Musikinstrumentenbau in Markneukirchen und Umgebung, SachsenVogtländischer Musikinstrumentenbau

Deutschland wird seine erste Nominierung bei der UNESCO im März 2015 einreichen. Die Aufnahme der Genossenschaftsidee würde der internationalen Vielfalt des immateriellen Kulturerbes eine neue Facette hinzufügen. Bislang ist eine solche Form der gesellschaftlichen Selbstorganisation auf den UNESCO-Listen nicht vertreten. Die Genossenschaftsidee wurde gemeinsam von Gruppen aus Rheinland-Pfalz und Sachsen vorgeschlagen und mit Empfehlungen beider Länder weitergeleitet. Insgesamt waren 83 Traditionen und Wissensformen nach einer Auswertung durch die Bundesländer in der engeren Wahl. Zu den ersten Aufnahmen in Deutschland gehören auch regionale Bräuche wie die Lindenkirchweih in Limmersdorf (Franken), das friesische Biikebrennen und der rheinische Karneval.

Das Expertenkomitee bei der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) bewertete die 83 Vorschläge anhand fachlicher Kriterien. Neben den 27 aufgenommenen Kulturformen befinden sich 22 weitere Vorschläge noch im Verfahren. Davon sind 13 wegen fehlender Informationen zurückgestellt worden, 9 Anträge liegen für ein Register "Guter Praxisbeispiele" vor, mit denen sich das Expertenkomitee 2015 befassen wird. 34 Vorschläge wurden nicht zur Aufnahme ins bundesweite Verzeichnis empfohlen.

Alle 27 Gruppen, die ab sofort mit ihrer Tradition oder Wissensform im bundesweiten Verzeichnis vertreten sind, können fortan für ihre nicht-kommerzielle Arbeit ein Logo nutzen. Es steht für das Motto der Konvention in Deutschland: "Wissen. Können. Weitergeben." Die nächste Bewerbungsrunde für das bundesweite Verzeichnis startet im Frühjahr 2015.
27 Aufnahmen in das bundesweite Verzeichnis:

Chormusik in deutschen Amateurchören
Sächsische Knabenchöre
Singen der Lieder der deutschen Arbeiterbewegung
Moderner Tanz – Stilformen und Vermittlungsformen der Rhythmus- und Ausdruckstanzbewegung
Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft
Niederdeutsches Theater
Passionsspiele Oberammergau
Peter-und-Paul-Fest Bretten
Malchower Volksfest
Schwäbisch-Alemannische Fastnacht
Rheinischer Karneval mit all seinen lokalen Varianten
Falknerei
Gesellschaftliche Bräuche und Feste der Lausitzer Sorben im Jahreslauf
Biikebrennen
Lindenkirchweih Limmersdorf
Auseinandersetzung mit dem Rattenfänger von Hameln
Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle
Genossenschaftsidee
Deutsche Brotkultur
Finkenmanöver im Harz
Flößerei
Morsetelegrafie
Orgelbau und Orgelmusik
Köhlerhandwerk und Teerschwelerei
Vogtländischer Musikinstrumentenbau in Markneukirchen und Umgebung
Reetdachdecker-Handwerk
Handwerksgesellenwanderschaft Walz

Theatersituation Plauen/Zwickau

Theater-Zwickau

Nun kann gleich einmal bewiesen werden, wie ernst es Politik und Kommunalpolitik mit dem Schutz der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft meinen: Sie stehen auf der deutschen Liste des schützenswerten immateriellen Kulturerbes (nicht identisch mit der UNESCO-Liste).

Hier mein Offener Brief an die beiden Oberhäupter der Städte Plauen und Zwickau:




Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Dr. Findeiß,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Oberdorfer,

mit Erschrecken, Unverständnis und großer Besorgnis nehmen die Kunst- und Kulturschaffenden sowie ein großes Publikum in ganz Sachsen und Deutschland wahr, was noch im Dezember den Stadtrat von Zwickau beschäftigen wird: Die Abschaffung des kompletten Musiktheaters in zwei Städten, die wohl zum musikalischsten und kulturvollsten Teil des Landes zählen können: Nicht nur der nahe Instrumentenbau im gesamten Vogtland sollte dafür Zeugnis ablegen, sondern auch die vielseitige Geschichte beider Häuser. Mit der "Jubel-Ouvertüre" von Carl Maria von Weber wurde das Plauener Haus einstmals eröffnet, ein Jahr später erklang "Der Freischütz". In der Geburtsstadt Robert Schumanns, in Zwickau, Orchester, Chor und Musiktheater mit einem Federstreich zu entlassen, ist eine Entscheidung, die deshalb gerade einem Musikhochschulrektor aus Dresden, wo sowohl Weber als auch Schumann prägend gewirkt haben, einen lauten Zwischenruf gestattet. Die vielfältigen Beziehungen von Musikerinnen und Musikern des Vogtlands, des Erzgebirges und der sächsischen Landeshauptstadt sowie die Bedeutung der Musik dieser Region für Sachsen und Dresden sind Beweis genug, dass dieses Reservoir größte Bedeutung hat.

Das Ensemble des Theaters gehört zu den unverzichtbaren Säulen einer lebendigen Musikszene. Chöre, Kantoreien, Musikschulen, auch allgemeinbildende Schulen und Gymnasien, Fach- und Hochschulen sowie eine weitverzweigte freie Szene leben von der inspirierenden Kraft des Philharmonischen Orchesters, eines leistungsfähigen Chores, der beliebten Solistinnen und Solisten sowie der Tänzerinnen und Tänzer. Großveranstaltungen wie die Tage der Chor- und Orchestermusik 2014, das 18. Deutsche Chorfestival des VDKC 2013 und der regelmäßig stattfindende Robert-Schumann-Wettbewerb haben eindrucksvoll erwiesen, welch große Chancen damit einhergehen. Bei unseren Begegnungen habe ich Sie, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, als Streiterin für die Kultur kennengelernt, ich kann mir kaum vorstellen, dass sich an dieser Haltung etwas geändert hat.

Als Rektor der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden darf ich auf wundervolle Kooperationen verweisen, die wir mit dem Theater eingegangen sind, vor allem aber auch auf die vielen Alumni, die von Plauen und Zwickau aus ihre Karrieren angetreten haben oder bei Ihnen engagiert sind. Als Präsident des Verbandes Deutscher KonzertChöre VDKC erinnere ich insbesondere an die fulminanten Aufführungen des War-Requiems von Benjamin Britten 2013 im Dom, an Konzerte mit Werken von Schubert, Mendelssohn und Schumann in München und Dresden – stets war das Philharmonische Orchester ein Partner auf höchstem Niveau, agierte mit Leidenschaft und Hingabe und bewies gerade dadurch seine Unverzichtbarkeit für das Musikleben einer ganzen Region. Sie kulturell attraktiv zu halten, sollte das Interesse beider Städte sein, einerseits, um kreative Potenziale, poetische Konzepte und elementare gesellschaftliche Auseinandersetzungen durch Kunst und Musik weiter zu befördern. Andererseits kann dadurch auch die wirtschaftliche Basis Westsachsens dauerhaft erhalten und verbessert werden, denn mehr und mehr erweist sich, dass jeder in Kultur investierte Euro verdoppelt oder sogar verdreifacht wieder zurückkommt, wie das verschiedene Studien längst erwiesen haben. Ein Verzicht auf die Kraftquelle eines kompletten Musiktheaterensembles hätte die großflächige Verarmung einer ganzen Region zur Folge: Zunächst eine des Geistes und der Kunst, anschließend aber auch eine ganz reale: Denn wer sieht und plant seine Zukunft gern in einer Stadt ohne attraktive Kulturangebote? Der Ruf nach mehr Musiklehrerinnen und –lehrern ist allgemein – wo jedoch sollen diese herkommen, wenn wir die Wurzeln ihres Wirkens abschlagen?

Bitte erlauben Sie noch einen letzten Gedanken: Unter großen persönlichen und finanziellen Opfern haben die Ensembles aus Plauen und Zwickau die Theaterfusion vollzogen und umgesetzt. Bis heute sind die Nachwirkungen von Überhängen und nicht möglichen Neubesetzungen von Stellen zu spüren. Nun, da die Konsolidierung möglich wäre und zum ersten Mal die Chance einer Profilierung mit neu hinzukommenden jungen Musikerinnen und Musikern besteht, erhält das Ensemble die Komplettabsage. Dass zum Zweck der Durchsetzung der Strukturveränderungen zunächst die Haustarifverträge beendet und die Künstler auf 100% Lohn gesetzt werden, um sie danach ganz zu entlassen und dafür 25 Mill. € Abfindungen einzuplanen ist ein Konzept, das allem Verzicht der Künstler bis heute, das allen großartigen künstlerischen Leistungen Hohn spricht und nur als bizarr bezeichnet werden kann.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister – ich vertraue auf Ihren integrierenden und vermittelnden Einfluss, eine Entscheidung dieser Tragweite, die für ganz Sachsen das Signal einer kulturellen Bankrotterklärung wäre, zu verhindern. Ich bin sicher, dass es den politischen Willen der Bevölkerung gibt, einen solchen Beschluss der künstlerischen und musikalischen Verarmung zu verhindern. Bitte erlauben Sie, wenn ich Ihnen auf diesem Weg den Protest des Rektorats, der Professorinnen und Professoren der HfM Dresden sowie des Geschäftsführenden Vorstandes und des Künstlerischen Beirats des VDKC übermittle. Auch als Mitglied des Sächsischen Kultursenats und der Sächsischen Akademie der Künste bitte ich Sie inständig und dringend, Musik und Kunst als Chance und Bereicherung der gesamten Gesellschaft und nicht unter dem Aspekt finanzieller Herausforderungen als Belastung zu begreifen. Wir wissen darum, dass dieser Weg nicht einfach ist. Das sollte aber nicht zu Kurzschlussreaktionen wie den angedachten Stadtratsbeschlüssen führen. Die große kulturelle Tradition beider Städte, die Musikgeschichte des gesamten Vogtlandes und seines Instrumentenbaus, die Geburtsstadt Robert Schumanns haben eine solche Entscheidung nicht verdient.

Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen und bin mit hoffnungsvollen Grüßen

Ihr


Prof.
Ekkehard Klemm
Rektor HfM Dresden
Präsident des VDKC

28
Nov
2014

Adventsstern 2014 der Singakademie Dresden

Aachen-2-2011

Der erste ADVENTSSTERN erklang 2004 mit der Singakademie unter meiner Leitung: Das Konzept des Kontrasts zwischen Alt und Neu ist seither geblieben und ständig abgewandelt worden.

Bisher erklangen:

2004 Pärt (Arbos) – Franck (Motetten) – Bach WO 2 – Britten (Kantate St. Niclas) – Bach (WO 5) – Eccard (Motetten) – Pärt (Arbos)

2005 Sharakans aus Armenien – Bach WO 1 – Terterian (6. Sinfonie) – Bach WO 3 (die Sharakans erklangen jeweils vor/nach den Chorälen)

2006 Bach (Magnificat Es-Dur) – Weiss (Confessio Saxonica, UA)

2007 Charpentier (Messe di minuit)– Voigtländer (MenschenZeit, UA) – Lully (Te deum)

2008 Bach (Messe A-Dur) - Herchet (Kantate zum Sonntag nach Weihnachten) - Stravinski (Psalmensinfonie)


2009 Mendelssohn (Fragmente aus Christus) - Martinů (Die Geburt des Herrn) - Haydn (Harmoniemesse)

2010 Bach WO 4 - Raphael (Im Anfang war das Wort) - Tal (Shape) - Raphael (Glaubensbekenntnis) - Bach WO 6

2011 Eccard/Hammerschmidt (Motetten) – Füting (höhen-stufen, Uraufführung) – Bach h-Moll-Messe (Kyrie und Gloria)

2012 Britten (A chtistmas carol) – Krätzschmar (fragmentum, Uraufführung) - Bach h-Moll-Messe (Credo)

2013 Britten (Kantae St. Niclas) – Keuk (Ein Tropfen, ein Schluck in der Höhe, Uraufführung) - Bach h-Moll-Messe (Sanctus – Agnus Dei)


Nun folgt eine Art 'Conclusio' der letzten drei Jahre - eine Rückschau und Vorschau:

Es war vor etwa fünf Jahren, dass mehrere Chormitglieder den Wunsch äußerten, die Singakademie solle sich – nach der Johannes-Passion (2005), dem Weihnachtsoratorium (die einzelnen Kantaten erklangen in mehreren Adventssternen), dem Magnificat (2006), der Messe A-Dur (2008) und der Matthäus-Passion (2008) – nunmehr dem 'opus summum', der Messe in h-Moll widmen. Nun ist gerade in Dresden die Konkurrenz überwältigend: Mit dem Dresdener Kammerchor, dem Dresdner Motettenchor, dem Collegium 1704, dem Kreuzchor, in der Frauenkirche und mit etlichen anderen Ensembles gibt es beständig Interpretationen dieses Werkes auf hohem Niveau. Der Balanceakt ist für einen Amateurchor besonders schwierig: Die extremen Anforderungen des Werkes verlangen quasi professionelle Schulung, die kleine – möglicherweise zu Bachs Zeiten sogar solistische – Besetzung ist mit Laien nicht zu bewältigen.
Meine erste Reaktion war deshalb: "Wisst Ihr, wie schwer dieses Stück ist?" Und die zweite: "Wenn wir das machen, machen wir etwas ganz Besonderes, etwas, das niemand anderes wagt. Bach braucht den modernen Kontrast. Lasst uns moderne Komponisten Werke zur Messe komponieren!"

So wurde das Konzept geboren, über vier Jahre jeweils einen Teil der Messe zu erarbeiten und eine Uraufführung dazu ins Programm zu nehmen. Auftragswerke, die auf Bach und seine Messe reagieren und dennoch ganz andere, eigene Wege von heute beschreiten. Nun geht das Projekt in seine letzte und entscheidende 'Kurve': In einem Doppelkonzert erklingen die Uraufführungen der Jahre 2011, 2012 und 2013 zum zweiten Mal (im Falle von höhen- stufen von Reiko Füting die UA der Neufassung), und zwar direkt hintereinander, während nach einer angemessenen Pause dann die komplette Messe in h-Moll folgt.
Ein solches Projekt ist mehreres zugleich: Waghalsig, verrückt, einige mögen sagen, Harakiri. Es ist auch ein Projekt, das bewusst die Frage der Aufführungspraxis mit alten Besetzungen und Instrumenten außen vor lässt. Natürlich wissen wir um diese Dinge und haben uns intensiv damit auseinandergesetzt – aber im Mittelpunkt steht beim Doppelkonzert der Kontrast zwischen Bach und Füting, Krätzschmar, Keuk als Vertreter des 21. Jahrhunderts. Wie reagieren sie auf die Vorlage aus der Zeit des Barock? Welche Impulse nehmen sie auf? Welche wurden ignoriert? Was sind die Themen und inhaltlichen Schwerpunkte heute im Gegensatz zum liturgischen Text?

Es wird sich gerade an diesem Kontrast die Modernität der Musik Bachs erweisen, dessen strukturelle Herangehensweise an das Komponieren Spuren bis heute hinterlassen hat. Es wird sich vielleicht zeigen, dass solche Projekte dringend nötig sind, wenn wir unseren Konzertbetrieb lebendig erhalten wollen. Und langfristig wird es – trotz aller aufführungspraktischer Aufarbeitung, die ebenso wichtig wie notwendig ist – unabdingbar sein, dass Chöre wie die Singakademie diese Grenzbereiche des Machbaren ausreizen und begehen, wenn wir alle wollen, dass sowohl die Musik Bachs als auch die der Moderne in der 'Matrix' unseres Musikverständnisses erhalten bleiben. Allein durch professionelle Aufführungen wird das Gedächtnis der Musikwelt nicht zu erhalten sein – es braucht die lebendige Auseinandersetzung großer gesellschaftlicher Schichten. Die Amateurchöre sind hier ein unerlässlicher Multiplikator.

Hierzu will die Singakademie Dresden einen Beitrag leisten und dabei gleichzeitig die Tür zu neuem Repertoire aufstoßen. Sie hat deshalb ihre finanziellen Ressourcen auf die neuen Stücke konzentriert. Die Aufführung der Messe in h-Moll hingegen ist ein Geschenk: Alle Ausführenden, Soli wie Instrumentalisten, haben sich bereiterklärt, dieses Konzert den Jubiläen von Sinfonietta Dresden (20 Jahre) und Singakademie Dresden (130 Jahre) zu widmen und auf Honorare zu verzichten. Dem kann nur von Herzen gedankt werden.

Ich bin dem Chor und seinem treuen Publikum unendlich dankbar für die Erfahrung dieser 11 Jahre und der 'Experimente', die mit den Adventssternen verbunden waren. Ich denke, dass jedes der Konzerte seine Besonderheit und Einzigartigkeit hatte. 2014 ist zweifellos ein ganz besonders 'schwerer Brocken'.

Herzliche Einladung!

7
Okt
2014

Konzert mit Sinfonietta Dresden

Musik in Dresden und Michael Ernst retten die Ehre der ansonsten leider abwesenden Dresdner Presse - sehr schade bei einem Orchesterkonzert mit ausschließlich zeitgenössischen Kompositionen. Es war eines jener wirklich denkwürdigen Projekte, die man nicht vergisst: Ambitioniertes, schweres Programm, schwierige und sehr enge Probenverhältnisse, große Motivation, dann 200 Schüler/innen im Saal (am Morgen), am Abend ein handverlesenes Publikum von vorwiegend Kennern, gestern in Görlitz schließlich eine Mischung aus Fans der Bachtage, des Meetingpoint Messiaen und polnischen Jugendlichen. Schön, dass von SOLCHEN Initiativen wenigsten ein Medium Notiz nimmt.

Musik in Dresden

28
Sep
2014

Laudatio für Hans Christoph Rademann

rademann_201311_001_foto_holger_schneider

Am heutigen Tag wurden die biennal zu vergebende Johann-Walter-Plakette des Sächsischen Musikrates verliehen, einerseits an den Geschäftsführer der Ostdeutschen Sparkassenstiftung, andererseits an den Chefdirigenten des RIAS-Kammerchores, den Künstlerischen Leiter der Bachakademie Stuttgart und Dresdner Professorenkollegen Hans Christoph Rademann - eine Laudatio.

Lieber Hans-Christoph,
sehr geehrter Herr Präsident Prof. Dr. Krummacher,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Fischer,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Bitte, eine Laudatio auf Hans-Christoph Rademann zu halten ist an sich schon Ehre genug. Dies an einem Ort zu tun, der als die Wiege der deutschen Musik bezeichnet werden kann beschwert das Vorhaben auf eine nicht unerheblich zu nennende Weise. Wenn es sich in unserem Fall auch noch um die Verleihung der Johann-Walter-Plakette an einen der bedeutendsten Chordirigenten, guten Freund und wundervollen Kollegen handelt und der Bogen damit auf eine Art und Weise gespannt wird, die nicht anders als mit Symbolik fast überladen bezeichnet werden muss, kann das dem bedauernswerten Redner durchaus weiche Knie verschaffen und ich hoffe inständig, dass dieses mir in den nächsten Minuten nicht widerfährt.

Um die erwähnte Symbolik durch Fakten zu untersetzen, darf ich auf die kürzlich erschienene Veröffentlichung neuer und ausführlicher biografischer Dokumente über Johann Walter verweisen, die Matthias Herrmann, Ludger Remy und Christa Maria Richter besorgt haben. In den Beschreibungen der Fassnachtfreuden und einer kurfürstlichen Doppelhochzeit anno 1554 heißt es:

"Montags vmb newen vhr fur mittag hat man die breuth vnnd breuthgam mit grossem gepreng auß denn furstlichenn zymmern in die schloß kirchenn gelaitet, doselbst ist abermals die cantorey mit denn instrumentistenn vorordent gewesenn, welche eine lieblich vnd kunstliche messe gesungenn vnnd denn gesang mit denn instrumenten prechtigk erhobenn…"

Die Kantorei wird im gleichen Dokument als "weytberuhmbt" bezeichnet, ihr Leiter war Johann Walter und das Spektakel fand also hier exakt an dieser Stelle statt, wo wir seit wenigen Monaten wieder das Schlingrippengewölbe bewundern und in dieser einmaligen Atmosphäre erstmals unter Schutz und Schirm des Ahnherrn die nach ihm benannte Plakette verleihen können. Die Jury hat entschieden, sie Hans Christoph Rademann zuzuerkennen und damit eine Wahl getroffen, die nicht nur hinsichtlich des Namenspatrons von tiefer Bedeutung ist, sondern auch den zweiten großen Namen, der hier musiziert und die Musik des 17. Jahrhunderts zur Blüte geführt hat, mitdenkt und einschließt: Ich spreche, wie unschwer zu erkennen ist, von Heinrich Schütz, dessen Gesamtwerk Hans Christoph Rademann sich angenommen hat und mit dem von ihm gegründeten Dresdner Kammerchor z. Zt. aufnimmt. Etliche maßstabsetzende CDs sind bereits erschienen und wir dürfen gespannt auf die Fortsetzung warten. Es wird damit ein Projekt hoffentlich endlich einmal zu Ende gebracht, das ähnlich schon unter Rudolf Mauersberger und Martin Flämig begonnen wurde – damals mit der Edition Eterna, jener legendären und international "weytberuhmbtenn" Schallplattenfirma der DDR, eines jener wenigen Relikte, denen es wirklich nachzutrauern lohnt, weil kundige Fachleute trotz aller Ideologie durchzusetzen wussten, dass Gesamtaufnahmen von Bach mit den beiden Leipziger und Dresdner Knabenchören, dass komplette Editionen aller Werke Mozarts, Beethovens, Bruckners oder Mahlers, ja sogar des gesamten Klavierwerks von Schönberg (mit keinem Geringeren als Pollini) auf Interesse und Abnehmer stoßen könnten. Vieles wurde nicht zu Ende geführt, gleich gar sind die aufführungspraktischen Erkenntnisse und Möglichkeiten heute auf einem unvergleichlich anderen Standard. Damals half der engagierte Hans Grüß im Rücken des kranken Mauersberger seiner Capella fidicinia, die sich das Terrain der historischen Instrumente gerade erst erarbeitet hatte, heute gehören Zinken und Barockposaunen, Gamben und historische Stimmung zum Natürlichsten in der Auseinandersetzung mit der Musik einer Zeit, deren Zentrum diese Kapelle war und die wiederzuerwecken eins der vornehmsten Ziele ist, denen sich Hans- Christoph Rademann verschrieben hat. Die alten Aufnahmen aus den späten 60-er und 70-er Jahren sind verdienstvoll zu nennen, ihr Zustandekommen jedoch war mit unendlichen Schwierigkeiten und teilweise auch falschen Voraussetzungen verbunden. Die nun von HCR mit dem Verlag Carus gemeinsam begonnene Arbeit knüpft erstmals an eine Art des Musizierens an, die uns ein Bild dieser Musik vermittelt, wie es in diesem Raum wirklich erklungen sein könnte, dies betrifft vor allem die Besetzungsstärke der Chöre, bei der sich das Klangbild erheblich unterscheidet. Das betrifft aber auch die Herangehensweise an die Frage der Tempi, der Artikulation und vieler anderer musikalischer Details.

Wo HCR am ehesten an die Kreuzkantoren anknüpft, das ist die Frage der geistlichen und geistigen Durchdringung der Stücke. Auch hier wird es andere Ergebnisse geben – die Art und Weise des Herangehens jedoch ist vergleichbar zu nennen und das hat viel mit Herkunft und Ausbildung zu tun.

Diese Beobachtung führt in die Zeit zurück, in der ich Hans Christoph kennenlernte und deshalb wahrscheinlich mit einigem Recht sagen kann, dass ich hier im Saale neben seiner Familie einer derjenigen mich nennen darf, der ihn am längsten kennt. Unserer ersten Begegnung vorausgegangen war die Prägung im elterlichen Haus in Schwarzenberg, wenngleich Hans-Christoph ebenso waschechter Dresdner wie Erzgebirger genannt werden kann: Die Entbindung fand durch einen Zufall im Dresdner Diakonissenkrankenhaus statt.
Singen und Musizieren – in seinem Fall zunächst Violine – prägten die Zeit der Kindheit und bereits dort soll es dazu gekommen sein, dass das väterliche Dirigat auch im Sohn ähnliche Ambitionen freigesetzt hat. Kein Wunder also, dass die Idee, in den Kreuzchor zu gehen, nicht dem Willen der Eltern entsprang, sondern dem kindlichen Hirn und Herzen nach einer 'Singefreizeit' mit Erich Schmidt, dem Leiter der Meißner Kantorei. Zwei Löbtauer Pastorenkinder schwärmten dem Knaben offenbar vor und Hans Christoph setzte seinen Willen durch. Die väterliche Gelassenheit des erzgebirgischen Kirchenmusikdirektors diesem Entschluss gegenüber scheint ebenso nachvollziehbar wie die mütterlichen Tränen, die wohl alle Kruzianermamas abwischen und unterdrücken mussten, erst recht, wenn im Requiem von Brahms diese besondere Beziehung auf eine Weise thematisiert – und übrigens mit einem mutmaßlichen motivischen Bezug zu Schütz versehen wird, das es eine Art hat und die Warnung erlaubt sein darf, dass trotz genügend Entfernung zum Wasser auch die Kreuzkirche vor gelegentlicher Überflutung nicht geschützt ist…

Meine eigene Mitgliedschaft im Kreuzchor reichte von 1968 bis 77, 1975 kam Hans Christoph hinzu. Als Chorpräfekt hatte ich die herrliche Aufgabe, mit den jeweils neu hinzugekommenen Viert- und Fünftklässlern zu proben, während Martin Flämig und sein trefflicher Assistent Ulrich Schicha nebenan die Gesamtproben bestritten. In Erinnerung ist mir ein schlanker, sehr sensibler Knabe, der durch keinerlei Unbotmäßigkeiten oder Extravaganzen auffiel und sich damit durchaus von anderen berühmten Kruzianern unterschied, denen der Fussball und die Renitenz einem 7 Jahre älteren Chorpräfekten gegenüber näher lagen als die Einstudierung eines zweiten Soprans der h-Moll-Messe. Der Jahrgang Rademann war ein sehr kreativer Jahrgang und bei allen erwähnten Konflikten war es eine Freude, diese Generation kennenzulernen. Einige von ihnen – und ich weiß nicht mehr, ob Hans Christoph dazu zählte – wachten sogar mitten im Winter, um die vom Leipziger "Ring" des Joachim Herz nächtens heimkehrenden Abiturienten Ekkehard Klemm und Martin Schüler (heute Intendant in Cottbus), das Internatsfenster zum heimlichen Einstieg offenzuhalten, unsere Zimmer befanden sich in der 2. Etage und die Nachtwächterin Ziller musste überlistet werden…

Das verbindet. Und es gibt weitere Parallelen unserer Entwicklung. Beide kamen wir in Kontakt mit dem Leiter des damaligen Beethovenchores, der heutigen Singakademie, Christian Hauschild, der uns förderte und unterstützte, beide arbeiteten wir dort als Assistenten. Innerhalb unseres Studiums gingen – vom zeitlichen Abstand abgesehen – die Wege mählich auseinander, meiner führte ins Orchesterdirigieren, Hans Christoph studierte zunächst Chordirigieren bei Hans Dieter Pflüger und erst später Orchesterdirigieren bei Siegfried Kurz. Die gemeinsame Klavierlehrerin Heidrun Richter rollt heute versonnen mit den Augen, wenn sie sich unser und unserer pianistischen Begabungen erinnert – sie hat uns dennoch auf einen Weg gebracht, der auch in diesem Detail der Ausbildung als einigermaßen erfolgreich bezeichnet werden kann. Einer eher hingeworfenen Bemerkung Rudolf Neuhaus', der einen tollen Blick hatte für wirkliche Begabungen und Talente, verdankt HCR Ermutigung und Selbstvertrauen.

In die Zeit des Studiums fällt 1985 das erste für die weitere künstlerische Biografie ganz wichtige Ereignis: Die Gründung des Dresdner Kammerchores. Mit dieser damals studentischen Truppe schuf sich HCR über die Jahre sein eigenes Instrument, das heute entweder mit ihm selbst oder als Partner bedeutendster Dirigenten und Orchester von Chailly oder Gardiner bis zu Norrington und Thielemann in aller Welt gefragt ist und damit ein Stück klingende sächsische Musikgeschichte in exzellentester Qualität nach draußen trägt. Nicht zuletzt ein Stück klingender Geschichte auch der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber, der außer dem Dirigenten die meisten der Sängerinnen und Sänger entstammen und nicht nur in der Art ihrer Kunstausübung, sondern auch in der Art ihres Kunst- und Interpretationsverständnisses am Wettiner Platz oder vormals der Blochmannstraße geprägt worden sind. Nicht nur den Hauptfachlehrerinnen und –lehrern muss also an dieser Stelle ein Dank abgestattet werden, sondern auch all jenen, die wissenschaftlich und organisatorisch dieses Ensemble und seine Sängerinnen und Sänger unterstützt haben. Der Erfolg sollte uns allen, der Musikhochschule, der Landeshauptstadt Dresden und dem Freistaat Sachsen Verpflichtung sein, dieses wertvolle und gewachsene Instrument beständig zu pflegen und Sorge dafür zu tragen, dass es auch künftig als "weytberuhmbt" von Dresden aus unterwegs sein kann.

Nach seinem Studium übernahm HCR bald die Leitung der Singakademie Dresden von seinem Vorgänger Christian Hauschild, der nach Finnland zu Cantores minores ging. Eine Zeit des Umbruchs begann – und für den Chor auch eine Zeit der Neuorientierung und eines Aufbruchs. Die Aufnahme mit Max Bruchs Oratorium Die Glocke ist ein schöner Beweis für die damalige Leistungsfähigkeit und noch heute schwärmen die Chormitglieder von den Aufführungen der zehn Jahre, machten ihn zu ihrem Ehrenmitglied und beobachten heute mit Stolz den Weg über Hamburg, Berlin nach Stuttgart, einige meinen, ihn vorgezeichnet gesehen zu haben.
Sie berufen sich dabei auf einige Eigenschaften, die hier vor weiteren biografischen Details Erwähnung finden müssen. Neben der bereits benannten Sensibilität, die ich heute noch viel stärker wahrnehme als 1975 ist es ein Grundverständnis seiner künstlerischen Arbeit, das mir erstmals entgegentrat, als HC kurz vor der Premiere der Hochschulproduktion Titus von Mozart stand. Bei einem Probenbesuch traf ich auf einen in meiner Wahrnehmung – als relativ sturmerprobter Theaterkapellmeister – überaus nervösen Maestro, der mir gestand: "Ekkehard, ich kann damit auch scheitern!" Natürlich, dachte ich, HC packt immer gleich die ganz große Keule aus – ein misslungener Titus und die gesamte Karriere steht in Frage! Doch Vorsicht: Genau das tägliche Eingeständnis dieser Möglichkeit, die Sensibilität und Energie, das Kämpfen um die letzte Nuance, das sich aus solchem Verständnis unseres Berufes speist, ist einer der Lebensnerven dieses Künstlers und gleichermaßen das Geheimnis seines Erfolgs wie seiner Authentizität. Denn die Befürchtung des Scheiterns ist keinesfalls Attitüde oder gar Koketterie, nein, es ist die feste Überzeugung, dass Gelingen und Misslingen in der Kunst sehr nah beieinanderliegen, und vielleicht ist das Ergebnis gerade deshalb am Ende von so bestechender Qualität, Ernsthaftigkeit, Tiefe und emotionaler Überzeugungskraft – auch und gerade im Falle der erwähnten Hochschulinszenierung übrigens.

Eine zweite Grundeigenschaft und –befindlichkeit ist die der Neugierde. Zwar wird HCR momentan sehr oft noch als Spezialist alter Musik wahrgenommen und seine in der Fachwelt hochgelobten und mit bedeutenden internationalen Schallplattenpreisen gewürdigten Aufnahmen von Schütz, Hasse, Zelenka, Heinichen und anderen geben allen Grund zu dieser Einschätzung. Dennoch ist er hinsichtlich seines Repertoires anders 'sozialisiert' als die großen Vorbilder bspw. Herreweghe und Harnoncourt, mit denen er auch zusammenarbeitete, von denen er lernte, bei ihnen hospitierte und ihre Arbeitsweise verinnerlichte. Schaut man auf seine Zeit beim Chor des NDR in Hamburg – von 1999 bis 2004 – so finden sich neben dem bedeutenden Repertoire von Monteverdi über Bach bis hin zu Schumann, Mendelssohn, Brahms, Bruckner und Reger vor allem auch zeitgenössische Werke von Ligeti, Kagel, Schnittke, Dallapiccola, Gottwald, Schnittke, Kurtag und Pintscher. Damit vor allem gab er dem vorher cheflosen Rundfunkchor elbabwärts ein neues und prägnantes Gesicht.

Die Linie setzt sich in Berlin beim RIAS-Kammerchor seit 2007 nahtlos fort, wo HCR einerseits bedeutende Akzente in der alten Musik setzt und Preise gewinnt für seine Aufnahmen von Werken der Bach-Familie, andererseits aber sich ganz konsequent der Moderne zuwendet: Ernst Křenek, Karl Amadeus Hartmann, Hanns Eisler, Arnold Schönberg, György Ligeti, Torsten Rasch und ganz besonders Wolfgang Rihm. Zur CD mit Chorwerken Rihms schreibt das Fono-Forum: "Eine Wonne! Die Methode des RIAS Kammerchores unter seinem Dirigenten Hans-Christoph Rademann, alle Struktur in Wohlklang, Intellektualität in Schönsinn zu übersetzen, greift bei einem Komponisten wie Rihm keinen Millimeter zu kurz. Diese CD begeistert, eben weil sie so herrlich klingt. Ein rundherum gelungenes Geburtstagsgeschenk."

Aber es wäre viel zu kurz gegriffen, den zu Ehrenden auf seine eigenen Ensembles und seine festen Engagements zu reduzieren. Die große Ausstrahlung dieses sächsischen Musikers gewinnt gerade durch seine mittlerweile enorm gewachsene Gasttätigkeit an Bedeutung. Sie führte ihn zu den Ensembles des Bayerischen-, des Mitteldeutschen- und des Südwest-Rundfunks, des Rundfunkchors Berlin, des Collegium Vocale Gent, zur NDR Radiophilharmonie Hannover, Rotterdamer Philharmonie, zum Concerto Köln, Freiburger Barockorchester, der Akademie für Alte Musik Berlin, mit der ihn eine ständige Zusammenarbeit verbindet, in die großen Musikzentren Europas, Asiens und Amerikas und nach Israel.

Es müssen hier nicht alle Preise und Auszeichnungen aufgezählt werden, die überall nachzulesen und abrufbar sind. Nein, viel wichtiger scheint mir, noch etwas sehr Typisches hinzuzufügen. Es ist der Öffentlichkeit – und hier muss nun wirklich mindestens von der deutschen Öffentlichkeit gesprochen werden – durchaus nicht entgangen, dass der Wechsel von Helmuth Rilling zu HCR an der Spitze der Stuttgarter Bachakademie nicht geräusch- und konfliktlos vonstattenging. Wie auch, wenn eine Legende den Stab ab- und weitergibt und eine völlig neue und andere Generation mit eigenem Profil, mittlerweile sehr großer eigener Erfahrung und allergrößter Reputation neue Akzente setzt. Der Respekt vor dem großen Rilling prägt HCR jedoch ebenso wie der Wille, seinen eigenen Weg zu gehen. Die oben benannte Gefahr eines Scheiterns ist vielleicht nirgends so groß gewesen wie bei jenem Konzert des Stabwechsels in Stuttgart, wo zunächst Helmuth Rilling dirigierte und nach einigen Reden bedeutender Politiker, u.a. des Bundespräsidenten, HCR. Lieber Freund, das war auch so ein Moment der weichen Knie und ich meinte, die Deinen spüren zu können – wen ließe diese Situation ungerührt. Aber das Wunder geschah und Stuttgart nahm den neuen Chef jubelnd in Empfang, nachdem er sich eindrucksvoll vorgestellt hatte. Denn natürlich muss die Bachakademie weiter- und neu gedacht werden, was inzwischen mit zahlreichen neuen Initiativen und Ideen auch tatsächlich geschieht. Da finden verstärkt Begegnungen und Musikvermittlungsangebote mit einem jungen Publikum statt, es gibt interkulturelle und interreligiöse Akzente und der Nachwuchs steht einmal mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit. Während Helmuth Rilling nunmehr ein kommentiertes Mitsingekonzert beim von HCR gegründeten Musikfest Erzgebirge dirigiert – mit Mendelssohns Paulus – was für eine schöne Brücke und Geste beiderseits!

Dem Schwerpunkt der Pädagogik soll ein letzter Gedanke gewidmet sein, denn natürlich ist diese Tätigkeit und Ambition von HCR eine ganz besondere und steht seit seiner Berufung im Jahr 2000 als Professor für Chordirigieren an die Dresdner Musikhochschule nach wie vor viel mehr im Mittelpunkt, als das von außen gerade wahrnehmbar ist. Bereits jetzt gibt es jede Menge Rademann-Schüler, die wichtige Positionen errungen haben: Martin Lehmann leitet den Windsbacher Knabenchor, Andreas Pabst die Singakademie Chemnitz, Vinzenc Weissenburger den Kinderchor an der Staatsoper Berlin, Jörg Genslein den TASK. Christiane Büttig war zunächst Assistentin der Dresdner Singakademie und ist nun Chefin des Universitätschores, Peter Kubisch leitet den A-cappella- Chor Freiberg, Jan Altmann war Chordirektor in Görlitz und Innsbruck, Cornelius Volke ist es in Hof, Manuel Pujol hat kürzlich den ersten deutschen Chordirigentenpreis des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates gewonnen und ist als Chordirektor und Kapellmeister in Görlitz engagiert; Olaf Katzer arbeitet an der HfM Dresden und feiert Erfolge mit seinem Ensemble Auditiv Vokal, das demnächst nach New York aufbricht, Jörn Hinnerk Andresen ging über Zwickau, Koblenz nach München und wird demnächst neuer Chordirektor an der Semperoper. Andere wie Tobias Mäthger sind als Sänger und dirigentisch in der freien Szene vielfältig aktiv und unterwegs.

Das erwähnte Dirigentenforum des Deutschen Musikrates ist in der Sparte Chor ganz maßgeblich von HCR geprägt, der gemeinsam mit Jörg Peter Weigle diese zweite Linie in die bereits bestehende Förderung der Orchesterdirigenten eingezogen hat. Mit dem RIAS-Kammerchor und auch in Stuttgart finden mannigfach Seminare für junge Dirigentinnen und Dirigenten statt.
Doch nicht nur das Dirigieren liegt HCR am Herzen. Ganz im Sinne Johann Walters und Heinrich Schützens sucht er ebenso nach Wegen, neue Musik zu fördern und zu befördern. Hierzu wurde eigens eine Chorwerkstatt in Hellerau ins Leben gerufen, die mittlerweile zum dritten Male stattfand und seit 2009 u.a. Werke von Helmut Lachenmann, Clytus Gottwald, Hans Joachim Hespos, Charlotte Seither, Alexander Keuk, Bernd Franke sowie internationalen Gästen vorstellte. Einbezogen waren Chöre aus der Ukraine, aus Taiwan und als Novität im Jahr 2014 auch ein Schulchor aus Dresden – der des Vitzthum-Gymnasiums, der sich in einem Ausscheid dafür qualifiziert hatte und die Chance erhielt, mit den Profis gemeinsam neue Musik zu erarbeiten. Schöner als mit solchen Initiativen, auch mit dem vehementen Einsatz für seine erzgebirgische Heimat, kann der Bogen zum Ausgangspunkt der Biografie HCRs kaum gespannt werden und es ist dies ein weiterer Beleg für seine Offenheit und Neugierde. Er weiß um die Notwendigkeit, die Musik als einen lebendigen Organismus zu betrachten, der weitergedacht und weitergetragen werden muss und setzt alles dafür ein, diese Überzeugung mit Konsequenz, mit Energie und Inspiration in die Tat zu setzen. Er gewinnt daraus eine spirituelle Kraft, die in den Worten Johann Walters über den "doppelten Endzweck aller Musik" mitschwingt, wenn er 1538 schreibt:

"Zwo Ursach hab ich itzt genannt, Warum die Music Gott gesandt./ Hieraus wird ieder merken wohl, wie man die Music brauchen soll:/
Aufs erst zu Gottes Lob und Ehr, Danach dem Leib zu Nutz und Lehr."

Die Fülle der erwähnten Initiativen, Schwerpunkte und Erfolge, die beschriebene Sensibilität, Neugierde, Aufgeschlossenheit und Vielfalt, nicht zuletzt aber die Tiefe und Qualität der Interpretationen lässt mich an dieser Stelle nun den weichen Knien nachgeben und eine Empfehlung des Dokuments von 1554 aufgreifen:

"Vnnd nach entpfangenem segenn ist man auß der kirchenn in herrlicher zucht widerumb zu tisch gesessenn, Do ist kösparlicher speyse vnd getranck gebothenn, auch vnter der maltzeit von der gedempfftenn musica vnnd instrumentistenn viell lustig kurtzweyll vnnd fröligkaith gemacht wordenn…"

Das sollten wir 470 Jahre nach Johann Walter auch tun – nicht, ohne vorher die Plakette seines Namens Hans Christoph Rademann überreicht und von Herzen gratuliert zu haben. Es ist eine phantastische, vor dem Hintergrund alles Gesagten und vieles Weggelassenen außerordentlich sinnige und würdige Wahl. Sie fällt auf einen der führenden sächsischen Musiker, dessen noch nicht einmal fünfzigjährige Stimme in der internationalen Musikwelt sich eindrucksvoll Gehör verschafft hat und davon erzählt, welch wichtige Impulse auch im fünften Jahrhundert nach seinem Entstehen noch immer und gerade wieder von diesem Ort, in dem wir uns befinden, und der Musik, die mit ihm originär verbunden ist, ausgehen, und wie sie in unsere Zeit hinein weitergedacht werden können. Die seit Johann Walter und Heinrich Schütz gültige Pyramide der Breite der musikalischen Bildung und Ausbildung und der Balance zwischen diesem Humus der sächsischen Musizierenden auf allen Ebenen und ihrer weltberühmten Spitze – sie wird von kaum einem anderen besser verkörpert und mit Leben gefüllt als von Hans Christoph Rademann.

Herzlichen Glückwunsch beiden – dem Spender wie dem Empfänger!

18
Aug
2014

Macht Musik?! versus 'Süße Brühe'

DMM-2014

Die Dresdner Meisterkurse Musik haben begonnen - untenstehend mein Eröffnungsvortrag. Vorsicht: sehr lang und ausführlich.

Macht Musik?! versus Süße Brühe
Eröffnungsvortrag zu den Dresdner Meisterkursen Musik 2014

In seinem Aufsatz "Gestoppte Gärung" – geschrieben zu Ernst Blochs 90. Geburtstag – schreibt Dieter Schnebel in den Jahren 1974/75 Sätze, die sich auf einen früheren Aufsatz über "die kochende Materie der Musik" beziehen bzw. Gedanken von dort polemisch aufnehmen und fortsetzen:
"Ein Essai über die Formen der heutigen Musik ließe sich kaum mehr mit dem Hinweis auf die gärende Materie schließen – da gärt nicht mehr viel. Nicht als ob die musikalische Materie nun durchgegoren wäre. Eher verhält es sich so ähnlich wie heute vielerorts mit den Weinen: die Gärung wurde gestoppt, und das Ereignis ist jene süße Brühe, deren Fusel einem den Kopf vernebeln."
Schnebel entwirft ein sehr kritisches – und durchaus auch selbstkritisches – Panorama der damaligen zeitgenössischen Musikszene. Alle bekommen ihr Fett weg: Boulez ("akademische Verfestigung"), Stockhausen (Hinwendung zur "intuitiven Musik" für eine "entpolitisierte Jugend mit Hang zu fernem Osten und raschem Rückzug nach innen"), Kagel ("weitgehende Eingliederung seines Œuvres in die offizielle Kultur"), Ligeti ("Fortsetzung der eigenen Tradition"), Penderecki, bei dem es sich ähnlich verhielte. Auch bei sich selbst ließen sich Symptome dieser Art finden.

Das ehrliche und entwaffnende Schlaglicht führt zu im mehrfachen Sinne des Wortes glasklaren Erkenntnissen:
"Daß heute der Fluß der Neuen Musik, genauer: jene Wasser vorne, wo die Musik selbst ihren Lauf bahnt, so kraftlos anmuten, liegt an den Barrieren, die im Wege sind; es sind die einer Gesellschaft, deren Ökonomie immer mehr aus dem Gleichgewicht gerät, und die sich darum zunehmend verhärtet."

Was sollen wir da erst sagen, will es mir einem Stoßseufzer gleich entfahren! Der von Helmut Lachenmann so bezeichnete und mittlerweile häufig zitierte "ästhetische Apparat" zwingt uns mittlerweile, die süße Brühe und noch viel schlimmeren Fusel in jedem Kaufhaus, jedem Lokal – gleichviel, welcher Wein gereicht wird – zu ertragen und wir wären ja froh, wenn wir bspw. wenigstens im Film ab und an mit anspruchsvoller Musik konfrontiert würden, wie sie eine Katharina Blum noch von Hans Werner Henze geschrieben bekam. Mehr noch, eine nicht unerhebliche Zahl derer, die 'kochende Materie' transportieren könnten, werden für entbehrlich gehalten – gut möglich, dass Intendanzen und auch die Musizierenden unter dem Anpassungsdruck mit weichgespülten Programmen ungewollt selbst dafür sorgen, sich (um im Bild des Wassers zu bleiben) überflüssig zu machen: Über die Ereignisse der deutschen Orchesterschließungen und unsinnigen wie unseligen Fusionen habe ich an gleicher Stelle unter dem Stichwort "Musik in der Krise" bereits im letzten Jahr gesprochen, die Situation hat sich seither nicht verbessert, eher weitgehend verschärft. Es soll aber hier nicht zur erneuten Klage ausgeholt werden – der Einstieg mit Dieter Schnebel, dessen Majakowskis Tod ich in München und seine Schubert-Phantasie hier mit dem Hochschulsinfonieorchester in Dresden aufführen durfte, drängte sich beim Nachdenken über unser Motto MACHT MUSIK?! aus vielerlei Gründen auf, die ich hoffe, in den folgenden – sicher weniger wissenschaftlichen als vor allem persönlichen – Überlegungen aufklären zu können. Interessanterweise sind die Anstreichungen in meinem Band der Musik-Konzepte 16 über Dieter Schnebel sehr alt, gehen auf eine von heute aus gesehen durchaus als anders zu bezeichnende Zeit zurück und ich darf meiner vor wenigen Monaten verstorbenen Mutter ein viel zu kleines Denkmal setzen, wenn ich erwähne, dass sie unter Aufbietung erheblicher Nervenkräfte dieses Buch und andere bei ihren durch eine Invalidität möglichen 'Westreisen' im sogenannten Interzonenzug ins damalige Karl-Marx-Stadt schmuggelte. Ein Umstieg mit längerem Aufenthalt in Hannover und ein Musikgeschäft in der Nähe des dortigen Hauptbahnhofes machten es möglich, 1-2 x pro Jahr die nach Ansicht der DDR-Regenten giftige Ware dem Dresdner Studenten mitzubringen und den Zöllnern in Marienborn ein winziges Schnäppchen mit für mich erheblichen Auswirkungen zu schlagen. Auch ein Band über Edgar Varèse und Hans Swarowskys Wahrung der Gestalt waren dabei nebst etlichen Ausgaben der Neuen Zeitschrift für Musik – alles verbotene Ware vom Klassenfeind, daran hin und wieder zu erinnern sollten wir nicht unterlassen.

Aber worin konkret liegt die Macht der Musik begründet?

Lassen Sie uns das Thema beleuchten, indem wir zunächst ein und einfügen: Macht und Musik, ein hochinteressantes und in der Regel brisantes Spannungsfeld, das uns vielleicht einigen Erkenntnissen näher bringt. Gestatten Sie bitte, dass ich dazu versuche, an einem historischen Panorama entlangzugehen und einige besondere Beziehungen herausgreife, um zu verdeutlichen, wie sehr Musik und ihre Schöpfer mit den Mächten der Zeit verquickt, mitunter auch verstrickt sind und darauf reagieren. Die Frage stellt sich, ob nicht gerade aus diesen Auseinandersetzungen Musik ein Stück ihrer 'Macht' gewinnt.

Über Luther und seine Choräle sowie den für Dresden und seine Staatskapelle so legendären Johann Walter muss an dieser Stelle nichts gesagt werden – wir gehen auf ein Reformationsjubiläum zu und ich darf auf jüngst erschienene Studien auch aus diesem Haus gerade zu diesem Thema verweisen. Als Startpunkt unseres Panoramas sollten sie jedoch wenigstens Erwähnung finden, stellen sie doch in vielerlei Hinsicht – und das Bild Dieter Schnebels vom Wasser aufgreifend – eine Quelle dar, aus der der mächtiger werdende Fluss einer Musik gespeist wurde, die gerade in der Reformation ganz besonders machtvoll zur politischen Kraft wurde. Für unser Thema prägend erscheint mir die Erinnerung an ein aus dieser Entwicklung hervorgehendes Ereignis von 1627, mitten im Dreißigjährigen Krieg also.

Man stelle sich vor, es würde heutigen Tags ein Treffen der Präsidenten, Premiers bzw. ihrer Gesandten, sagen wir, von Russland, der Ukraine, Polen, Litauen, Weißrussland, Lettland und Estland geben – könnten wir einen Komponisten empfehlen und welche Musik würde er schreiben? [Gerade eben, am 15.08.2014, lese ich von einem geplanten Treffen zwischen den Außenministern Russlands und der Ukraine in Berlin unter Mitwirkung von Frank Walter Steinmeier – sollten wir Wolfgang Rihm schnell eine Kantate schreiben lassen…?]

Zum Fürstentag in Mühlhausen erschienen sieben Delegationen, die Chefs kamen immerhin aus Mainz und Sachsen, der Rest schickte hochrangige Vertreter. Johann Georg I. aus Sachsen indessen brachte Heinrich Schütz und wahrscheinlich um die 18-19 Musiker mit, die das Treffen vom 4. Oktober bis zum 5. November (wie lang dauert heute eine Friedenskonferenz?...) musikalisch rahmten. Beeindruckendster Beitrag: Schütz' doppelchörige Motette Da pacem Domine, in der einerseits die Vivat-Rufe auf die sieben anwesenden Parteien erklingen, im Mittelpunkt jedoch die Friedensbitte, mit der das Stück auch schließt. Der Osnabrücker Musikhistoriker Stefan Hanheide erläutert uns:
"…im Mittelteil, der die Huldigung beinhaltet, werden immer wieder Partien des Da-pacem hineingesungen, und im Schlußteil des Werkes singen beide Chöre gemeinsam in lateinischer Sprache: Gib Frieden, Herr, in unseren Tagen. Das Werk schließt also nicht mit Hochrufen, sondern mit einer sehr verhalten vorgetragenen Bitte um Frieden. Damit macht Schütz deutlich, daß das Hauptanliegen der Mühlhäuser Zusammenkunft nicht Huldigung der Kurfürsten ist, sondern Schaffung des Friedens. Diese Bitte richtet sich nun aber nicht an die politisch Verantwortlichen, sondern an Gott. … Die Klage über den Krieg und die Bitte um den Frieden war ohne religiöse Dimension nicht möglich. Den Krieg empfand man als eine durch Sünde verschuldete Strafe, und der Friede konnte nur durch Gottes Vergebung dieser Sünde und den Erlaß der Strafe erreicht werden."

Martin Gregor-Dellin beschreibt sogar, dass protokollgemäß die Vivat-Rufe beim Eintritt in die Kirche erklangen sein könnten, während aus der Tiefe des Raumes die Friedensbitten drangen, eine Darstellung, für die Stefan Hanheide keine Quelle kennt.
Es scheint also neben den kompositorischen, kontrapunktischen, melodischen wie harmonischen Künsten viel am Inhalt zu liegen, ob eine Musik mächtig wird. Hören wir einen Moment in die wunderbare Komposition hinein.

Beispiel 1, H. Schütz, Ausschnitt Da pacem Domine

Im Zusammenhang mit unserem Thema wage ich zu resümieren: Schütz' Musik gewinnt Macht aus ihrer inhaltlichen Verwurzelung, Ernsthaftigkeit, Klarheit und Ehrlichkeit – eine tief inspirierte Kraft aus unerklärbaren mystischen Elementen kommt hinzu, aber das mag eine subjektive Wahrnehmung sein, nicht zu reden von der handwerklichen Sauberkeit, die im Zeitalter, wo Musik und das Komponieren als Wissenschaft galten, eine Selbstverständlichkeit waren, wenngleich eine, die nicht alle mit gleicher Perfektion und Virtuosität beherrschten wie der Dresdner Sagittarius.

Die Linien des Nachdenkens führen damit unmittelbar zu Johann Sebastian Bach, der sie zweifellos fortsetzt und den wir an dieser Stelle wie Luther und Walter nur streifen wollen, da die Fülle der Literatur inzwischen unüberblickbar geworden ist und an dieser Stelle keine neuen Erkenntnisse hinzugefügt werden können und sollen. Zu verweisen sei etwa auf das von Michael Heinemann herausgegebene Bach-Handbuch, das viele neuere Entwicklungen zusammenführt und beleuchtet – ich stehe nicht an, diesem Kompendium neuesten Bach-Wissens Entscheidendes hinzufügen zu wollen.

Dass auch Bach zwischen Protestantismus und Katholizismus jonglierte, dabei vielleicht nicht mehr ganz so existenziell betroffen war wie der einhundert Jahre Ältere, zeigt der spielerische Umgang mit der Polonaise: Mit dem Blick auf das Königshaus in Sachsen gewinnt der polnische Adelstanz im Werk Bachs besondere Bedeutung und wichtige Stücke, die mit Trompeten und Pauken ohnehin einen König adressieren, sind in diesem Rhythmus angelegt. Besonders repräsentativ ist das neben vielen Instrumentalstücken im Magnificat, in der Kantate Tönet ihr Pauken und damit auch im Eröffnungschor des Weihnachtsoratoriums sowie im Et resurrexit der Messe in h-Moll der Fall – ein Fakt, den viele atemlose Interpreten, auch solche mit starker aufführungspraktischer Orientierung, gern und geflissentlich übersehen.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, was einhundert Jahre nach Schütz in der Musik bedeutsam wird, so würde ich hinsichtlich des Leipziger Thomaskantors sagen: Kreativität, Entwicklung, Struktur, Wissenschaft. Die Kreativität und Experimentierfreude Bachs ist unermesslich und bezieht sich sowohl auf die Erprobung und Erweiterung der Instrumente wie der Spieltechniken und Kombinationen. Der Geist der Entwicklung dominiert von Beginn an das kompositorische Schaffen, es wird in Zyklen, im Geist des Auslotens aller möglichen Varianten gedacht. Je älter er wird, desto mehr gipfelt alles in strukturellen Überlegungen. Stücke wie das 6-stimmige Ricercar oder das erste Kyrie und das Confiteor der h-Moll-Messe stehen singulär und werden als erdachte Strukturen das Universum nach dessen Hinscheiden überleben. Ich sage das so pointiert, weil für mich das Erlebnis gerade dieser Musik (im Falle des Ricercars ergänze ich: In der genialen Fassung Anton Weberns) den Punkt der Wissenschaft mit der schon für Schütz diagnostizierten 'Mystik' zusammenbringt. Sie gewinnen ihre Macht gerade durch die aller Gewaltigkeit entsagende Konzentration auf die u.a. von Georg von Dadelsen diagnostizierte "Objektivität, Abstraktion und Universalität" . Ein Erlebnis, das mich bei meiner ersten aktiv mitgestalteten h-Moll-Messe im Jahr 1968, ich war 10 und Mitglied des Kreuzchores, sprachlos gemacht hat. Es war nicht das mit Pauken und Trompeten explodierende Gloria und ebenso wenig das bei Mauersberger und später Flämig ohnehin eher pathetisch angelegte Sanctus, das mich zuerst faszinierte, nein, es waren die strukturell erdachten und vergeistigten Stücke, bei denen es Bach wie keinem Zweiten gelingt, dennoch oder vielleicht gerade damit und dadurch in die Tiefe – Achtung: es wird etwas platt – der Herzen seiner Hörer zu dringen. Und völlig egal, ob im Erbarme Dich der Matthäus-Passion Mauersberger mit Gerhard Bosse, Annelies Burmeister und dem Gewandhausorchester musizierten, Martin Flämig mit Walther Hartwich, Heidi Rieß und der Dresdner Philharmonie oder heute Ton Koopman mit Bogna Bartosz und den Amsterdam Baroque Chamber Orchestra – in irgendeinem Winkel hinter dem Lautsprecher oder der Kirchenbank wird wohl immer ein Tränchen verdrückt werden, zu perfekt liegen Idee und Form übereinander, Emotionen auslösend, die in der Tat ans Herz greifen, was immer das in diesem Moment darstellt.

Womit wir zu Mozart kommen müssen, über dessen Beziehungen und Konflikte zur politischen Macht die Musikwissenschaft nach dem Urteil Georg Kneplers lange geschwiegen hat. In seinem 2005 veröffentlichten Buch Wolfgang Amadé Mozart (basierend auf der Erstfassung von 1990) greift Knepler dabei auf Formulierungen eines Hegel-Zitats zurück:
"Es gehört nicht zu den Ruhmestaten der Musikwissenschaft, daß sie so hartnäckig an dem Glauben festhält, der größte Komponist der Zeit gehöre zu den wenigen, die nicht 'mit leidenschaftlicher Bewegung' dem Erfolg der Ereignisse in Frankreich 'entgegenharrten'; er, gerade er, der so scharf Beobachtende und so subtil Reagierende, habe nichts von jener 'erhabenen Rührung', von jenem 'Enthusiasmus des Geistes' verspürt; dem Komponisten des Figaro und des Don Giovanni sei es entgangen, daß man in Frankreich den Adel abschaffte, den er, seit er kritisch zu denken lernte, mit Hohn und Verachtung bedachte."

Mit Christoph Wolffs neuer Auseinandersetzung über Mozart in des Kaisers Diensten und der Diagnose eines "imperialen Stils" wäre dem möglicherweise einiges entgegenzuhalten, jedoch fällt auf, dass Kneplers wichtiges – und übrigens hochgelobtes – Buch in der Literaturaufzählung bei Wolff ebenso fehlt wie jenes von Helmut Perl zum 'Fall Mozart' bzw. konkret zum 'Fall Zauberflöte'. Während Wolff sich ganz der Ausgestaltung der Zauberflöte zu einer neuen Art großer deutscher Oper widmet und mit den vielen phantasievollen und phantastischen Momenten die Macht der Musik im Werk zum eigentlich zentralen Thema erhebt (worüber wir uns ja eigentlich freuen könnten?!), nehmen Knepler und Perl ganz andere Dinge in den Fokus, die uns vielleicht viel besser erklären können, woher der Wind in Mozarts in der Tat großer Oper weht.

Zunächst Wolff: "…der größte Reiz für Mozart mag von einem wichtigen Subtext in Schikaneders Libretto ausgegangen sein, den er zu betonen beabsichtigte: Die Macht der Musik, ein Thema, das ihm von dem antiken Orpheus-Mythos und der christlichen Legende der heiligen Caecilia bekannt war."
Mit Bezug auf die Vorgeschichte und den nachzuweisenden Vorahnungen der Mainzer Republik, mit Bezug auf Mozarts Besuch in Mainz Ende 1790 und der dort ganz lebendigen Mozart-Pflege (übrigens aller italienisch komponierten Opern auf Deutsch!) sowie im Kontext zu enthusiastischen Äußerungen etwa eines Klopstock, Kant oder Wieland zu den Ereignissen in Frankreich entwirft Knepler ein sehr eindeutiges Bild und deutet das in einem Brief an Konstanze beschriebene "andere Bad, … [das] herrlich anschlägt" nicht als eines der medizinischen, sondern der politischen Art. Helmut Perl weist dies fortsetzend nach, dass die Fokussierung auf das Instrument kein Hervorheben der Macht der Musik war, sondern eine Vorsichtsmaßnahme gegenüber den Maßregeln und Vorschriften der Zensur (vom 13. Juli 1781): "Der Titel Zauberflöte signalisierte ein 'artistisches' Libretto mit harmlosem Inhalt." Der harmlose Inhalt indessen stellt sich als einer dar, bei dem die drei Damen als Kapuzinerinnen – die Kapuziner waren die Hauptträger der Gegenreformation – und die Königin der Nacht als Symbol der Mutter Gottes erscheinen: "Die sternflammende Königin … stand beispielsweise im Hochaltar der Franziskanerkirche in Salzburg in einem barocken sternförmigen Strahlenkranz; die spätgotische Madonna in einem Bild wurde durch den Begriff 'sternflammende Königin' beim Publikum sofort evoziert." Die katholische Kirche galt unter Joseph II. als Institution, die viel verspricht aber wenig tut – reihenweise wurden Klöster geschlossen: Ein Weib tut wenig, plaudert viel stellt also keinesfalls Frauenfeindlichkeit dar (bei Mozart ohnehin schlecht nachzuvollziehen) – es war die katholische Kirche gemeint. Der Name Papageno gehe darauf zurück, dass sein Träger jener sei, der den Papa, also den Heiligen Vater ohne zu hinterfragen nachplappert, Papageno als der, der sich vor Wissen und Denken fürchtet usw. usf. – es können und müssen die vielen Indizien aus Libretto, zeitgenössischen Bühnenbildern und anderen Verweisen, die Perl anführt, hier nicht wiederholt werden, das Fazit ist von Interesse und geht in eine andere Richtung als das von Christoph Wolff. Perl sieht als das zentrale Thema der Zauberflöte "die Mündigkeit bzw. Unmündigkeit des Menschen. … Die persönliche Reaktion der Personen der Handlung ist dabei in der Zauberflöte keine individuell-charakterliche, sondern eine gesellschaftstypische. Jeder Zuschauer konnte sich mit seinen Denkmustern oder Vorurteilen in irgendeiner Person des Spiels wiederfinden." Soweit Perl, der schlussfolgert, Kirche und Staat hätten diese moralischen Positionen weder verstehen noch tolerieren können.

Und dabei war bisher noch nicht einmal von den Frauen die Rede, denen Mozart in seinen Stücken – von Ilia angefangen über Konstanze, Contessa, Donna Anna und Elvira bis hin zur Fiordiligi und Pamina – stets die seelenvollsten Klänge zueignet. Auch in der Zauberflöte kann wohl jenes Stück mit der heiligen Zahl Nummer 7 als besonders seelenvoll gelten, das Mann und Weib und Weib und Mann an die Gottheit heranreichen sieht (interessant: Nicht an Gott, sondern die Gottheit!). Kalt dagegen ist die Seele der Königin, die eine Bravourarie im sakralen Stil der Zeit erhält mit Recitativ, langsamem Teil und funkelnden Koloraturen – nach Helmut Perl im Kostüm und Bild der Mutter Gottes auftretend eine Gotteslästerung, die nach der Justizreform von 1787 höchst angreifbar war.

Berühmt wurde die Zauberflöte nicht durch Libretto und Bühnenbild, sondern durch die Macht der Musik eines gewissen Mozart, der den Intentionen kongenial folgt und sie mit Phantasie, Leidenschaft, Seele und dem oben von Hegel bereits zitierten "Enthusiasmus des Geistes" ausstattet, womit wir unsere Liste wichtiger Ingredienzen für eine machtvolle Ausstrahlung der Musik weiter verlängert hätten.

An dieser Stelle müssen wir ein sehr konkretes Beispiel zweier Ouvertüren einfügen, um einen wichtigen Aspekt herauszuarbeiten, der mit Beethoven die Musik ergreift. Es ist jener des Idealismus, der Genialität, des Experiments und eines nach innen wie außen revolutionären Ansatzes. Nach innen verlagert vielleicht am deutlichsten in den späten Klaviersonaten und Quartetten, nach außen jedoch ganz deutlich in der zuerst komponierten der Leonoren-Ouvertüren, jener mit der Nummer 2, die sich am 20. November 1805 französische Offiziere statt des größtenteils geflohenen Wiener Publikums in einem halb-leeren Haus anhörten, ein programmierter Misserfolg. Beethovens idealistischer Stoff und Herangehensweise, seine revolutionären musikalischen Ideen und sein genialisch experimenteller Geist waren eine Zumutung und konnten nicht anders als missverstanden werden. Dies wird besonders deutlich durch die Umarbeitung der Ouvertüre Leonore II zur Leonore III, die ein Jahr später einer Aufführung vorangestellt wurde. Ganz klar hat sich Beethoven hier bemüht, den scharfen Kristall der Erstfassung abzuschleifen: Das Stück ist – wie Robert Maschka in einem Aufsatz im Beethoven-Handbuch nachweist – konzentrierter, teilweise knapper und durch eine klarere Reprisenstruktur möglicherweise besser zu rezipieren. Was dabei allerdings ein Stück weit verloren geht, ist der atemberaubend neue Ansatz, den man übrigens als Dirigent schon spürt, wenn man die Ouvertüre zu dirigieren beginnt mit ihrem zweimal anhebenden fortissimo-Schlägen (in Leonore III nur einer) und danach eine knappe Viertelstunde Sinfonie interpretiert, ehe der Vorhang sich hebt – einen solch revolutionären Ansatz für eine Oper hat sich nach Beethoven keiner mehr gewagt, weder Wagner noch Verdi, allenfalls Schumann in der Genoveva. Dann kommt jene Stelle, bei der das gesamte Orchester in As-Dur anlangt, das mit rasanten Tonleitern der Streicher durchmessen wird. Wir sind im Adagio, in Achteln musiziert, vielleicht ca. MM = 60 (um unsere Berechnung etwas einfach zu gestalten. Es folgen

- ein Akkordabschluss auf Eins und fünf Achtel Pause,
- ein zweiter Anlauf As-Dur mit Abschluss auf einem verminderten Akkord und fünf Achtel Pause,
- zwei einzeln stehende Akkorde auf Eins mit wiederum jeweils fünf Achteln Pause
- schließlich ein Takt mit drei Akkorden, die den dominantischen Überleitungsteil zum Allegro einläuten.

Mit Verlaub, das ist solcherart unzumutbar wie gleichermaßen genial: In den beschriebenen sieben Takten zwingt Beethoven seinen Hörern bei dem angenommenen Tempo in 42 Sekunden 23 ewige Sekunden Stillstand auf – das konnte nicht gutgehen und kann dennoch als eine der tollsten Erfindungen aus seiner Feder gelten.

Nun aber Leonore III, was wird aus dieser Stelle? Sie ist zu vier Takten geschrumpft und die Pausen sind komplett mit nachklingenden Bläserakkorden gefüllt – eine Stelle, die ich vor Kenntnis und Dirigat der Leonore II immer als besonders apart empfunden hatte, mit der ich seither jedoch ein akutes Problem habe… Der schroffe, revolutionäre Beethoven von 1805 ist das Original und die Macht seiner Musik bezieht sich just aus dieser Kompromisslosigkeit.

Beispiel 2, Beethoven Leonore III Takt 27 – 30 und Leonore II Takt 36 - 43

Kein Wunder, dass nach solchen Eruptionen eine Beruhigung angesagt war und das 19. Jahrhundert zunächst zu Kontemplation, mit Schubert und Schumann und dem Lied zur Lyrik, Melancholie, Einsamkeit, auch zum schon 1782 bei Johann Abraham Peter Schulz erstmals so bezeichneten "Volkston" und mit Wagner schließlich zum Phantastischen und Mythologischen neigte, die Explosionen sich nicht vordergründig im Material, sondern mit Liszt, Chopin und anderen sich eher auf dem Feld der Virtuosität abspielten. Sie merken, dass ich einen großen Sprung mache und das gerade für unser Thema 'Macht und Musik' so interessante Spannungsfeld der Dresdner Ereignisse um Wagner und Schumann von 1849 ausblende – hierzu ist in den vergangenen Schumann- und Wagner-Jahren 2010 und 2013 viel geforscht und gesagt worden.

Aber gestatten Sie mir ein wichtiges und oft übersehenes Detail zu erwähnen im Hinblick auf eine Entwicklung, die mir bedeutsam erscheint und den Schritt ins 20. Jahrhundert vielleicht überraschenderweise von dem oft als glatt apostrophierten Mendelssohn ausgehen lässt – wir wissen um die antisemitischen Hintergründe solcher Vorwürfe. Die Rede ist vom Gegensatz zwischen einem 'demokratischen' und einem 'autoritären' Ansatz des Komponierens und Musizierens.

1829, also bereits mit 20 Jahren, führte Mendelssohn die Matthäus-Passion Bachs auf und leitete damit einen Prozess ein, der letztendlich im bürgerlichen Konzertbetrieb mündete und als dessen entscheidender Anstoß gesehen werden kann. Es begann damit auch die 'Erbepflege' – mit den Konzerten unter Mendelssohn beginnen die Konzertprogramme, sich an Musik vergangener Generationen zu orientieren. Auch diese eine Fußnote im Kontext von der Macht der Musik.

1836 kommt es zur Uraufführung des Paulus und kurze Zeit später schreibt Mendelssohn an seinen Freund Klingemann: "Und jetzt im Augenblick sind die Singvereine gut und sehnen sich nach Neuem" – der auslösende Impuls zur neuerlichen Beschäftigung mit einem Oratorium. Martin Geck bestreitet indes, dass Mendelssohns Interesse für die Singvereine einzig dem Erfolg galt und konstatiert: "Indem er das Chorwesen fördert, will er der Gesellschaft dienen. Wie er einem Leipziger Beamten im Zusammenhang mit der Gründung des dortigen Konservatoriums am 8. April 1840 darlegt, haben Künstler die Aufgabe, der 'vorherrschend positiven, technisch materiellen Richtung der jetzigen Zeit' den 'ächten Kunstsinn', das heißt den 'Sinn für das Wahre und Ernste' gegenüberzustellen." Im gleichen Zusammenhang sind die meisten der Initiativen Mendelssohns zu sehen, angefangen von den in Berlin im elterlichen Haus veranstalteten Hauskonzerten (mit teilweise beinahe 300 Gästen) über die dirigentische Tätigkeit und die Leitung vieler Musikfeste in Berlin, Düsseldorf, Aachen, Köln, Frankfurt, Leipzig, London und anderswo bis hin zum Einsatz für das Leipziger Konservatorium oder die Berliner Akademie der Künste – letzteres ein Traum, der nicht in Erfüllung ging. Bei all diesen Plänen, Ideen und ungezählten Auseinandersetzungen ging es um Öffnung, Liberalisierung und Demokratisierung der Kunst und speziell der Musik. Sie sollte gerade daraus neue Macht gewinnen.
Bis in die Kompositionen hinein lässt sich dieses Bemühen verfolgen. Rainer Riehn notiert in Band 14/15 der Musik-Konzepte: Der Komponist hebe gerade hier die herrschaftsabbildende Dichotomie zwischen melodieführender Stimme (als Träger des Diskurses) und Begleitung auf. "Mendelssohn bringt das 'Unterdrückte' – hier durchaus in mehrfacher Interpretation des Begriffs … zu verstehen – nach 'oben': das, was früher nur Folie war. Es gibt in seinem Orchestersatz keine Stereotypen, keine bloßen Füllsel mehr, er ist vielmehr aufgebrochen, so kunstvoll die sekundäre Politur ihn wiederum glättet." Geck, Riehn und übrigens auch Hans Mayer thematisieren von hier ausgehend Mendelssohn als sehr widersprüchlichen Künstler, der es nicht darauf anlege, sein Publikum zu provozieren, sondern es für die Kunst einzunehmen. Sein Spätwerk weise in eine Richtung, die neue Dimensionen erahnen lasse.

Dimensionen, die anderen Generationen vorbehalten blieben. Den großen Sprung hatte ich bereits angekündigt und so sehen Sie mir bitte nach, wenn wir Brahms, Wagner und auch Bruckner und Mahler oder Debussy an dieser Stelle übergehen. Die völlige Aufhebung von Melodie und Begleitung, einhergehend mit der Aufhebung harmonisch hierarchischer und aufeinander bezogener Tonarten blieb dem 20. Jahrhundert vorbehalten – ein neuer Geist weht in jedwede Richtung und entfesselt rhythmische (Stravinski), formal und tonal völlig freie (Varése) und natürlich auch instrumentale Kräfte, die Gewalt des neuen Jahrhunderts geht einher mit der Etablierung des Taktwechsels, des Schlagwerks, der Atonalität und später der Elektronik. Im Untergrund verborgen wie die Idee vom "ewigen, einzigen" und "allmächtigen" Gott ordnet Schönberg in seinem 'opus summum', der unvollendeten Oper Moses und Aron das gesamte Stück einer einzigen Zwölftonreihe unter und entwirft mit dem Beginn des Werkes, bei dem Moses die vielfach aufgeteilte Stimme Gottes aus dem brennenden Dornbusch vernimmt, eine klanglich, melodisch, rhythmisch wie harmonisch faszinierende Szenerie, komponiert Anfang der dreißiger Jahre, also noch vor den desaströsen Ereignissen danach.

Beispiel 3, Schönberg, Moses und Aron, Beginn

Die Kantate Ein Überlebender aus Warschau bildet dazu einen zeitlichen Rahmen, sie entstand nach dem 2. Weltkrieg und dem Holocaust im Jahr 1947 und knüpft stilistisch an den Moses an. Erstmals kann davon die Rede sein, dass die unfassbare Gewalt und Bosheit einer Epoche in der Musik mächtig wird – das Stück wurde zu seiner Uraufführung nach einer Schweigeminute wiederholt und erntete danach großen Beifall. In ihrer Einführung beim Arnold-Schönberg-Center Wien zitiert Therese Muxeneder die Worte Luigi Nonos: "Dieses Meisterwerk ist aufgrund seiner schöpferischen Notwendigkeit des Verhältnisses Text - Musik und Musik - Hörer das ästhetische musikalische Manifest unserer Epoche."

Die geistige Idee in Verbindung mit der Struktur des Materials kann wohl als die entscheidende Macht dieser Werke betrachtet werden und Nono selbst fügt dem das konkrete politische Engagement hinzu: Ganz persönlich als Mitglied der kommunistischen Partei Italiens und kompositorisch in vielerlei Schattierungen bis hin zur La fabbrica illuminata von 1964, die die Alltagsrealität einer Fabrik und Alltagstexte zum musikalischen Material erhebt. Jürg Stenzl schreibt in seiner Monografie, Nono habe nun nicht mehr nur Zeugnis ablegen sondern direkt eingreifen wollen und zitiert ihn mit den Worten: "Ich sehe wie nötig es für uns alle ist, alles direkt zu kennen, zu prüfen, zu verstehen. Man sieht danach klarer und konkreter, man ist weniger abstrakt und theoretisch. Aber es ist eine sehr schwere Probe."

Zuvor war die Intolleranza 1960 entstanden, die an Schönbergs Survivor anknüpfend dokumentarisches Material verwendet, Schlagzeilen, aktuelle Ereignisse, aber auch Lyrik bspw. von Ripellino, Majakowski und Brecht und das Schicksal eines Gastarbeiters thematisiert, der in seine Heimat zurückkehren will, in Friedensdemonstrationen gerät, verhaftet und gefoltert wird. Mit einer neuen Gefährtin kommt er nach Hause, das Dorf wird von einer Hochwasserkatastrophe verwüstet, am Ende bricht der Damm und das Wasser reißt alles mit sich. Die letzten Worte der beiden: "Hier muss man bleiben, hier alles ändern".
Ein Ausschnitt des Beginns und der Verhörszene.

Beispiel 4, Nono, Intolleranza 1960

Konrad Boehmer, als 20-jähriger Student bei der Kölner Aufführung 1962 dabei und Assistent, berichtet über die Situation der beiden Parteien aus "Musik-der-Zeit"-Anhängern (einer Konzertreihe des WDR) und der von ihm als "Philistern" der Oper bezeichneten Fraktion: "Als dann Nono in die Oper einbrach war es, wie wenn Gregor Gysi Angela Merkel öffentlich auf einem CDU-Parteitag knutschen würde. Die Kölner Oper war damals heiliges Terrain der Philister. Wegen Nono drangen die Fortschrittler dort ein. Die Philister waren doppelt beleidigt: wegen der 'modernen' Musik und wegen der politischen Botschaft. Daher die heftige Konfrontation, die ich als sehr erfrischend empfand. Was waren das für Zeiten, da Musik die Menschen noch so berührte, daß sie sich die Kehlen heiser brüllten."

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind im Heute angekommen. Nono starb 1990, der anfangs zitierte Text von Dieter Schnebel datierte aus den Jahren 1974/75. Bitte gestatten Sie mir noch zwei Abschweifungen und zunächst eine Entschuldigung und Erklärung, bevor ich auf Schnebel zurückkomme.

Die Entschuldigung: Es fehlt in meinem Panorama sehr sehr viel und es könnte womöglich der Eindruck einer Einseitigkeit entstehen, sowohl was die Provenienz der ausgewählten Komponisten als die Stilistik betrifft – die Macht der Musik und dessen, woraus sie sich speist wäre genauso mit Beispielen aus dem Jazz zu diskutieren. Bitte um Gnade, auf diesem Gebiet kenne ich mich als Dirigent einfach zu wenig aus und würde niemals wagen, Bündiges dazu zu sagen – es ist auf dem eigenen Feld schon schwer und gewagt genug.

Die erste Abschweifung: Die Antithese. Ihr müssen wir natürlich nachgehen. Es gibt seit einiger Zeit ein Buch unter dem etwas knalligen und effektvollen Titel "Böse Macht Musik" , Ergebnis eines Symposiums. Diskutiert werden, wie es im Vorwort heißt, Ansätze zu einer "Ästhetik des Bösen in der Musik". In einem "Versuch über das Anorganische in der Musik" schreibt da etwa Nina Noeske: "Bis heute ist die Auffassung verbreitet, dass es sich allein dann um ein 'großes Werk' handeln könne, wenn dessen Bestandteile wie aus einem Guss entstanden erscheinen. … Das Deutsche, die Seele, das Tiefe, das Organische, das Schöpferische: Es ist kaum von der Hand zu weisen, dass diese Kategorien im 19. Jh. zusammengehören. Hinzuzufügen wäre: Auch Goethes Faust ist ein prototypischer Deutscher. Hieraus ergibt sich zugleich das Gegenbild: das Französische, das Intellektuelle, das Ironische, das Mechanische, das Seelenlose und Zerstörerische; kurz: Mephisto."

Das sind zweifellos Fragen, die gestellt und diskutiert werden müssen, erst recht unter dem Aspekt der Überwältigungsstrategien, transzendentaler Effekte und der Banalisierung, die Beate Kutschke in ihrem Aufsatz über "Imagines 'böser' Musik" thematisiert. Sie geht dabei u.a. der Frage nach, wie der Wagnersche Walkürenritt zum faktischen und fiktionalen Soundtrack kriegerischer Handlungen werden konnte, bspw. in Coppolas Helikopter-Angriffsszene von Apocalypse now und endet konsequenterweise bei der Nutzung von Musik als Waffe und Folterinstrument. " Heavy Metal, Hard Rock und Rap sind für die Soldaten gut, weil sie dazu dienen, sich selber psychisch auf einen Einsatz vorzubereiten … und weil sie zugleich dazu eingesetzt werden können, die Feinde, d.h. die Angegriffenen oder Verhörten, zu schwächen. Die stundenlange und extrem laute Beschallung mit der ausgewählten Musik schädigt nicht nur das Gehör, sondern demütigt zugleich auch diejenigen, die die jeweils gespielte Musik und die davon repräsentierte Kultur ablehnen." Sie bezieht sich abschließend auf einen Aufruf britischer Musiker und Musikwissenschaftler, die darauf drängten, den Missbrauch von Musik als Waffe im Krieg und für Folter zu beenden. Sie gingen implizit von der Gefahr aus, "die mit dem Missbrauch von Musik als Waffe und Folterinstrument verbunden ist: dem Verlust des positiven kulturellen Wertes, den Musik bisher besaß und, damit verbunden, dem Verlust der Musik als Kulturgut generell. Das 'böse' Image, dass Musik, insbesondere klassischer Musik, seit 1945 zugeschrieben wird, scheint sich in den neuen auditiv orientierten Kriegstechniken verselbständigt zu haben."

Das böse Image klassischer Musik? Das bleibt einem nun doch etwas im Halse stecken – wir sollten uns aber nichts vormachen, es sind die gleichen Intentionen, die heute dazu führen, Orchester, Theater und Musikschulen mit Kürzungen, Schließungen und Fusionen zu belegen und die Katze beißt sich sprichwörtlich in den Schwanz: Es ist der vorhin im Zusammenhang mit Nono zitierte Konrad Boehmer, der 1970 mit einem revolutionären Aufruf der "Sozialistischen Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft" Musikausübung und Musikausbildung kritisierte und die "von vorneherein vollzogene Programmierung der jungen Musiker im Hinblick auf ihre spätere partikulare Funktion im bürgerlichen Musikleben" anklagte, "welches die falsche musikalische Arbeitsteilung hervorbrachte und sanktionierte ... Die so organisierte musikalische Arbeit wird zum Musterbeispiel entfremdeter Arbeit, bei welcher die Produzenten weder wissen, was sie produzieren, noch, warum, für wen und zu welchem Zweck sie produzieren." Beate Kutschke verweist auf die Zusammenhänge mit den Studentenunruhen, der Abkehr von allen verdächtigen Traditionen Nazideutschlands wie auch auf die Wechselwirkungen zur aufkommenden Bewegung der Jugend-, Rock- und Popkultur, die das negative Image der klassischen Musik befördert habe.

Hier befinden wir uns auf einem heiklen Punkt der Diskussion, denn weder können die angeführten Zitate bedeuten, Heavy Metal, Hard Rock, Rap oder Popmusik seien als Antipoden klassischer Musik zu verstehen, noch sind sie per se gut oder böse, nur weil sie ihrerseits gegen Traditionen aufbegehrt und sich durchgesetzt haben oder andererseits als Waffe oder Folterinstrument eingesetzt werden. Etwas pointiert würde ich von heute aus gesehen und zumal als Dirigent auch die Frage nach dem partikularen Rädchen im Getriebe eines 'bürgerlichen Musikbetriebes' stellen: Mit 100 Leuten Stravinskys Sacre zu erarbeiten, partnerschaftlich respektvoll und emotional überzeugend aufzuführen und zu interpretieren halte ich für weniger autoritär als den Auftritt einer Popband, die über zwei Stunden Tausende Menschen im Wesentlichen mit einer betonten Zwei und Vier in Trance zu versetzen sucht. Das Beispiel zeigt, dass diese Diskussion in die falsche Richtung führt und außerdem überholt ist. Gerade das Beispiel Barenboims und seines West-Eastern Divan Orchestras zeigt ja deutlich eine gegenläufige Tendenz und die Bedeutsamkeit eines Zusammengehens von Autorität und Authentizität im Musizieren und Handeln. Das oben entfaltete historische Panorama beweist, dass alle Musik, die uns heute als mächtig erscheint, im Geist der Auseinandersetzung entstand und nicht im Geist der Anpassung. Schütz und Nono sind Anfangs und vorläufige Zwischenpunkte einer beständigen Entwicklung und ihre Interpretation somit weit entfernt von einem 'Musterbeispiel entfremdeter Arbeit' – indessen gilt die Mahnung unvermindert, in der Ausbildung neue Wege zu suchen und nach dem Zweck dessen zu forschen, was wir tun.

Im von Stefan Gies herausgegebenen Band "Kulturelle Identität und soziale Distinktion" schreibt Ulrik Volgtsen in seinem Aufsatz "Identität, Authentizität und Qualität als Komponenten von Kultur": "Ohne eine nicht-institutionalisierte 'Graswurzelkultur' wäre die institulionalisierte 'Hochkultur' nicht in der Lage sich zu erneuern, sie würde im Dogmatismus erstarren und zum toten Kanon werden… Umgekehrt würde die nicht-institutionalisierte 'Graswurzelkultur' ohne eine institutionalisierte 'Hochkultur' ihre Richtung verlieren, ihre Funktion als nicht institutionalisierte ästhetische Gegenwelt. Ohne den Gegensatz zwischen Etabliertem und nicht Etabliertem würde auch die Unterscheidung zwischen hoch und niedrig im Sinne von Hochkultur und Massenkultur verloren gehen. Die Gesellschaft als Ganzes würde ihre Fähigkeit verlieren, sich über Werte zu definieren und sich mit einem Wertesystem zu identifizieren und am Ende ihres Reflexionsvermögens verlustig gehen."

Und eine zweite Abschweifung: Die mittlerweile an vielen Stellen veröffentlichten Studien (u.a. einer sogenannten Shell-Studie und der bekannten und häufig zitierten Bastian-Studie) über die Steigerung von Intelligenz, Reaktionsfähigkeit, emotionaler und sozialer Kompetenz von Kindern und Erwachsenen durch Musik lassen keinen Zweifel zu, dass die Macht der Musik kein Hirngespinst einer gebildeten bürgerlichen Mittelschicht ist, sondern ein nicht wegzudiskutierender Fakt. Der Hannoveraner Musikmediziner Eckart Altemüller antwortet auf die Frage, wie Musik Emotionen auslöst: "Das liegt daran, dass Musik wahrscheinlich ein uralter emotionaler Signalgeber ist. In der Musik stecken vermutlich Klänge und Laute drin, die unsere Vorfahren schon lange vor dem Spracherwerb als emotionalen Ausdruck verstanden haben: Seufzen, Lachen, Rufen und so weiter. Und das wurde dann in der Musik später ausgebaut, es wurde ritualisiert und hat dann zu einer Art von emotionaler Verständigung geführt." Und bereits in einem Artikel von Sarah Schelp aus dem Jahr 2008 für ZeitWissen heißt es: "Der renommierte amerikanische Kognitionspsychologe Howard Gardner … hält die musikalische Intelligenz für eine der wichtigsten Teilintelligenzen des Menschen. Die Welt der Töne befähigt Kinder, ihre Umgebung besser zu verstehen und sich anderen mitzuteilen. Musizieren lässt die Verbindungen zwischen den Nervenzellen beider Gehirnhälften besser wachsen, fördert Konzentration und Kommunikation. Dabei … ist es besonders wichtig, selbst aktiv zu werden, zu singen, ein Musikinstrument zu spielen."
Umso unverständlicher, wenn 2008 konstatiert werden musste, dass an deutschen Grundschulen 82% des Musikunterrichts ausfallen, Musiklehrer generell knapp sind, die Qualität des Unterrichts beständig sinkt und Musik als Laberfach gilt.

Und auch dies sollte uns eine Mahnung sein: "In den Genuss des bayerischen Staatsopernprojekts gelangen pro Jahr gerade mal vier Hauptschulklassen. Auch die spätestens seit dem Kinofilm Rhythm is it! boomende Musik-Eventkultur an Problemschulen erreicht selten mehr als 100 Schüler auf einen Schlag. In Deutschland gehen aber derzeit rund 9,5 Millionen Kinder und Jugendliche in die Schule – und das nicht projektwochenweise, sondern jeden Tag. Aktionen wie Oper.Über.Leben, [so heißt das erwähnte Projekt der Bayerischen Staatsoper] die School-Tour der Deutschen Phono-Akademie oder das Education-Programm der Berliner Philharmoniker können den regulären Musikunterricht nicht ersetzen. Sie sind trotz gut gemeinten Engagements nicht mehr als Appetithappen, die das eigentliche, vornehmlich strukturelle Problem ungewollt kaschieren. Diese »Events« – von den Politikern mit viel Applaus bedacht – bleiben oft nur schillerndes Versprechen auf ein Leben mit Musik."

Machen wir an dieser Stelle einen Punkt und fügen nur noch dies an: Das Deutsche Musikinformationszentrum nennt die aktuellen Zahlen (von 2012): "Insgesamt 3,8 Millionen Musizierende sind in den Verbänden des instrumentalen und vokalen Laienmusizierens zurzeit organisiert, rund 2,3 Millionen davon als aktive Sänger oder Instrumenta¬listen. Mit rund 750.000 Kindern und Jugendlichen macht der Anteil des musikalischen Nachwuchses rund ein Drittel aller aktiv Musizierenden aus." Etwa 1,4 Mill. Menschen werden privat oder an den 27.390 Musikschulen unterrichtet, 93% davon Kinder und Jugendliche – Tendenz steigend. Jenseits aller politischen Diskussionen und Entscheidungen haben die Menschen und erfreulicherweise auch die Kinder und Jugendlichen längst begriffen, was es mit der Macht der Musik auf sich hat – Schwierigkeiten in der Nachwuchsgewinnung und Qualität blenden wir dabei nicht aus.

Über solche und ähnliche Fragen wollen wir in den nächsten Tagen bei DMM 2014 diskutieren und ich freue mich sowohl auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, alle Kursdozentinnen und –dozenten wie auf alle Vortragenden, Disputierenden und Zuhörenden! Seien Sie alle von Herzen willkommen geheißen. Ich darf an dieser Stelle dem Vorbereitungsteam unter Leitung von Prof. Andreas Baumann ganz herzlich danken und erwähne stellvertretend für viele, die dahinter stehen Silke Fraikin, Stefanie Schwerk, Sibylle Hoppe, Dr. Katrin Bauer und Judith Storbeck, die wie immer mit zuverlässigster und engagiertester Unterstützung alles ermöglicht haben, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Ich danke allen Sponsoren, ganz besonders der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank und Ralf Suermann ganz persönlich für das hohe Engagement, der Drewag sowie dem DAAD, der zum wiederholten Mal die Alumni-Akademie möglich macht. Ich danke den Staatlichen Kunstsammlungen und Prof. Dr. Hartwig Fischer sowie Prof. Dr. Harald Marx, die Führungen möglich machen und selbst durchführen. Ich danke den Dresdner Neuesten Nachrichten, die mit einer intensiven Medienpartnerschaft erneut die DMM unterstützen und in einzelnen Artikeln unsere Gäste und Vorhaben vorgestellt haben.

All dies führt hoffentlich dazu, dass wir in den nächsten Tagen keine süße Brühe anrühren, sondern im Sinne Schnebels "die Wasser vorne, wo die Musik selbst ihren Lauf bahnt", kraftvoll statt kraftlos werden. Er zitiert als utopische Richtung künstlerischen Handelns Ernst Bloch, der den Gegensatz zur "Dummheit des Abklatsches" und den "Lügen der Schönfärberei" einfordert: "Schaffende Kunst ist eine, indem sie sowohl das Typisch-Bedeutende kenntlich macht, wie indem sie das ungeworden Mögliche im bewegt Wirklichen anfeuernd, ermutigend, als realistisches Ideal vorausgestaltet."

Ich darf deshalb abschließend die herausgefilterten Stichworte meines – wie betont: sehr persönlichen – historischen Panoramas nochmals ins Gedächtnis rufen:

Inhalt, Ernsthaftigkeit, Klarheit, Ehrlichkeit, Mystik, Inspiration, Kreativität, Entwicklung, Struktur, Wissenschaft, Objektivität, Abstraktion, Universalität, Phantasie, Erhabenheit, Rührung, Leidenschaft, Seele, Enthusiasmus des Geistes, Idealismus, Genialität, Originalität, Experiment, revolutionärer Aufbruch, Kontemplation, Lyrik, Melancholie, Einsamkeit, Einfachheit, Phantastik, Mythologie, Explosivität, Virtuosität, Offenheit, Liberalität, Demokratie, Struktur des Materials, Autorität, Authentizität ---

All dies könnte die Macht der Musik ausmachen und mit Karl Valentin würde ich an dieser Stelle verschmitzt hinzufügen: 'So einfach, und man kann sich's doch nicht merken'.

Wohlan – macht Musik! Ich danke Ihnen!

[im Original alle Zitate mit den entsprechenden Fußnoten und Verweisen - das ist hier nicht so einfach möglich, um Vergebung]
logo

Weblog des Dirigenten Ekkehard Klemm, Dresden

Ansichten, Einsichten, Rücksichten, Aussichten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Archiv

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Uraufführungen seit 1998,...
Aus Anlass der morgigen (heutigen...) Uraufführung...
klemmdirigiert - 2016-10-01 00:30
Einojuhani Rautavaara...
Aus Anlass der Premiere der Oper DAS SONNENHAUS schickte...
klemmdirigiert - 2016-08-25 01:05
Einojunahni Rautavaara...
Programmhefttext für die deutsche Erstaufführung 1994...
klemmdirigiert - 2016-08-25 01:01
Einojuhani Rautavaara...
(Foto: Sini Rautavaara - bei meinem Besuch in Helsinki...
klemmdirigiert - 2016-08-25 00:54
...wuchernder Kanon mit...
Eine Einführung zum "Ricercar a 5,9", Uraufführung...
klemmdirigiert - 2016-08-24 23:34

Musikliste

Suche

 

Status

Online seit 7058 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 2016-10-01 00:30

Mein Lesestoff