12
Dez
2009

"Adventsstern 2009"

Diese beiden sympathischen Herren waren in den letzten Monaten und Jahren Assistenten der Dresdner Singakademie. Am Dienstag verabschieden sie sich und dirigieren Mendelssohn und Martinu im vorweihnachtlichen Konzert der Singakademie:

Pujol Manuel Pujol Kirschner-21 Paul Johannes Kirschner


Ich selbst werde Haydns Harmoniemesse leiten. Eine kurze Vorschau in Zitaten der beiden Musikwissenschaftler Jürgen Hartmann und Wolfgang Stähr, die uns dankenswerterweise phantastische Aufsätze zur Einführung geschrieben haben:

Jürgen Hartmann zu Mendelssohn und Martinu:

Felix Mendelssohn Bartholdy nahm sich im Gegensatz zu dem von ihm bewunderten Johann Sebastian Bach, der die Stationen aus dem Leben Jesu Christi gemäß der Tradition auf verschiedene Kantaten und Oratorien verteilt hatte, eine biografische Gesamtschau vor. Er vollendete das Projekt nicht, und auch Franz Liszt, der fünfzehn Jahre später ein eigenes Christus-Oratorium begann, tat dies nicht in Form einer komponierten Biografie, sondern als Verbindung einzelner Stationen mit überhöhenden religiösem Textmaterial, gerade so, als habe Bach das Weihnachtsoratorium, einige Kantaten und eine der Passionen zusammengefasst. Großes hatte allem Anschein nach auch Felix Mendelssohn Bartholdy im Sinn, indem er Geburt, Leben und Tod Jesu in einem großen Oratorium zusammenfassen wollte. Dies hätte mit „Paulus“ (1836) und „Elias“ (1846) einen inhaltlichen Zusammenhang ergeben, indem alt- und neutestamentliche Themen durch die Christusgeschichte verknüpft werden. Wie bei diesen beiden Oratorien beschäftigte sich Mendelssohn intensiv mit Ideen und Entwürfen, von denen ihn die meisten nicht zufrieden stellten. Im Falle des „Christus“ ist nicht unanfechtbar bewiesen, aber doch wahrscheinlich, dass die überlieferten Fragmente – ein Terzett, Rezitative, Chöre und ein Choral – zu einem Oratorienplan gehören, für den sich in zeitgenössischer Korrespondenz der Titel „Erde, Himmel und Hölle“ (oder auch „Erde, Hölle und Himmel“) findet. „Christus“ kommt als Werktitel erst durch Mendelssohns Bruder Paul bzw. Ignaz Moscheles ins Spiel, der die Äußerung Paul Mendelssohn am 7. November 1847 wiedergibt, einige Tage nach dem Tod des Komponisten ....

Die „Christus“-Fragmente wurden bereits einige Jahre nach Mendelssohns Tod aufgeführt, wobei Ort und Zeitpunkt der eigentlichen „Uraufführung“ unklar sind. 1852 fand in Birmingham, am Ort von Mendelssohns „Elias“-Triumph, eine Aufführung statt, weitere folgten in Wien und Leipzig in den folgenden Jahren. Die Rezensenten urteilten sehr unterschiedlich; in einigen Kritiken finden sich bereits die „Module“ zu den später antisemitisch beeinflusstes Allgemeingut werdenden Einwänden, Mendelssohn sei oberflächlich, habe gar angesichts seiner jüdischen Herkunft das „Christus“-Thema nicht kompetent gestalten können. Tatsächlich hat sich Mendelssohn bemüht, zahlreiche antijüdische Formulierungen in den Bibeltexten zu mildern oder nicht in den Gesangstext aufzunehmen. Raphael von Hoensbroech fasst diese Teilproblematik so zusammen: „Die offensichtlich philosemitische Haltung gegen Ende seines Lebens ist sicherlich mehr als eine bloße Gegenwehr zum längst gesellschaftsfähig gewordenen Antisemitismus seiner Zeit. In dem Sinne einer historischen Abhängigkeit des Christentums vom Judentum konnte er ganz Christ sein, ohne das Jüdische in ihm leugnen zu müssen. Dadurch kam Mendelssohn schließlich dem Bestreben seines Großvaters Moses nahe, die Religionen nicht als gegensätzlich und unvereinbar zu betrachten, sondern auch ihre geschichtliche Beziehung zu würdigen und sie nebeneinander zu akzeptieren.“

Der tschechische Komponist Bohuslav Martinu hat seine „Marienspiele“, in denen die hier aufgeführte „Geburt des Herrn“ der dritte von vier Teilen ist, in Frankreich geschrieben, wo er lange Jahre lebte. Der neben Smetana, Dvorák und Janácek vierte große tschechische Komponist ist in diesem Quartett der am wenigsten Bekannte und am meisten Unterschätzte. Seine Musik, die durchaus französische Einflüsse aufweist, trotz der langen Abwesenheit von seinem Heimatland aber auch dezidiert tschechisch ist, wird heute nach und nach als meisterhaft anerkannt, ohne dass sie von nachhaltigem Einfluss auf die Zeitgenossen gewesen wäre. Sein früher Biograf Harry Halbreich schreibt 1968, keine zehn Jahre nach dem Tod des Komponisten: „Es gehört zum Paradox seiner Kunst, dass sie dem Laien leicht zugänglich ist, dem Fachmann dagegen immer wieder neues Kopfzerbrechen bereitet. Er bedient sich des tonalen Vokabulars, das vertraute Vorstellungen heraufbeschwört, geht aber in der Entwicklung seiner Formgesetze aus dem organischen Wachstum eines jeden Werkes, unmittelbar an Debussy anschließend, durchaus eigene Wege“.


Wolfgang Stähr zu Haydns Messe:

Haydns letzte Messe verrät weder die Verfallserscheinungen eines greisen, schonungsbedürftigen Meisters noch die abgeklärte Milde des weltentrückten Alters. Eher schon könnte von dem Werk eines „zornigen alten Mannes“ die Rede sein. Der Name „Harmoniemesse“ jedenfalls, der nicht von Haydn stammt und sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durchsetzte, müsste unweigerlich in die Irre führen, wenn er falsche Erwartungen an Eintracht, Konfliktlosigkeit und ungetrübten Wohllaut weckte. Gerade das Gegenteil ist der Fall in dieser Messe, deren „Harmonie“ als historisches Synonym für ein Bläserensemble aus doppelt besetzten Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten zu verstehen ist, wie sie auch Haydn vorsah für seine Partitur – ergänzt allerdings um eine Flöte und zwei Trompeten (sowie Pauken, Streicher und Orgel). Nicht die alles verzeihende Weisheit der späten Jahre spricht aus dieser Musik, vielmehr ein unruhiger, fragender, rebellischer Geist, wenn im Kyrie nach 16 Takten einer sinfonischen Adagio-Introduktion plötzlich der Chor einsetzt oder einfällt, verstörend dissonant und „forte assai“, ein Schockeffekt sondergleichen: ein Aufschrei, Passion und Protest gegen eine aus den Fugen geratene Zeit. Oder wenn Haydn im Credo den Auferstehungsjubel jäh verstummen lässt: „Et exspecto resurrectionem ... mortuorum“, und keineswegs die ins ewige Leben gerufenen, sondern die in ewiger Ruhe entschlafenen Toten unter dem Grabmal einer zweifachen Fermate ins Bewusstsein rückt. Offenbar dachte der in England als „Shakespeare der Musik“ gefeierte Komponist bei diesen verschwiegenen Takten weniger an das katholische Bekenntnis als an den anderen, den ersten Shakespeare, an „The Tempest“ und die Worte des Prospero: „Wir sind aus solchem Stoff, wie Träume sind, und unser kleines Leben ist von einem Schlaf umringt.“

Dieses erstaunliche Spätwerk ist musikalisch geprägt von leidenschaftlichem Einspruch, von subjektivem Kommentar und tönender Widerrede: von dem auskomponierten Missverhältnis zwischen Wort und Ton. Gänzlich eigenwillig, eigensinnig sogar, komponierte Haydn das Benedictus nicht als Pastorale, als Bildnis des guten Hirten oder als feierlichen Einzug in Jerusalem: „Molto Allegro“, gehetzt und atemlos erklingt dieser Satz, einer Flucht ähnlicher als einer Ankunft. Im Agnus Dei schließlich beschwört die Friedensbitte des „Dona nobis pacem“ paradoxerweise eine erschreckend martialische Musik herauf, mit Pauken und Trompeten, als wollte Haydn, der nie ein Requiem geschrieben hatte, zuletzt noch den Horror des Jüngsten Tages entfesseln, „Dies irae, dies illa“. Es herrschte Krieg in Europa...

4
Nov
2009

Spiegelungen II

Haydn1

Für ein Konzert mit Sinfonietta Dresden am kommenden Samstag, 7.11.09, 19.30 Uhr in der Dreikönigskirche in Dresden, in dem ferner eine UA von Andreas Kersting und ein Stück der estnischen Komponistin Helena Tulve erklingen, entstand soeben der nachfolgende kleine Einführungstext zu Haydns Sinfonie Nr. 85 in B-Dur, genannt "La Reine":

"Dir, liebe Schwester, schreibe ich zum letzten Mal. Ich wurde soeben verurteilt, nicht zu einem schmachvollen Tod, der nur für Verbrecher gilt, sondern dazu, Deinen Bruder wiederzufinden. Unschuldig wie er, hoffe ich ihm in seinen letzten Augenblicken zu gleichen. Ich bin ruhig, wie man es ist, wenn das Gewissen dem Menschen keine Vorwürfe macht. Ich bedaure tief, meine armen Kinder zu verlassen. Du weißt, ich habe nur für sie gelebt und für Dich, meine gute zärtliche Schwester. Du, die Du aus Freundschaft alles geopfert hast, um bei uns zu bleiben – in welcher Lage lasse ich Dich zurück! Durch das Plädoyer des Prozesses habe ich erfahren, dass meine Tochter von Dir getrennt worden ist. Ach, die arme Kleine! Ich wage es nicht, ihr zu schreiben, sie würde meinen Brief nicht erhalten – weiß ich doch nicht einmal, ob dieser hier Dich erreichen wird. Empfange für sie beide hierdurch meinen Segen. Ich hoffe, dass sie später einmal, wenn sie größer sind, sich mit Dir vereinigen und ganz Deine zärtliche Sorgfalt genießen können. Mögen sie beide an das denken, was ich sie unablässig gelehrt habe: dass die Grundsätze und die genaue Befolgung der eigenen Pflichten das wichtigste Fundament des Lebens sind, dass die Freundschaft und das Vertrauen, das sie einander entgegenbringen werden, sie glücklich machen wird."

Es gibt kaum einen größer denkbaren Gegensatz als den zwischen der freundlichen Sinfonie Nr. 85 in B-Dur von Joseph Haydn – von seinen Zeitgenossen "La Reine" genannt, weil die Königin Marie Antoinette das Werk außerordentlich mochte – und dem grausigen Schicksal der aus Österreich stammenden Maria Antonia Josepha Johanna Erzherzogin von Österreich sowie Prinzessin von Ungarn, Böhmen, der Toskana aus dem Haus Habsburg-Lothringen, später Dauphine und danach Königin von Frankreich und Navarra., guillotiniert am 16. Oktober 1793, also kaum acht Jahre nach Entstehung der Sinfonie und nur neun Monate nach der Hinrichtung ihres Mannes, Ludwig XVI. .

"Wie viel Tröstung hat uns unsere Freundschaft in unseren Leiden verschafft! Und das Glück genießt man doppelt, wenn man es mit einem Freunde teilen kann. Wo aber kann man einen zärtlicheren, innigeren Freund finden als in der eigenen Familie? Möge mein Sohn niemals die letzten Worte seines Vaters vergessen, die ich ihm mit Vorbedacht wiederhole: Möge er niemals danach trachten, unseren Tod zu rächen! Ich liebe ihn..."

Der Auftrag zu den sechs Pariser Sinfonien kam von Claude-François-Marie Rigoley, Comte d'Ogny. Der Comte war Mitbegründer des "Concert de la Loge Olympique", neben dem "Concert spirituel" die wichtigste Konzerteinrichtung in Paris. Dahinter verbirgt sich als Träger eine sehr angesehene und wohlhabende Freimaurerloge, die 1779 gegründete Loge "de la Parfaite Estime & Société Olympique". Ein mindestens zu zwei Dritteln aus Berufsmusikern bestehendes Orchester bestand aus 3 Flöten, je zwei Oboen, Klarinetten, Fagotten, 4 Hörnern, 2 Trompeten und Pauken sowie 14 ersten und zweiten Violinen, 7 Bratschen, 10 Celli und 4 Kontrabässen. Denkbar, dass, wer heute eine Haydn-Sinfonie mit 65 Musikern besetzt, der Opulenz und des Romantisierens bezichtigt würde.

Bereits ab 1764 gab es gedruckte Musik von Haydn in Paris – Sinfonien und Quartette. Nach der Aufführung seines "Stabat mater" wuchs der Erfolg Haydns in Paris. Das Repertoire der Konzerte griff zunehmend auf seine Stücke zurück. 1781 betrug der Anteil seiner Sinfonien 17%, 1782 bereits 39%, im Jahr der wahrscheinlich ersten öffentlichen Aufführungen des Zyklus der Pariser Sinfonien machten Haydns Stücke gar 90%, 1789 84% und 1790 immerhin noch 80% aller aufgeführten Werke aus – ein sensationeller Erfolg. Es gilt als relativ gesichert, dass die Sinfonie in B-Dur wahrscheinlich 1985 beendet war. Die weiteren Stücke in C-Dur, g-Moll, Es-Dur, D-Dur und A-Dur datieren von 1785 und 1786, was im Gegensatz zu Nr. 85 durch Autographe belegt werden kann. Der Verleger Imbault, der die Werke 1788 herausbrachte, war selbst Konzertmeister der 2. Violinen, man spielte in blauen Gehröcken und trug Degen.

"Ich muss zu Dir von einer Sache sprechen, die meinem Herzen sehr wehe tut. Ich weiß, wie dieses Kind Dir Qual bereitet haben muss, verzeihe ihm, liebe Schwester, denk an seine große Jugend und wie leicht es ist, ein Kind das sagen zu lassen, was man will, und sogar das, was es selber nicht versteht. Ich hoffe, ein Tag wird kommen, da es um so besser den Wert Deiner Liebe und Zärtlichkeit begreifen wird, die Du beiden entgegenbringst."

Die sechs Pariser Sinfonien können als erster sinfonischer Zyklus der Musikgeschichte betrachtet werden. Die zwölf Londoner Sinfonien folgten in Haydns eigenem Schaffen; möglich, dass Mozart mit seinen drei späten Werken KV 543 (Es-Dur), KV 550 (g-Moll) und KV (C-Dur, "Jupiter-Sinfonie") den zyklischen Gedanken kurze Zeit später aufgriff, die Tonarten entsprechen jenen der Nummern 84, 83 und 82 des älteren Kollegen. Insbesondere aber zwischen der Nr. 85 in B-Dur und KV 543 gibt es verblüffende Parallelen, die vor allem den ersten Satz betreffen: beide Werke beginnen mit einer Einleitung im Stil der französischen Ouvertüre (mit geschärften Punktierungen und im Adagio alla-breve), beide Sinfoniesätze münden in ein Allegro im Dreivierteltakt, das von einem lyrischen Hauptthema – im piano beginnend – getragen wird. Die Zweiunddreißigstel-Ketten des Adagio kehren im Tutti als Sechzenhntel-Tonleitern wieder – auch dies eine Parallele zwischen Haydn und Mozart. Das, was bei Haydn angelegt ist, wird von Mozart groß ausgebaut: seine Einleitung ist bedeutend länger und mündet in bis auf's Äußerste gespannte Dissonanzen, auch der erste Themenkomplex ist größer ausgebaut. Dennoch ist das gedankliche Gerüst deutlich zu spüren und dasselbe geblieben. Was für die Königin "Grundsätze" und "Befolgung der eigenen Pflichten", sind für die Komponisten die inzwischen fest etablierten Hierarchien des Sonatensatzes …

"Ich muss Dir noch meine letzten Gedanken anvertrauen. Ich hätte sie vom Beginn des Prozesses an niederschreiben mögen, aber abgesehen davon, dass man mir nicht gestattete zu schreiben, verlief er so schnell, dass ich in der Tat keine Zeit dazu gehabt hätte. Ich sterbe im apostolischen, römisch-katholischen Glauben, der Religion meiner Väter, in der ich erzogen wurde und zu der ich mich immer bekannt habe. Da ich keinerlei geistliche Tröstung zu erwarten habe, da ich nicht weiß, ob es hier noch Priester dieser Religion gibt, und da auch der Ort, an dem ich mich befinde, sie allzu großen Gefahren aussetzen würde, wenn sie zu mir kämen, bitte ich Gott von Herzen um Vergebung für alle meine Sünden, die ich begangen habe, seit ich lebe. Ich hoffe, dass er in seiner Güte meine letzten Gebete erhören wird so wie alle jene, die ich seit langem an ihn richte, damit meine Seele seines Erbarmens und seiner Güte teilhaftig werde."

… Grundsätze und Pflichten, die wenig später keinen Heller oder Louis d'or mehr wert sind. Zumindest in der Politik. Die Gerüste des Sonatensatzes brechen etwas später zusammen als jene des absolutistischen Staates (der im Übrigen zunächst von einer grausamen Diktatur auf's Schafott geführt wird). Davon ist bei Haydn wirklich gar nichts zu spüren. Am wenigsten in "La Reine" und gleich gar nicht im zweiten Satz, der als sehr intim bezeichnet werden kann. Das darin zitierte französische Lied "La gentille et jeune Lisette" wird als Romance übertitelt und zum Variationssatz ausgebaut. Insbesondere Flöte und Fagott sind mit Auszierungen betraut. Harsche forte-Kontraste und ein Mittelteil im seltenen es-Moll werfen indessen einen deutlichen Schatten auf das ansonsten eher freche Chanson. Vermeinen wir einen melancholischen Unterton zu erspüren oder deuten wir vor dem tragischen Schicksal der Königin diese Nuance nachträglich ins Stück?

"Ich bitte alle, die ich kenne, und im besonderen Dich, liebe Schwester, um Verzeihung für jedes Leid, das ich ihnen unwissentlich etwa zugefügt habe. Ich verzeihe all meinen Feinden alles Böse, das ich durch sie erlitten habe. Ich sage hiermit den Tanten und all meinen Brüdern und Schwestern Lebewohl. Ich hatte Freunde. Der Gedanke, dass ich von ihnen für immer getrennt bin, und das Bewusstsein ihres Schmerzes gehören zu den größten Leiden, die ich sterbend mit mir nehme. Mögen sie wenigstens wissen, dass ich bis zu meinem letzten Augenblick an sie gedacht habe."

Deftig und durch den typisch lombardischen Vorschlag und Rhythmus durchaus französisch anmutend hebt das Menuett an. In seiner Mitte erklingt ein Trio, das eher von Haydns Heimat Österreich erzählt: Fagott und Violinen beziehen sich deutlich auf alpenländische Folklore, die im zweiten Teil einmal richtig 'hängenbleibt' und erst nach einer Fermate wieder Takt und Ton findet.
Das Rondo ist der einzige Satz, der nach der Eröffnung ohne Wiederholungen abläuft. Geradezu stürmisch jagt das Presto dahin. Die Musikwissenschaft kann sich nicht entscheiden, ob sie darin noch ein Rondo oder bereits ein Rondo in Sonatenform erblicken darf – wir kümmern uns nicht um derlei Schubladen und bestaunen die Fülle der Verarbeitung des Hauptmotivs und seines Kontrapunktes. Vor der letzten Reprise bleibt – wie im Trio des Menuetts – auch hier die Musik hängen und weist an dieser Stelle sogar auf Beethoven voraus, der sich in seiner Eroica sicher ebenso auf Mozarts KV 543 bezieht wie auf Haydns "La Reine", ein Titel, unter dem der Verleger Imbault das Werk bereits bei seiner Veröffentlichung apostrophierte.

"Leb wohl, gute zärtliche Schwester! Möge dieser Brief Dich erreichen! Vergiss mich nicht! Ich umarme Dich von ganzem Herzen sowie die armen lieben Kinder! Mein Gott, wie herzzerreißend ist es doch, sie für immer zu verlassen! Leb wohl, leb wohl! Ich werde mich nun nur noch mit meinen geistlichen Pflichten befassen. Da ich nicht frei in meinen Entschlüssen bin, wird man mir vielleicht einen Priester zuführen. Aber ich erkläre hiermit, dass ich ihm kein einziges Wort sagen und ihn wie einen völlig Fremden behandeln werde."

Nein – wir werden "La Reine" nicht vergessen, wie auch Marie Antoinette sie nicht vergessen konnte: in ihre Todeszelle ließ sie sich ein Spinett kommen, um darauf den zweiten Satz spielen zu können.


Literaturnachweis:
Ludwig Finscher, "Haydn und seine Zeit", Laaber-Verlag Regensburg, 2000
Joseph Haydn, Kritische Ausgabe sämtlicher Symphonien, Vorwort von H. C. R. Landon, UE, Wien, 1963
Wikipedia, "Marie Antoinette", darin zitiert der Abschiedsbrief an die Schwägerin Madame Élisabeth

22
Sep
2009

prominenter Vorgänger...

Busch

Fritz Busch 1927 beim Dirigat in der SemperoperFoto: U. Richter/Archiv SSD

"Die Staatskapelle erhält drei „Klassik-Echos“ – einen für die längst überfällige Aufarbeitung der Ära des 1933 aus Dresden verjagten Chefdirigenten Fritz Busch.

Die Sächsische Staatskapelle macht diesmal die „Echo“-Musik. Das Dresdner Orchester spielt nicht nur zur Verleihung der Klassik-Preise am 18. Oktober in der Semperoper auf. Die Kapelle erhält gleich drei Ehrungen für CDs – als Orchester des Jahres für eine markante neue Neunte von Bruckner, als Begleitensemble für das formidable Debüt von Starbass René Pape und für eine vierteilige CD-/DVD-Box historischer Aufnahmen."


Mit diesen Zeilen macht die SÄCHSISCHE ZEITUNG morgen auf einen Dirigenten aufmerksam, der nicht nur zu den großen seiner Zeit und speziell der Sächsischen Staatsoper und ihrer Kapelle gehörte - nein, er war sich nicht zu fein, daneben auch noch als Liedermeister des Lehrergesangvereins zu fungieren. Dieser Chor - zunächst ein riesiger Männerchor, Busch fügte 1928 einen Damenchor hinzu - war der 'Vorgängerverein' der jetzigen Singakademie Dresden. Wir und ich selbst als deren Leiter freuen uns, nicht nur auf ein so ehrendes Erbe zurückblicken zu dürfen, wir freuen uns vor allem, daß die Tradition gemeinsamer Konzerte mit der Sächsischen Staatskapelle erhalten geblieben ist. Nächstes Konzert am 10. Oktober mit dem Requiem von Brahms, der 1. Szene aus "Moses und Aron" und dem "Überlebenden aus Warschau" von Arnold Schönberg.

12
Sep
2009

Prolog zum Jubiläum

SAD-2009

Vorschau auf ein interessantes Konzertprojekt am 9. und 10. Oktober 2009:

9. Oktober, Lukaskirche Dresden, 19.30 Uhr

Ekkehard Klemm, PSALMEN nach Texten von Christoph Eisenhuth
Gesprächsrunde zum Thema Komponieren und Dichten in der DDR
(mit Manfred Weiß, Wilfried Krätzschmar, Jörg Herchet, Christoph Eisenhuth, Michael Wüstefeld)

10. Oktober, Lukaskirche Dresden, 16.30 Uhr

Arnold Schönberg, Moses und Aron, 1. Szene
Johannes Brahms, Ein deutsches Requiem, Satz 1-6
Arnold Schönberg, Ein Überlebender aus Warschau
Johannes Brahms, Ein deutsches Requiem, Satz 7

Das 125-jährige Jubiläum der Singakademie Dresden fällt zusammen mit dem Gedenken an den Mauerfall in Deutschland vor 20 Jahren. Erinnern, Freude und Dankbarkeit über eine 125-jährige Vereinsgeschichte, Rückblicke und Ausblicke greifen ineinander.

Das Konzert am 10. Oktober 2009 knüpft an eine lange Tradition musikalischer Zusammenarbeit in Dresden an: von 1923 – 1933 war Fritz Busch neben seiner Tätigkeit als Generalmusikdirektor der Dresdner Oper gleichzeitig "Liedermeister" des Lehrergesangvereins. Er fügte dem reinen Männerchor 1928 die Damen hinzu und etablierte mit der Sächsischen Staatskapelle eine ständige Zusammenarbeit, die seither eine regelmäßige Konstante des Chorlebens darstellt. Zum 120-jährigen Jubiläum mündete sie in eine Aufführung des Requiems von Verdi, nachdem die Singakademie in den Jahren zuvor auch bei Konzerten und (mittlerweile mit einem "Echo" prämierten) CD-Aufnahmen u.a. der Totenmesse von Berlioz beteiligt war.

Die Tradition der gemeinsamen Aufführung des "Deutschen Requiems" von Johannes Brahms besteht schon seit Jahrzehnten. Gleichzeitig zeichnete sich die Singakademie gerade in den letzten Jahren durch programmatische Akzentsetzungen aus: Werke zeitgenössischer Komponisten, Ur- und Erstaufführungen prägten immer wieder die Konzerte des Chores, das Vertrauen auf zu Bewahrendes wurde stets durch das Aufbrechen des Bewährten kontrastiert, um dadurch Reibungsflächen zu schaffen, die Raum geben für neue Entwicklungen. Diese beiden Linien sollten gerade in den Jubiläumskonzerten auch ihren Niederschlag finden.

Das Nachdenken über 20 Jahre Mauerfall, über Schuld und Verstrickung, über Vergebung und Befreiung, über Diktatur und Demokratie – über Deutschland allgemein ist deshalb Anlass, der 'traditionellen' Aufführung des Requiems von Brahms zwei Werke von Arnold Schönberg entgegenzustellen: die Eröffnungsszene aus der Oper "Moses und Aron" sowie "Ein Überlebender aus Warschau". Während in der ersten Szene der Oper "Moses und Aron" mit Moses' Berufung durch Gott (Stimme aus dem brennenden Dornbusch) der Beginn der monotheistischen Religion musikalisiert wird, markiert "Ein Überlebender aus Warschau" das Überleben des Gottesgedankens im Terror des Holocaust: die zum Gang ins Gas abgezählten Juden stimmen das alte jüdische Gebet "Shema Yisroel" an.

"Denn wir haben hie keine bleibende Statt", heißt es bei Johannes Brahms mit den Worten des Hebräer-Briefes: für niemanden bekam diese Aussage schrecklichere Gewissheit als für die Juden in der Zeit des Naziterrors. Dem triumphalen C-Dur des 6. Satzes wird deshalb Schönbergs "Überlebender" antworten, bevor der 7. Satz mit dem "Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben" (Offenbarung des Johannis) die Brücke zur ersten Szene des "Moses" schlagen wird: es ist derselbe Herr, von dem dort wie hier geredet wird. Die Brüchigkeit alles Redens von Gott hat nach Bach fast alle Komponisten beschäftigt: Mozart – gläubig und sicher tief religiös, aber kein praktizierender Katholik –scheiterte gerade bei seinen bedeutendsten geistlichen Werken, die fragmentarisch blieben; Mendelssohn entdeckte gegen Ende seines Lebens zunehmend seine jüdischen Wurzeln und integrierte in seinen "Elias" synagogale Gesänge; Brahms wollte das Wort "deutsch" durch das Wort "Menschen" ersetzen – "Ein Menschen-Requiem" hätte dann der Titel des Werkes geheißen, das oft als ein typisch protestantisches bezeichnet wird, dies aber in der Einschätzung der Apologeten mehr ist als in dem vom Komponisten intendierten Sinn.

Diese letzte Überlegung war der Anstoß, das Ungewöhnliche zu wagen, "Shema Yisroel" mit "Selig sind die Toten" zu verbinden, mit Schönbergs Kantate das Requiem von Brahms zu unterbrechen und dennoch zu hoffen, dieser Kontrast möge weder als Zertrümmern eines beliebten Stückes noch als Vereinnahmung jüdischen Gedankenguts für "christliche" Sichtweisen missverstanden werden. Angesichts des Geschehenen kann ohnehin nur gelten, sich zu verneigen. Das geschieht in dieser Gegenüberstellung m.E. besonders signifikant. Beiden Werken, dem Requiem wie der Kantate ist die Hoffnung auf den Sinn des Gottesgedankens zu eigen, wie sie just in der ersten Szene des "Moses" formuliert wird. Fast fühlen wir uns an die Worte des Vaters von Felix Mendelssohn Bartholdy, Abraham, erinnert, der seinem Sohn schreibt: "…ich hatte gelernt, … , daß die Wahrheit nur Eine und ewig, die Form aber vielfach und vergänglich ist…". Oder, um mit Christoph Eisenhuth zu sprechen:

Bilder in Spiegeln entworfen
Die unverhoffte Wendung füllt sie aus
Seitenverstellt in der Höhe verschoben
Tränen halten ihre Dimensionen zusammen


Im Konzert am 9. Oktober steht die Erinnerung an die Ereignisse vor 20 Jahren im Mittelpunkt. Ich selbst – fasziniert von den Gedichten Christoph Eisenhuths – schrieb im Jahr 1988 das Stück "Psalmen", das unmittelbar vor der 'Wende' uraufgeführt wurde und 1989 u.a. im gerade rekonstruierten Greifswalder Dom erklang. Töne, Text und politische Ereignisse durchdrangen sich auf merkwürdige Weise – wie sicher in vielen Werken der damaligen Zeit. Darüber zu berichten soll Thema einer Gesprächsrunde mit Dresdner Künstlern im Anschluss sein.

Allen Mitwirkenden sei bereits an dieser Stelle für das besondere Engagement für diese ungewöhnlichen Konzerte gedankt! Wir freuen uns, dass namhafte Künstler wie Olaf Bär und ein Orchester vom Range der Sächsischen Staatskapelle ebenso beteiligt sind wie junge Soli, Musikerinnen und Musiker der Sinfonietta Dresden (am ersten Abend). Ganz herzlich begrüßen wir die Gäste des Münchner Motettenchores und Mitglieder des Bad Hersfelder Festspielchores, die sich nach Dresden auf den Weg machen werden, um gemeinsam 125 Jahre Singakademie Dresden und 20 Jahre Mauerfall zu feiern – eine Geste, über die wir uns besonders freuen!

6
Aug
2009

Friedrich Goldmann, 1941 - 2009

Goldmann

Es war irgendwann in den 80-er Jahren, als ich in einem Sinfoniekonzert in Chemnitz - damals Karl-Marx-Stadt - den alten Kantor Matthes traf, der die Ausbildung der jungen Kruzianer in der Stadt innehatte und uns mit Vokalübungen, vor allem aber mit Musiktheorie und dergleichen 'versorgte', damit wir als 9-10-jährige die Aufnahmeprüfung beim gestrengen Rudolf Mauersberger in Dresden besetehen konnten. Goldmann war sein erster Aspirant - ich war sein letzter; eine merkwürdige Brücke, die uns verband, ohne dass der eine vom anderen gewusst hätte. In jenem Konzert erzählte Matthes, er habe Goldmann früher gesagt: "Wenn Du mal so berühmt wirst wie Mauersberger selbst, ziehe ich den Hut vor Dir!" Und er fügte humorvoll hinzu, dass er nun, Anfang der 80-er, den Hut langsam bereitlegen müsse...

Damals war Goldmann mittlerweile ein bekannter Komponist, wurde auf Festivals im In- und Ausland gespielt und hatte mit seinem avancierten Ansatz des Komponierens als unbequemer Geist in der DDR auf sich aufmerksam gemacht. Ich verehrte ihn, ganz besonders, nachdem ich sein Violin-, sein Klavier- und sein Oboenkonzert gehört hatte - alles hervorragende, wirkungsvolle Werke, deren man sich dringend erinnern sollte. Als einer der wenigen hatte er auch nach 1989 Erfolg, wurde Professor an der UdK in Berlin und seine Werke wurden von bedeutenden Orchestern und Dirigenten gespielt. Nichtsdestotrotz haben es die ehemaligen "DDR-Komponisten" im Repertoire schwerer als die ehemaligen Kollegen des Westens wie etwa Rihm oder Reimann, denen Goldmann absolut gleichzusetzen ist in Bedeutung und Schönheit des Oeuvres!

Im letzten Herbst hatte ich die Ehre, aus Anlass der Eröffnung des neuen Konzertsaales der HfM Carl Maria von Weber Dresden ein neues Werk von Goldmann uraufzuführen. Es sollte sein letztes großes Orchesterwerk werden - "Wege Gewirr Ausblick". Vieles aus dem Werk und auch aus der Zusammenarbeit daran erhält nun eine ganz besondere Bedeutung.

Goldmann starb Freitag vor einer Woche in Berlin. Die Einführung zum Stück ist hier nachzulesen.

17
Jun
2009

Historisches Konzert am kommenden Samstag im Palais des Großen Gartens in Dresden

Mendelssohn

Im Jahr 1849 jährte sich der Geburtstag Goethes zum 100. Mal. Aus diesem Anlass fand ein musikgeschichtlich seltenes und interessantes Ereignis statt – eine Ringuraufführung. Der (spätere) dritte Teil von Schumanns "Faust-Szenen" erklang gleichzeitig unter Julius Rietz in Leipzig, unter Franz Liszt in Weimar und im Palais des Großen Gartens unter Schumanns eigener Leitung in Dresden, wo die Familie sechs Jahre gelebt hatte, bevor sie nach Düsseldorf zog. Die Dresdner Aufführung, bei der auch Mendelssohns "Erste Walpurgisnacht" erklang, mündete in eine Art Volksfest, "an verschiedenen Punkten des Gartens" wurde "gesungen, musiziert und jubiliert". Musikfestspiele anno 1849...?!

Der Dresdner Musikwissenschaftler Hans John hat die Dokumente dieses Konzertes akribisch zusammengetragen und 2001 in den "Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft" veröffentlicht. Demnach gab es ein Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten, das aus 27 Personen bestand, unter ihnen Kreuzkantor Julius Otto, C. G. Carus, Eduard Devrient, Kreuzschulrektor Julius Klee, Oberbürgermeister F. W. Pfotenhauer, Hofkapellmeister C. G. Reißiger und eben Schumann selbst. Nachdem die revolutionären Mai-Ereignisse zunächst viel Verwirrung hinterlassen hatten und das Hoftheater sogar wochenlang geschlossen blieb, erschien am 4. August 1849 eine Annonce zu den Goethe-Feierlichkeiten incl. eines Spendenaufrufes. Schumann selbst hatte wegen seiner demokratischen und republikanischen Gesinnung keinen leichten Stand in Dresden; das Hauptkonzert der Feierlichkeiten dirigierte Hofkapellmeister Reißiger, der auch im Palais-Konzert die Walpurgisnacht von Mendelssohn leitete. Als Orchester stand die Hofkapelle zur Verfügung, die Chöre waren der Chorgesangverein und die Dreyßig'sche Singakademie. Schumann dirigierte seinen "Faust" selbst. Von einer Unterstützung Claras ist die Rede – worin diese bestand, bleibt offen, ein Klavier ist nicht besetzt im Stück.

Das Konzert am 20.06.09 um 19.30 Uhr im Palais des Großen Gartens stellt dieses "historische Konzert" nach und will damit nicht zuletzt die Aufmerksamkeit auf zwei Dinge lenken: auf den DRESDNER Komponisten Robert Schumann, der hier seine fruchtbarsten Schaffensjahre verbrachte, und auf das Palais als einen Ort, in dem Kunst- und Musikgeschichte geschrieben wurde!

Unter Leitung von GMD Georg Christoph Sandmann erklang das Programm bereits in Sinfoniekonzerten in Plauen und Zwickau (dort innerhalb der Zwickauer Musiktage 2009). Wir danken dem Theater und dem Philharmonischen Orchester Plauen-Zwickau für die gemeinsame Arbeit und wundervolle Kooperation!





Felix Mendelssohn Bartholdy, "Die erste Walpurgisnacht" - eine Einführung
(eine Einführung zu Schumanns Faust-Szenen findet sich hier.



"Musik im besten Sinne bedarf weniger der Neuheit, ja
vielmehr je älter sie ist, je gewohnter man sie ist, desto mehr
wirkt sie."

(Goethe, Maximen und Reflexionen)


"Man muß Mendelssohns Töne hören, um zu ermessen, was alles ein so reichhaltiger Stoff einem geschickten Komponisten darbietet. Er hat ihn wunderbar benutzt."

(Berlioz über eine Aufführung der "Walpurgisnacht")



Das Spannungsfeld des musikalisch eher konservativ orientierten und von Zelter entsprechend unterrichteten Goethe und des musikalischen Neuerers Berlioz, über dessen "Niesen" und "Prusten" in der Musik sich Zelter gegenüber Goethe mokierte (wiewohl Berlioz Goethe verehrte!) – dieses Spannungsfeld wirft im Falle der "Ersten Walpurgisnacht" ein überaus interessantes Licht auf Mendelssohn, ist doch seine sinfonische Kantate oder Ballade ein tatsächlich sehr vorwärtsweisendes Werk, es hätte sonst auch kaum den Beifall aus Frankreich erhalten!

Zelter selbst hatte sich nicht zur Vertonung der "Walpurgisnacht" entschließen wollen, ihm hatte der Text seit 1799 vorgelegen. Er habe "die Luft nicht finden" können, "die durch das Ganze weht". Nach Mendelssohns letztem Aufenthalt in Weimar und während der darauffolgenden Italienreise reifte die Komposition in Felix' Kopf. In einer ersten Fassung wurde sie 1831 fertiggestellt, 1843 aber überarbeitet und als solche am 2. Februar 1843 im Gewandhaus zu Leipzig unter Teilnahme u.a. von H. Berlioz aufgeführt.

In vielerlei Hinsicht bricht das Werk mit Traditionen und gehört somit zu Mendelssohns 'modernsten' Kompositionen. Schon die Gattungsbezeichnung gibt Rätsel auf: kein Oratorium, eher eine Kantate, vielleicht aber doch lieber eine Ballade? Zudem wird Goethes Text um ein entscheidendes Stück erweitert, indem der Komponist unter dem Titel "Das schlechte Wetter" eine furiose Ouvertüre hinzufügt, die noch dazu durch ihre monothematische Anlage eine veritable Novität darstellt und die Eigenheit der Musik gegenüber der Dichtung eindrucksvoll unterstreicht. Der Biograph Wulf Konold (Felix Mendelssohn Bartholdy und seine Zeit, Regensburg 1984) hält die Ouvertüre für eines der "formal stringentesten und orchestral überzeugendsten Vorspiele" Mendelssohns und verweist auf die Entwicklungslinien, die von hier über die Schottische Sinfonie bis hin zu Richard Wagner führen.

Doch um das Werk und sein Verständnis weiter zu erhellen, sei ein Blick auf zwei wichtige biografische Hintergründe und sodann ein zweiter auf die neuere Mendelssohn-Literatur geworfen.


Künstlerfreundschaft mit 60 Jahren Altersdistanz

Goethe lernte den Komponisten Mendelssohn 1821 kennen, als dieser 12 war. Zelters Ankündigung des Besuchs wirft ein Schlaglicht auf den Geist der Zeit: "Er ist zwar ein Judensohn, aber kein Jude. Der Vater hat mit bedeutender Aufopferung seine Söhne nicht beschneiden lassen und erzieht sie, wie sich's gehört; es wäre wirklich einmal etwas Rares, wenn aus einem Judensohne ein Künstler würde." – ein Brief, der den Unmut der Familie Mendelssohn hervorrief. Zunächst existierte die Bewunderung für das Talent des Knaben. Doch bereits 1825 notiert Mendelssohn "…wenn einem Göthe Champagner anbietet, und einschenkt, darf man ihn doch nicht ausschlagen?" Einige Briefzitate wenig später bezeugen trotz des Champagners, dass Goethe für Mendelssohn eine unumstößliche Autorität blieb. Es spricht umso mehr für Mendelssohns freien Künstlergeist und seine menschliche Integrität, wenn er beim dritten und letzten Besuch im Jahr 1830 dem Weimarer Dichterfürsten Musik von Beethoven vorspielte: "An den Beethoven wollte er gar nicht heran. – Ich sagte ihm aber, ich könne ihm nicht helfen, und spielte ihm nun das erste Stück der C-Moll-Symphonie vor. Das berührte ihn ganz seltsam." An Zelter schrieb Goethe, Mendelssohn habe ihm Bach, Mozart, Haydn und Gluck neu zum Leben gebracht, "von den neuern Technikern" habe er ihm "hinreichende Begriffe gegeben" und auch eigene Stücke vorgestellt. Goethe nötigte den jungen Komponisten sogar, länger in Weimar zu bleiben, was dieser nicht bereute, sondern diesen Tag als einen ganz besonderen erlebte. Es hatte sich über die Altersdistanz von 60 Jahren tatsächlich eine Künstlerfreundschaft entwickelt.

"…die Wahrheit nur Eine und ewig"

Ein zweiter wichtiger Hintergrund im Zusammenhang mit einem Stück, in dem über die "dumpfen Pfaffenchristen" gelästert wird, kann an dieser Stelle nicht übergangen werden: Mendelssohns jüdische Herkunft. Großvater Moses, der Philosoph, der Lessing zur Ringparabel inspirierte und die Emanzipation der Juden in Preußen einleitete, wurde – von Dessau kommend – in Berlin noch als Jude registriert, der neben soundso viel Ochsen und Schweinen das Tor passierte. Von dort bis zum ersten im europäischen Maßstab erfolgreichen jüdischen Komponisten (einzig Meyerbeer hatte noch ähnliche Berühmtheit) war ein zeitlich ebenso kurzer wie dennoch steiniger Weg, der in den 1840-er Jahren, also zur Zeit der Entstehung der Umarbeitung der Walpurgisnacht und später des "Elias" eher schon wieder ins Schlingern geriet. Die Mitte dieses dünnen Pfads stellt die protestantische Taufe der Kinder Fanny, Felix, Rebecca und Paul im Jahr 1816 dar sowie der Übertritt des Vaters Abraham (des Sohnes von Moses) und seiner Frau Lea im Jahr 1822. Im guten Glauben, den Kindern das Beste getan zu haben und durchaus in der kritischen Distanz zum zurückgebliebenen, dem Mittelalter verhafteten Judentum der Zeit ermahnt Abraham Felix 1829: "Du kannst und darfst nicht Felix Mendelssohn heißen." In London war der seit dem Übertritt angenommene Zusatzname Bartholdy auf Plakaten weggelassen worden. Das hatte den Zorn des Vaters erregt. Seine Antwort auf die väterlichen Ermahnungen ist erst in den letzten Jahren teilweise wieder rekonstruiert worden – alles in allem hat Felix wohl kühl reagiert.
Im gleichen Brief äußert sich Abraham zu seinen Erziehungsprinzipien und schreibt: "…ich hatte gelernt, … , daß die Wahrheit nur Eine und ewig, die Form aber vielfach und vergänglich ist, und so erzog ich Euch, solange die Staatsverfassung unter der wir damals lebten, es zugeben wollte, frei von aller religiösen Form…" Die jüdische bezeichnet er dabei als die veraltete, verdorbene und zweckwidrige, die christliche als die gereinigte.

In diesem Kontext nun wenig später von Felix ein Stück Literatur eines verehrten Dichters vertont zu sehen, das die Worte "Die Flamme reinigt sich vom Rauch: so reinig' unsern Glauben" beinhaltet, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, zumal dieser Glaube ganz eindeutig nicht der christliche ist, sondern vielleicht ein – möglicherweise durch Goethe inspiriert? – wie auch immer gearteter pantheistischer an den "Allvater", der dem alten Brauch der Walpurgisnacht huldigt und die Pfaffenchristen fliehen lässt, die ihrerseits Kinder und Väter hatten schlachten lassen und den "Heiden" Netze stellten, um mit ihrem Christenglauben den alten heidnischen zu überwinden.

"Frömmelnde Religiosität" oder jüdisches Bilderverbot?

Ausgerechnet an dieser Auseinandersetzung entzündet sich Mendelssohns Fantasie auf das Herrlichste und es scheint mehr als nur die Lust an Ironie und deftiger Klangmalerei zu sein, was ihn hier antrieb. In der neueren Mendelssohn-Literatur wird erheblich um das Thema gestritten. Eric Werner war wohl der Erste, der sich 1963 auf das Jüdische in Mendelssohns Biografie konzentrierte und von dort aus eine neue Sicht entwickelte. Inzwischen haben Jeffrey Sposato und Raphael Graf von Hoensbroech ("F. M. B.s unvollendetes Oratorium Christus", Kassel 2006) nachgewiesen, dass Werner unkorrekt argumentierte und sogar Zeugnisse für seine 'Neusicht' umgedeutet und verfälscht wiedergegeben hat. Mendelssohn als Juden zu rehabilitieren, wäre möglicherweise Werners Ziel unmittelbar nach dem Krieg gewesen. Sposato und Hoensbroech halten fest, dass Mendelssohn bis zum Tod des Vaters (1835) darauf bedacht gewesen sei, "seinen protestantischen Glauben darzustellen, die jüdische Vergangenheit hingegen zu verbergen. … Der Tod des Vaters verursachte eine Kehrtwende in Mendelssohns Sicht auf die Juden. Er schien nun mehr und mehr seine jüdische Herkunft anzuerkennen und war mit fortschreitendem Alter bereit, sie in seinen christlichen Glauben mit einzubeziehen."

Richard Hauser und Heinz Klaus Metzger ("Musik-Konzepte 14/15", München 1980) widmeten sich speziell der Kantate und lesen die "Walpurgisnacht" auf ihre Art: Hauser erwähnt die zeitliche Nähe der großen Oratorien und der Umarbeitung der "Walpurgisnacht" und attestiert dieser mit den Worten Ulrich Schreibers "frömmelnde Religiosität". Das außermusikalische Engagement des Komponisten habe seine Fantasie gelähmt, der provokanteste Vers ("Diese dumpfen Pfaffenchristen…") sei lediglich als Rezitativ vertont und über den Schluss des Werkes schreibt Hauser: "Wie Zelter hat auch er die Luft nicht finden können, die durch das Ganze weht, aus dem simplen Grund, weil in dem Ganzen schlicht keine Luft weht, vielmehr alles steril bleibt, ein pantheistischer Psalm auf einen allliebenden Allvater, der so blass bleibt wie alles, was über ihn gesagt wird: die All-Liebe ist nicht vertonbar, sie ist eine rhetorische Phrase, die gerade einem Mendelssohn keine Wärme einhauchen kann." Es sei kein Zufall, dass darum der Aktionschor "Kommt mit Zacken" der Höhepunkt der Komposition sei.

Metzger dagegen deutet das Stück konsequent vor dem jüdischen biografischen Hintergrund, spricht zwar selbstkritisch von einer Spekulation, die er aber mit brillanten Argumenten vorträgt, etwa, wenn die lange Ouvertüre ("Das schlechte Wetter") mit dem langen Winter der Juden in Europa in Verbindung gebracht wird. Metzger hört und liest das Werk als "jüdischen Protest gegen die Herrschaft des Christentums". "In feierlichem Wechselgesang zwischen Vorbeter/Kantor und Volk artikuliert Nr. 1 der Kantate den Jubel eines ersten Aufatmens ('…der Wald ist frei…') nach tausendjähriger christlicher Oppression", weiter geht es über die Warnung der alten Frau und der Weiber, die nicht weit hergeholt, sondern von historischer Erfahrung geprägt sei bis zu einem (Hohe)Priester, der an die Verzagten appelliert ("Wer Opfer heut zu bringen scheut, verdient erst seine Bande"), jedoch Vorsichtsmaßregeln zubilligt ("Doch bleiben wir im Buschrevier am Tage noch im Stillen"). "Dann aber laßt mit frischem Muth uns unsre Pflicht erfüllen" sei demnach eine Rückbesinnung auf das Gesetz Mosis wie der gesamte Zacken-Chor ein riesiger Aufschrei der gequälten Juden. Das von Hauser erwähnte Rezitativ avanciert damit zum Zentrum: es ist deklamierendes Rezitativ, damit das Ziel der "subversiven Demonstration" verstanden wird, nämlich die Überlistung der "dumpfen Pfaffenchristen". Und was die nicht vertonbare All-Liebe betrifft, so schreibt Metzger: "der 'Allvater' der Mendelssohnschen Komposition ist nicht der heidnische, pantheistische, idealistische, den Goethe seinen Pseudokelten andichtete, sondern 'Unser Gott und König, außer dem wir keinen König anerkennen', und seine 'Unvertonbarkeit' ist die moderne Gestalt des Bilderverbots…" (Für ein Bilderverbot, ließe sich einwenden, ist die Musik nun wieder zu stark und schön…)

Dieser – vielleicht spekulativen, jedoch ungemein überzeugenden – Argumentationskette sei noch ein von Metzger und Hauser nicht erwähnter Bezug hinzugefügt: "Dein Licht, wer kann es rauben", heißt es im Text. Und das Licht Mendelssohns am Ende der Walpurgisnacht leuchtet fast ebenso grell wie jenes in Haydns "Schöpfung", fortissimo und C-Dur. Zufall?

9
Jun
2009

Eine insgesamt wunderbare Erfahrung...

L-Amour

...war die Arbeit an "L'Amour de loin" von Kaaija Saariaho am Volkstheater Rostock, die jetzt eine nachträgliche Würdigung in der Zeitschrift OPERNWELT durch deren Chefredakteur erfuhr:

"Dem Volkstheater Rostock gelang eine überaus eindringliche Aufführung, die jedem größeren Haus zur Ehre gereichen würde. Ekkehard Klemm führte durch die komplizierte, weil und auch gerade im Filigran penibel ausgearbeitete Partitur, als wäre es die 'Kleine Nachtmusik'. Stets durchhörbar und doch von hohem sinnlichen Reiz das Klangbild; brillant die Verschmelzung mit der von Saariaho subtil genutzten Live-Elektronik. Weil im Graben nur Schlagwerk und Bläser, die Streicher aber auf der Seitenbühne und den Rängen saßen, entstand zudem ein Raumklangerlebnis, das über die Anordnung in der Salzburger Felsenreitschule hinausreichte. So macht man aus der Not eine Tugend. Der Chor meistert seine Nono-haften Aufgaben, als hätte er nie etwas anderes gesungen. ... Stillstehende Zeit und klingende Ruhe entfalten sich szenisch und musikalisch gleichermaßen präzise. Begeisterter Applaus in Anwesenheit der Komponistin.

Da kann ich nur mal rüberrufen: Danke für diese netten Worte - das Ensemble und das Rostocker Theater haben es sich verdient! Leider ist die Aufführung nicht mehr auf dem Spielplan. Und dem Regisseur Christian von Götz sei Dank für eine professionelle, inspirierte und partnerschaftliche Zusammenarbeit!

4
Jun
2009

Haydns SCHÖPFUNG

Haydn1

Es ist eine Auszeichnung, innerhalb von nur einer Woche zwei der bedeutendsten klassischen Werke, Mozarts ZAUBERFLÖTE und Haydns SCHÖPFUNG dirigieren zu dürfen - letztere kommenden Sonntag, 07.06.09 um 19.30 Uhr in der Himmelfahrtskirche Dresden Leuben in einer Aufführung mit der Singakademie und dem collegium 1704 aus Prag. (Und dazwischen übrigens vorgestern Abend ein Konzert mit moderner Musik aus Amerika innerhalb der Musikfestspiele - Varèse, Carter, Foss und Füting.) Die Soli werden Ute Selbig, Eric Stocklossa und Johannes Wollrab, sowie Inga Philipp sein.

Eine kleine und kurze Vorschau:

Haydns berühmtes Oratorium scheint uns allen wohlbekannt. In Dresden zumal mit seiner großen Chortradition erklingt es regelmäßig und oft. Erst letzte Woche war das Werk in der Semperoper und in der Frauenkirche in hochkarätigen Aufführungen zu erleben.

Dennoch dürfen wir uns über etwas Exklusivität freuen: Erstmals erklingt "Die Schöpfung" in Dresden im Gewand historischer Instrumente der Entstehungszeit. Das phantastische collegium 1704 aus Prag mit seinem Leiter Vaclav Luks hat bereits 2006 Webers Messen und eine Uraufführung mit uns musiziert – eine Fortsetzung dieser schönen Zusammenarbeit war ausgemacht und wir sind froh, dieses Vorhaben nun einlösen zu können.

Dabei müssen wir ehrlich sein – mit den ca. 180 Mitwirkenden der ersten Aufführungen von 1798 und 1799 können wir nicht mithalten. Jeweils 18 erste und zweite Geigen, je 12 Bratschen, Celli, Kontrabässe und alle Bläser außer den Posaunen dreifach besetzt… - das sind schwer vorstellbare Dimensionen. Die heutige Besetzung gleicht eher einer der damaligen "Privataufführungen". Es fehlt ein Fürst, der als Sponsor größerer Besetzungen eingesprungen wäre: "Der Adel bezahlt alle Kosten der Aufführung…" meldet die Allgemeine Musikalische Zeitung 1799 – die Einnahme blieb dem Komponisten. Paradiesische Verhältnisse!

Das Studium der Dokumente der Entstehungszeit ist durch die vorzügliche Aufarbeitung durch Georg Feder ("Joseph Haydn, Die Schöpfung", Kassel 1999) recht einfach möglich und hochinteressant. Haydn ließ den Chor VOR dem Orchester agieren, es gab zwei Dirigenten (einen Chormeister und Haydn für das Orchester, der nach zeitgenössischem Bericht den Takt "mit zwei Händen gab" und seine Empfindungen mit "nichts weniger als übertriebenen Bewegungen" kundzutun trachtete.) Haydns Schüler Sigismund Neukomm hat zudem Metronomzahlen überliefert, die von neueren Aufnahmen und Aufführungen nach wie vor sträflich missachtet werden: Sie bilden einen sehr logischen Mikrokosmos der Tempostruktur des Werkes, bei dem Vivace eben nicht sehr schnell heißt, sondern im Sinne Leopold Mozarts zwar "lebhaft", aber eingeordnet zwischen Allegretto und Moderato; bei dem Largo (Achtel = 80) langsamer ist als Adagio (Achtel = 112) und Regen und Schnee nicht plötzlich halb so langsam vom Himmel fallen (Neukomm notiert ausdrücklich "not slower" bei dieser und verschiedenen anderen Passagen).

So hoffen wir, mit einer "Schöpfung" im ungewohnten Klangbild überraschen zu können und staunen mit dem Publikum der ersten Aufführungen über die Schönheiten dieser einzigartigen Partitur!

ZAUBERFLÖTE mit der Hochschule für Musik

Zauberfloete-2009

Ein flüchtiger Eindruck der neuen ZAUBERFLÖTE der Dresdner Hochschule für Musik, die in den Räumen des Staatsschauspiels Dresden zur Aufführung kommt (Kleines Haus auf der Glacisstr.) und für dessen Bühnenbild sowie Kostüme junge Damen der Hochschule für Bildende Künste verantwortlich zeichnen.

Zwei Ausschnitte aus Kritiken:

Sollten wirklich schon weit mehr als drei Stunden vorüber sein? Ja, sagt der Blick auf die Uhr. Nein, sagt das Gefühl. Wie im Fluge ist die Zeit vergangen. Geschenkte Stunden im Kleinen Haus des Staatsschauspiels, wo erneut Studierende der Dresdner Hochschulen für Musik und Bildende Künste zu einem Opernprojekt zusammenkamen, das sich gänzlich hören und sehen lassen kann. Noch bis zum März nächsten Jahres gibt es dort eine Aufführung von Mozarts Oper „Die Zauberflöte“, deren ästhetischer Reiz als so gelungenes, weil so authentisches studentisches Projekt von besonderem Charme ist. Gemeinsam mit den Inszenierungen der Sächsischen Staatsoper und der Staatsoperette hat Dresden von den guten Dingen drei, und das ist in diesem Falle wirklich gut so.
Ekkehard Klemm als musikalischer Leiter und Andreas Baumann als Regisseur setzen verantwortungsbewusst Grenzen und regen dazu an, innerhalb derer ein unwahrscheinlich hohes Maß an Freiheiten zu erkunden. Und das ist es, was diesen frisch und zügig dirigierten Abend mit den ungewöhnlichen aber mozartischen, energischen Akzenten des Cembalos im Hochschulorchester so kostbar macht, es ist der Geist der Freiheit, der hier im Theater weht und allen wohl tut. Nicht die Perfektion steht im Vordergrund – von verblüffenden Leistungen wird dennoch zu berichten sein – sondern Lust am Spiel, am Gesang, am Musizieren, am Gestalten einer zeitlosen Geschichte mit zeitgemäßen Mitteln einer so wachen wie sensiblen, vor allem begabten Gruppe junger Künstlerinnen und Künstler.


(B. M. Gruhl, Dresdner Neueste Nachrichten vom 3.6.09)

Mit Witz und Charme, doch ganz ohne Extravaganzen

Hört und sieht sich gut an: Mozarts „Zauberflöte“, eine Inszenierung der Dresdner Hochschule für Musik.
Die „Zauberflöte“ ist Chefsache an der Dresdner Hochschule für Musik: Der Leiter der Opernklasse, Prof. Andreas Baumann, inszenierte. Prof. Ekkehard Klemm stand am Pult der Premiere am Wochenende im Kleinen Haus. Klemm musiziert mit dem klein besetzten Hochschulsinfonieorchester einen klaren, sängerfreundlichen Mozart ohne konzeptionelle Extravaganzen. Er weiß, was er will, und die Musiker können, was sie sollen. Das hört sich sehr gut an.

In bewährter Zusammenarbeit mit der Hochschule für Bildende Künste erstellte Sophie du Vinage das schlichte, vielfältig deutbare Bühnenbild. Ein rundes, weißes, leicht nach vorn gekipptes Spielpodest ist überrahmt von einem klaren schwarzen Dreieck, das eine helle Wand verschließen kann. So entstehen Spiel- und Assoziationsräume ohne Schnörkel. Einfach sind auch die Kostüme von Lisa Däßler. Schwarze Hosen und weiße Frackhemden, dunkle Alltagssachen mit weißen Gummistiefeln, Prinz Taminos Kniebundhose ist sauber aufgekrempelt und verwandelt, heruntergestreift, den Prinzen in einen normalen jungen Mann. Die Inszenierung von Andreas Baumann ist eine gelungene Hochschul-Arbeit, die mit den jungen Darstellern auf Entdeckungsreise zu den Figuren geht.


(J. D. Schubert, Sächsische Zeitung vom 2.6.09)

Weitere Vorstellungen am 10.06., 13.06. und 15.06. Informationen unter www.hfmdd.de
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