26
Dez
2010

Dirigierkurse und –seminare mit regionalen Orchestern – ein Bericht

Jahrbuch-20101

Erschienen ist das Jahrbuch 2010 der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden. Darin u.a. ein Beitrag über Dirigierkurse mit sächsischen Orchestern, der unterstreicht, welch wichtige Arbeit diese regionalen Orchester neben ihren vielfältigen Konzerten und Theatervorstellungen leisten.

Es gehört seit Jahrzehnten zum Profil der Dirigierausbildung der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, mit den in der Region ansässigen Orchestern sehr eng und regelmäßig zusammenzuarbeiten. In den zurückliegenden Jahren konnte diese wichtige Brücke zur Praxis wesentlich intensiviert und durch neue Ideen und Projekte bereichert werden, von denen das gesamte Institut profitiert.

Das Orchester der Landesbühnen Sachsen steht jährlich zu etwa 8 – 10 Probenterminen als „Kursorchester“ zur Verfügung. Im Jahr 2006 gestaltete das Orchester darüber hinaus die Finalrunde des Deutschen Hochschulwettbewerbs im Fach Dirigieren und erarbeitete dafür das Trompetenkonzert von B. A. Zimmermann sowie drei klassische Sinfonien von Mozart, Haydn und Beethoven.
Eine neue Idee der Kooperation wurde im letzten Frühjahr erstmals erprobt: Unter Leitung von Studenten und mit studentischen Solisten wird ein Programm der Sinfoniekonzertreihe der Landesbühnen im Konzertsaal der Hochschule wiederholt. Paul Johannes Kirschner, Michael Muche, Jakobus Gladziwa und Karl Bernewitz interpretierten Werke von Grieg und Sibelius und legten dabei Prüfungen ab, Stanko Madić – Meisterschüler des neuen Geigen-Professors Igor Malinowski und Mitglied der Sächsischen Staatskapelle – wurde für den Solopart in Sibelius‘ Violinkonzert gefeiert. Künftig wird es 2 Sinfoniekonzerte der Landesbühnen geben, die auch in der Hochschule erklingen, eines unter Leitung von GMD Carulli, eines unter Leitung von Dirigierstudenten, beide mit der Möglichkeit, Studenten als Solisten einzusetzen.

Die Dirigiertermine in Riesa bei der neuen elbland philharmonie sind geradezu „legendär“. Mit den Orchestern in Riesa und Pirna kooperierten schon Rudolf Neuhaus und Siegfried Kurz. Ich selbst habe in Riesa (im Schülerkonzert!) erstmals die „Fünfte“ von Beethoven dirigieren dürfen, außerdem die „Achte“ von Dvořak, das Klavierkonzert von Schumann und vieles mehr. „Legendär“ aber auch aus einem anderen Grund: Die Fahrt von Riesa zurück nach Dresden dauert eine von den Studenten gefürchtete Weile und im PKW des Hauptfachlehrers wurde manch nötige Kritik sehr direkt ausgesprochen. Lebhafte Diskussionen oder ehernes Schweigen halten sich bei diesen Fahrten in etwa die Waage.
In den letzten Jahren wurden mit dem Orchester Formate erprobt, die über den Rahmen ‚normaler‘ Dirigierkurse deutlich hinausgehen. 2008 gab es ein Operettenprogramm, an dem unter Leitung von Peter Fanger 6 Dirigenten und fast 20 Gesangssolisten teilnahmen. Wiederholung ist die Mutter der Weisheit: Durch die Reprisen der Konzerte in mehreren Städten wurde die Zusammenarbeit ganz besonders intensiv und für die Studierenden wertvoll. 2010 stand sogar ein Sinfoniekonzert zur Verfügung: In 5 Konzerten traten 10 Dirigierstudenten auf, sowie 5 PianistInnen und 3 Geigerinnen. Auf diese Weise werden Synergien in ganz vorbildlicher Weise genutzt und alle Abteilungen der HfM profitieren von der Zusammenarbeit.
Vor diesem Hintergrund sind wir glücklich, mit ‚den Riesaern‘ demnächst Lortzings WILDSCHÜTZ gestalten zu können. Mit der Opernklasse erklingt das Werk zunächst im Kleinen Haus und geht danach auf Reisen in die Spielorte des Orchesters. Dirigierstudenten, die bei der Erarbeitung mitwirken, erhalten dabei die Möglichkeit von Nachdirigaten – die beste Schulung für spätere Probedirigate an Opernhäusern.

Seit nunmehr über 5 Jahren hat sich eine regelmäßige Veranstaltung mit der Erzgebirgischen Philharmonie Aue etabliert: ein ca. einwöchiges Dirigierseminar, bei dem die Dresdner Dirigierlehrer (außer mir Prof. Steffen Leißner, Prof. Christian Kluttig und Georg Christoph Sandmann) mit ihren Zöglingen Repertoire erproben können. Die seminaristische Arbeit auf ein konkretes Ziel hin ist von großem Vorteil. Die Studenten lernen dabei, ein Stück wirklich zu erarbeiten und es zur Konzertreife zu führen. Die wunderbaren Bedingungen in Aue, wo sogar in zwei Räumen probiert werden kann, verdoppeln die Möglichkeiten: So haben 2009 die Bläser Stravinskis ‚Symphony for winds‘ probiert, während die Streicher zeitgleich mit Dvořaks Serenade beschäftigt waren. Der Erfolg der Zusammenarbeit hat dazu geführt, dass GMD Takahashi und Geschäftsführer Rötting 2010 ein Sinfoniekonzert mit Werken von Stravinski, Strauss und Schumann für das Seminar angeboten haben. Auf dieser Basis soll 2011 weitergearbeitet werden. Bisher gab es regelmäßig Reprisen der Konzerte auch in Dresden, zunächst noch in der Lukaskirche, seit 2009 nun auch im Konzertsaal, was nicht zuletzt für das Orchester aus dem Erzgebirge eine wichtige Möglichkeit ist, sich in der Landeshauptstadt zu präsentieren. Dabei kommen meist nochmals neue Dirigenten und Solisten zum Einsatz.

Eine völlig neue Zusammenarbeit hat der MDR mit dem MDR-Sinfonieorchester angeregt. Einmal jährlich gibt es in Zukunft vier Proben mit insgesamt 6 Dirigenten, 2 aus jeder Hochschule des Sendegebiets. Daraus werden 3 ausgewählt, die dann im Frühjahr ein komplettes Konzert gestalten. Außerdem bietet der MDR die Möglichkeit an, Tonaufnahmen zu produzieren und so die Bedingungen professioneller Rundfunkstudios kennenzulernen. Cornelius Volke konnte im Mai eine frühe Sinfonie von Mozart aufnehmen und den „Faust-Walzer“ von Gounod.

Auch die Plauen/Zwickau, Freiberg/Döbeln und Görlitz sind eingebunden. Beim Philharmonischen Orchester Plauen-Zwickau profitieren wir insbesondere von der Größe der Besetzung. Erst kürzlich erklangen dort in mehreren Proben der „Don Juan“ von Strauss, sein „Till Eulenspiegel“, Sinfonien von Tschaikowski, Schumann u.a. Die Neue Lausitzer Philharmonie stand zuletzt z.B. für Prüfungen der Klavierabteilung zur Verfügung. Das Begleiten von Solo-Literatur gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben und kann nur selten trainiert werden. Das Orchester des Mittelsächsischen Theaters stand ebenfalls für Konzerte in Freiberg und Döbeln zur Verfügung, neue Projekte sind vorgesehen.

Die genannten Initiativen sind eine die Dresdner Hochschule prägende Leitlinie der Ausbildung, die in dieser Intensität nur wenige vergleichbare Institute ihren Studenten anbieten können. Über das gesamte Bundesland konnte ein Netz von Kooperationen gespannt werden. Den beteiligten Orchestern, Dirigenten, Geschäftsführern, Intendanten kann für das Vertrauen nicht genug gedankt werden!
Eine wichtige und mit allem Nachdruck vorzubringende Forderung geht in diesem Zusammenhang an die Politik: Nicht nur die Regionen brauchen ihre Theater und Orchester zur Stabilisierung kultureller und pädagogischer Angebote, auch die Hochschulen benötigen sie. Sie durch andauernde Diskussionen um Einsparungen in Frage zu stellen, nimmt einem ganzen Land die Attraktivität, schmälert Bildungschancen und schreckt Leistungsträger ab. Dauerhafte kulturelle Angebote können nicht durch einwöchige Festivals ersetzt werden – wenn diese dazukommen: Umso besser. Die Basis jedoch muss gefestigt werden. Dafür sollte alles Erdenkliche getan werden.
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Weblog des Dirigenten Ekkehard Klemm, Dresden

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