9
Okt
2006

DAS PARFÜM

ist ein langweiliger, teilweise schön anzusehender Film (Landschaften, Lavendelfelder u.ä.). In furchtbarer Vorhersehbarkeit zieht sich gegen Ende eine Massenhysterieszene endlos dahin - man weiß leider beim ersten Augenschein schon, daß sich nun alle nackt ausziehen usw., was aber eben sehr lange dauert, schließlich handelt es sich ja um eine Vision in Zeitlupe...

Alles ganz grausam. Warum aber in aller Welt muß Tom Tykwer auch noch für die geschmacklose Musik verantwortlich zeichnen, für diesen entsetzlichen Brei aus dur-moll-Gesäusel, einfallslos, kitschig und natürlich harfenparfümiert (dieses wunderbare Instrument muß viel leiden, wenn es um Winde, Düfte oder dergleichen geht...) - und warum in aller Welt geben sich die Berliner Philharmoniker und Sir Simon für solchen Dusel her?

Unfaßbar peinlich.

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https://klemmdirigiert.twoday.net/stories/2776358/modTrackback

mikel (Gast) - 2006-10-15 00:34

mmhhm.

Literaturverfilmungen scheitern zumeist.

Warum sie sich für so etwas hergeben?

Die Anapage vom Staat wird nicht reichen. Und für Geld macht so mancher Musiker viel.
Zu recht. Es ist ein Job, der Geld bringt. Was zum Teufel soll daran falsch sein?

Ich provoziere mal:
Professoren, die Beamten unter den Musikern verstehen sowas wohl nicht, können es nicht, weil sie sich noch nie ernsthaft um die Finazierung von Musik Gedanken gemacht haben?

Sagen wir das mal so: Was passiert mit all der HOHEN Kunst, wenn die Haushalte dieser Republik die unglaublich vielen Orchester, die wir uns NOCH leisten können, nicht mehr unterhalten können?

Ich hörte in der Fußgängerzone von Heidelberg letzthin unglaublich guten Paganini und Rachmaninow.

Nur mal so in die Zukunft gedacht. Ich wünsche mir diese Zukunft nicht.

Aber ich hasse dieses Nase rümpfen.

Sowas nenn ich großbürgerlich professoral, so moralistisch, peinlich, unwissend..... ;-)

T. Th. (Gast) - 2006-12-05 10:20

wenn sich kunst nur noch über kitsch finanzieren kann, dann ist uns allen wohl nicht mehr zu helfen.
schlechte filmmusik bleibt schlechte filmmusik. das hat mit finanzen nichts zu tun. überhaupt haben die entstehungsbedingungen von kunst zum glück nicht immer einfluß auf ihre qualität. sonst hätte sich schubert gar nicht erst ans klavier zu setzen brauchen.

ich kann sehr gut nachvollziehen, daß und warum eine schlechte filmmusik den genuß eines films sehr einschränken kann (oder einen schlechten film teilweise rehabilitieren). ich hörte einmal von einem barocken schmachtfetzen mit viel kostüm und perücke, wo auf einem ball ein Strauss-Walzer gespielt wurde. oder man denke an den naiv-peinlich einfall, den film "der tod und das mädchen" von R. Polanski über titel und musik mit dem schubert-lied zu verknüpfen: was hat der sanfte und gütige tod in einem film über die beziehung eines folterers zu seinem opfer zu suchen? noch dazu war der bezug doppelt falsch, denn als fimmusik erklang der erste satz des gleichnamigen streichquartetts -- bekanntermaßen ist das werk aber wegen seines zweiten satzes und des darin verwendeten liedthemas mit dem titel "der tod und das mädchen" überschrieben worden. soweit ich weiß, nicht einmal von schubert selbst.

kurz: es ist sehr schade, wenn ein multi-kanal-medium wie der film es wohl ist einen der kanäle vernachlässigt. das macht einen schlechten eindruck und zeugt von schlamperei. oder von unlust. jedenfalls nicht von glühender begeisterung für eine sache, die am ende in sich geschlossen und in all ihren aspekten stimmig sein soll.
klemmdirigiert - 2006-10-15 01:42

Mikel, verehrter, das ist unter der Gürtellinie und auch schlicht eine Frechheit: ich war von 1984 - 2003 im Theaterbetrieb an der unmittelbaren Basis, habe um jeden Pfennig gerungen und ringe z.B. als Chef der Dresdner Singakademie noch heute darum. Es greift zu kurz, uns professoralen Hochmut vorzuwerfen.
Aber die Berliner sind immer ein Institut der Hochkultur gewesen. Das sollten sie auch hinfort sein. Sie sollen von mir aus Filmmusik spielen - aber bitte solche, die etwas taugt.

In Thüringen tobt gerade ein Kampf um die Theater und Orchester: der Freistaat gibt gerade mal 1,24% seines Geldes für Kultur aus. Die Einsparung von 0,13% werden demnächst ganze Regionen kulturell veröden lassen und hernach glauben die Leute vielleicht, daß gute Musik so klingen muß wie im Film vom Sir dirigiert - immerhin spielen ja die Philharmoniker aus Berlin, dann muß es ja gut sein.

Nein, Mikel, das ist wirklich einfach falsch. Wer einmal eine Partitur von Mozart, Webern oder Ligeti analysiert oder musiziert hat, kann über solche Aussagen nur den Kopf schütteln.

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