16
Mai
2007

...und auch dieser Text sollte erwähnt werden:

Während seiner Intendanz am Gärtnerplatztheater, dem letzten Refugium der deutschen Spieloper und der Operette in München, hatte Klaus Schultz dem zeitgenössischen Musiktheater eine Nische eingeräumt und damit das Stammpublikum seines Opernhauses erweitert. Sein designierter Nachfolger Ulrich Peters schraubt diese Ambitionen zurück und will die einstige Alleinherrschaft der leichten Muse wieder herstellen: Johann Strauß statt Dieter Schnebel. An der Münchner Staatsoper atmet man erleichtert auf, hatte man hier doch den bisherigen Kurs des Gärtnerplatztheaters mit all seinen Repertoireüberlappungen argusäugig beobachtet. Was für ein schöner Seitenhieb auf den Konkurrenzbetrieb und den künftigen Theaterleiter, dass sich Klaus Schultz für seine letzte große Premiere nun ausgerechnet Luigi Nonos epochales Werk "Intolleranza 1960" ausgesucht hat.

Die ganze Kritik von Stephan Schwarz in der Stuttgarter Zeitung hier!

...tja Freunde...

... - nun haltet Euch fest: das sagt die Süddeutsche über mein Tun am Sonntag abend:

Bezeichnend und ein wenig verwirrend ist es schon, dass diese letzte große Premiere der Schultz-Zeit nicht von David Stahl, dem Musikchef des Hauses, dirigiert wird. Statt seiner steht, wie schon so häufig, der fabelhafte Ekkehard Klemm am Pult, und Regisseurin Florentine Klepper hat ihn endlich einmal dort hingestellt, wo er hingehört: ins Zentrum, oben auf die Bühne, wo sich Orchester und Chor befinden. Klemm ist ein mitreißender Handwerker, einer, der Rossini so ernst nimmt wie Nono, der federnd befeuern, sensibel begleiten kann, der sich vor nichts fürchtet und neugierig ist, aber nie unkritisch. Der ideale Musiker für solch ein Haus. Nonos lyrisch verzweifelte und hochexpressiv romantische Klage dirigiert er wie die einfachste Sache der Welt. Schlicht und genau schafft er mit den Musikern "atmendes Klarsein", das elegant betörend vom Stillstand sich aufschwingt in gellende Verzweiflung, sich dann entspannt, verflüchtigt. Dazu lässt sich dieses Hausorchester verführen, zu dieser Brillanz kann es fähig sein.

- oder, wie ein Künstlerkollege treffend bemerkte: so eine Kritik bekommt man nur einmal im Leben. Wie alles muß sie relativiert werden: die Oper DAS BEBEN ist nicht nach Kafka, sondern nach Kleist; und sicher hätte der Gärtnerplatzchor einiges mehr live hinbekommen - Nono aber schreibt Lautsprecher und Tonband vor... Trotzdem, verehrter Brembeck: danke für diese Blumen.

Leider kommt die Regie weniger gut weg - was ungerecht ist: Florentine Klepper hat sich auf das Orchester auf der Bühne eingelassen und daraus Konzept gemacht. Das bekommt sie nun teilweise vorgeworfen. Anders aber hätte das Stück überhaupt nicht gespielt werden können - in den Graben paßt es nicht im Gärtnerplatz. Und die Bilder, die sie gefunden hat, sind keine Bebilderungen der Geschichte, sondern befassen sich mit unserer Art der Auseinandersetzung mit Folter, Krieg und Unterdrückung. Schade, daß das offenbar nicht verstanden wird. Auch die allseits (in den anderen Zeitungen) kritisierte Schauspielszene in der Mitte ist mehr wert, als die Kritik vermeint: Nono wollte an dieser Stelle Absurditäten des Alltags (von 1960!) vorführen lassen (ohne Musik) - jetzt steht ein Text dort mit den Absurditäten von heute von Klimakatastrophe über Versicherungsgesellschaften bis hin zu Weltmarkt und Behörden. Schlagwörter von heute in einem Kassandratext: die Katastrophe hat bereits stattgefunden. Das wurde nicht verstanden, stattdessen wird der Text abgestraft und als dem großen Nono gegenüber nicht ebenbürtig eingestuft. Ich meine, Nono hätte diese Idee der Aktualisierung interessant gefunden - er war immer auf dem Weg. Stattdessen wird er nun schon glorifiziert - das dürfte den eigentlichen Absichten zuwider laufen.
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