8
Feb
2011

Gedenkkonzert für DAVID STAHL

David-Stahl

Am kommenden Samstag wird es ein Gedenkkonzert für den im Oktober verstorbenen ehemaligen Chefdirigenten des Staatstheaters am Gärtnerplatz München geben. Auf Einladung des Orchesters versammeln sich 4 Dirigenten, die mit Stahl zusammengearbeitet haben und gestalten ein Konzert, das Bezug auf Stahls eigene Favoriten nimmt: Mozart, Strauss, Mahler, Bernstein - dazu eine Uraufführung von Winfried Hiller. Mir selbst kommt die Ehre zu, Bernsteins 1. Sinfonie mit dem Untertitel "Jeremiah" zu musizieren. Die heutige erste Probe in München war von sehr vielen Emotionen geprägt - nach fast 4 Jahren an eine 11-jährige Wirkungsstätte zurückzukehren, ist im wahrsten Sinne: bewegend.

Mehr zum Konzert hier.

Eine Würdigung, die (gekürzt) im Programmheft erscheint:

David Stahl kam mit mir gemeinsam an das Gärtnerplatztheater. Klaus Schultz und Reinhard Schwarz waren auf der Suche nach einem Dirigenten – jung genug, um neue Impulse zu geben, erfahren genug, um einen ZAR, FIGARO, WILDSCHÜTZ, einen HOFFMANN, die ARIADNE, MANON oder LUSTIGE WITWE ohne Aufhebens übernehmen zu können. Dieser Part fiel mir zu… David kam für ausgewählte Produktionen als ständiger Gastdirigent.

Es war am Haus üblich, dass jeweils 2 Dirigenten ein Stück gemeinsam betreuten. Auch alle szenischen Proben mit Klavier wurden in aller Regel von einem dieser beiden Dirigenten geleitet (- ein luxuriöser Zustand, der hoffentlich noch anhält und unser Markenzeichen war)! Das GPT hatte damals nicht weniger als 6 ständige Dirigenten: Reinhard Schwarz, Tristan Schick, David Stahl, Herbert Mogg, Stefan Klingele und Ekkehard Klemm, dazu der Chordirektor H. J. Willrich und weitere Gäste. Das war die Basis für eine stabile Qualität der Repertoire-Abende.

Die erste Zusammenarbeit mit David war CARMEN (Regie: K. Horres). Ich leitete Ensembleproben und vertraute meiner Erfahrung mit dem Stück. Nach den ersten Proben mit David war klar: es wird alles ganz anders! Ganz langsam! Ich bremste fortan bei jeder Probe und suchte, das Ensemble auf die ruhige Gangart des Kollegen einzuschwören. Die (gefeierte!) Premiere: Ich hatte das Stück selten schneller erlebt… Davids Geheimnis als Dirigent war das Vertrauen auf die Spannung am Abend. Seine Spezialität war nicht das Arbeiten an Exaktheit und Klarheit – Sauberkeit und Transparenz entstanden als Ergebnis des Arbeitens an Linien, Klang und Energie. Das machte sein CANDIDE überwältigend und erfolgreich, seine WEST SIDE STORY zum großen Wurf und sein CAPRICCIO zu einem subtilen Kammerspiel.

Typisch für ihn war auch das Vertrauen auf künstlerische Anregungen von außen, die er gern aufnahm. In diesem Geist und Sinn ließ er sich darauf ein, als ich ihm vorschlug, DON GIOVANNI komplett am Hammerklavier zu begleiten – nicht nur die Recitative, sondern das ganze Stück, so, wie das sicher zu Mozarts Zeit auch gewesen ist (damals möglicherweise mit Cembalo). Wir lernten beide: Er, wie sich das Stück völlig anders anhörte, ich, wie es sich einen ganzen Opernabend lang mitten im Orchestergraben musiziert. Nicht immer war ich mit den Tempovorstellungen des Kollegen einverstanden – doch hieraus erwuchs eine Lebendigkeit bei der Übernahme seiner Abende durch mich: Dem Orchester wurde nicht langweilig…

Zu danken habe ich David Stahl und Klaus Schultz insbesondere die Übergabe vieler repräsentativer Premieren. Nachdem Reinhard Schwarz Reimanns MELUSINE sich mit mir geteilt hatte, war mein Faible für die neue Musik ‚aktenkundig‘ geworden. Es folgten Tarnopolski, Henze, Egk, Terterian, Schnebel, schließlich Nonos INTOLLERANZA. Doch auch ENTFÜHRUNG, FLEDERMAUS und IDOMENEO gingen an mich. Das Haus war um das Besondere bemüht, und David Stahl und Klaus Schultz sorgten gemeinsam dafür, dass es möglich wurde. Zu diesem Besonderen zählt unbedingt auch Stravinskis RAKE’s PROGRESS, den wir uns wieder teilten: Bei David dominierte das Feuer, bei mir möglicherweise die Exaktheit und das rhythmische Element – wenn ich mich recht erinnere, gab es in beiden Versionen das, was man vielleicht als Sternstunden bezeichnen dürfte.
Ich werde die Tränen nicht vergessen, mit denen David mich eines Tages im Orchestergraben des ‚Prinze‘ bat, eine Vorstellung CAPRICCIO wenige Tage später zu übernehmen – seine Frau sei schwer erkrankt und er müsse nach Hause. Das ist wohl mehr als 10 Jahre her und dennoch erst gestern gewesen. Nun stehen wir fassungslos vor dem Verlust gleich beider Menschen.

Wir haben ihnen unendlich viel zu verdanken.

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