31
Mai
2007

...

die Deutschen sind immernoch relativ normal und so wie immer: die Seiten der Stiftung Warentest werden am meisten abgerufen wegen

1. Digitalkameras - Stichwort Familie, Urlaub
2. Staubsauger - Stichwort Sauberkeit
3. Fernseher - ...
4. Matratzen

(lt. Rundfunkmeldung vom Abend)

29
Mai
2007

Konzert am Samstag

brundibar_hagibor

Der Abend mit Dr. Michaela Vidláková aus Prag, die als 6-jähriges Mädchen die obige Aufführung in den Mauern des Ghettos Theresienstadt miterlebt und uns am 22. Mai davon und über vieles andere berichtet hat, klingt noch in uns nach - hier ein kleiner Vorausblick für unser Programmheft:

Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer,


zu dem heutigen Konzert darf ich Sie allen Ernstes so begrüßen, denn seit langem wird es neben zu Hörendem auch etwas zu Schauendes geben: in der szenischen Einrichtung von Christiane Kapelle stellt der Kinderchor die Oper BRUNDIBAR von Hans Krása vor, ein Stück, dass in dieser Version auch schon auf der USA-Reise im Februar aufgeführt wurde. In vielen Proben und einigen Zusatzveranstaltungen haben sich die jungen Leute dem Stück und seiner besonderen Geschichte genähert: sie besuchten die Synagoge in Dresden und trafen in Michaela Vidláková eine Zeitzeugin, die als Sechsjährige Aufführungen des Werkes in Theresienstadt selbst miterlebt hatte.

Um junge Leute geht es uns heute abend ganz besonders. Neben dem Kinderchor begrüßen wir einige ehemalige Kruzianer, die die hohen Stimmen unserer älteren Mädchen zum gemischten Chor in Carissimis JEPHTE runden und teilweise auch Purcells DIDO mitsingen. Aber auch am Pult stehen heute die jüngeren Leute – fördern und fordern wollen wir nicht als Floskel benutzen, sondern ernst nehmen und den Weg des Dirigierseminars im letzten Herbst fortsetzen.

Der Kontrast der 3 Stücke hat uns besonders gereizt! In einer Zeit, in der Selbstmordattentäter Angst und Schrecken verbreiten und der SPIEGEL aktuell den Kreuzzug der neuen Atheisten beleuchtet (Titel: Gott ist an allem schuld) werfen wir den Blick

- auf einen alten biblischen Stoff, in dem eine erstaunlich brave Tochter den idiotischen Schwur des Vaters nicht in Frage stellt, dagegen der Komponist uns einiges mitteilt über seine Sicht
dieser alttestamentarischen Grausamkeit

- auf ein Stück, das Kindern und Erwachsenen vorgespielt wurde, die samt den Ausführenden anschließend fast ausnahmslos ins Gas geschickt wurden

- auf die ehemals phönizische Prinzessin Dido, die – leidgeprüft durch Krieg und Gewalt – ein letztes Mal sich verliebt: in einen Kriegsherren, der schließlich die Erfüllung seiner militärischen Pflichten über jene der Liebe stellt...

Und all das tatsächlich unter Berufung auf Götter oder Ideologien.

Die Musik erzählt uns nicht von Göttern und Ideologien, sondern von Menschen und deren Empfindungen, von Leid, aber auch von Hoffnung. Gerade aus dem finsteren Ghetto dringt die kraftvollste Ermutigung.

Ein Thema für junge Leute, ausgeführt und dargestellt von jungen Leuten. Aktueller können wir nicht sein – ich wünsche Ihnen einen interessanten Konzertabend!

Mehr unter www.singakademie-dresden.de.

Matthias Rust

Cessna

Was haben wir damals gelacht im Osten, als Rust auf dem Roten Platz landete - für uns noch sehr lange vor der Wende...

Kleine Pointe zu diesem Artikel der Frankfurter Rundschau: laut Rundfunk, so hörte ich, sei Rust heute - professioneller Pokerspieler.

Sind wir das nicht irgendwie alle?

26
Mai
2007

...und hier noch der köstliche Beitrag des Schriftstellers Brussig zum aktuellen Thema

"Urinkontrollen während der Buchmesse, das ist doch lachhaft. Da sind die Bücher doch längst geschrieben. Unangemeldete Kontrollen gibt’s so gut wie nie. Grass lebt monatelang in Dänemark, Birgit Vanderbeke in Frankreich, Ingo Schulze geht eben mal für ein ganzes Jahr nach Italien, Juli Zeh taucht immer wieder auf den Balkan ab, und Christian Kracht ist mal in Thailand, mal in Sri Lanka, mal in Nepal. Radek Knapp verschwindet für Monate nach Polen. Daniel Kehlmann war letztens wochenlang in Kasachstan. Und bei einem Christoph Ransmayr weiß man eh nie, wo er ist. Ich will den Kolleginnen und Kollegen ja nichts unterstellen. Was ich sagen will: Es ist überhaupt kein Problem, den Kontrollen zu entgehen."


Das ganze Interview über diesen Link.

Beethoven

Von Zeit zu Zeit gräbt man sich in besonderer Weise in Komponistenbiografien und Werke ein - meist im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Aufführung. Das rechts annoncierte Buch des Beethoven-Forschers Klaus Kropfinger ist sensationell und inspirierend. In größter Dichte und Fülle wird darin der Stand der Dinge (von etwa 2000) zusammengefaßt, kommentiert und kritisiert. Ich mußte ein kaputtes Stimmband und einen eineinhalbtägigen Krankenhausaufenthalt auferlegt bekommen (meine erste Vollnarkose...), um über die ersten 100 Seiten dieses wichtigen Buches zu kommen.

Mittlerweile träume ich schon von der Missa solemnis - wobei heute Nacht eine 5. Solostimme auftauchte, von der ich nicht wußte, was sie zu singen habe (es gibt sie nicht!), was wiederum zu selbstkritischen Gedanken zum Studium der Partitur führte. Außerdem der Dauerbrenner: kurz vor'm Konzert fehlt irgendein Anzugteil, Fliege, Hose, Hemd oder sonstwas - aber draußen wird schon musiziert... Ein Klassiker im Alptraumrepertoire eines Dirigenten.

Einzige Deutungsmöglichkeit: Beethoven und seiner Missa nicht gewachsen. Laß die Finger davon.

Werde ich aber nicht tun. Jetzt erst recht nicht!

16
Mai
2007

...und auch dieser Text sollte erwähnt werden:

Während seiner Intendanz am Gärtnerplatztheater, dem letzten Refugium der deutschen Spieloper und der Operette in München, hatte Klaus Schultz dem zeitgenössischen Musiktheater eine Nische eingeräumt und damit das Stammpublikum seines Opernhauses erweitert. Sein designierter Nachfolger Ulrich Peters schraubt diese Ambitionen zurück und will die einstige Alleinherrschaft der leichten Muse wieder herstellen: Johann Strauß statt Dieter Schnebel. An der Münchner Staatsoper atmet man erleichtert auf, hatte man hier doch den bisherigen Kurs des Gärtnerplatztheaters mit all seinen Repertoireüberlappungen argusäugig beobachtet. Was für ein schöner Seitenhieb auf den Konkurrenzbetrieb und den künftigen Theaterleiter, dass sich Klaus Schultz für seine letzte große Premiere nun ausgerechnet Luigi Nonos epochales Werk "Intolleranza 1960" ausgesucht hat.

Die ganze Kritik von Stephan Schwarz in der Stuttgarter Zeitung hier!

...tja Freunde...

... - nun haltet Euch fest: das sagt die Süddeutsche über mein Tun am Sonntag abend:

Bezeichnend und ein wenig verwirrend ist es schon, dass diese letzte große Premiere der Schultz-Zeit nicht von David Stahl, dem Musikchef des Hauses, dirigiert wird. Statt seiner steht, wie schon so häufig, der fabelhafte Ekkehard Klemm am Pult, und Regisseurin Florentine Klepper hat ihn endlich einmal dort hingestellt, wo er hingehört: ins Zentrum, oben auf die Bühne, wo sich Orchester und Chor befinden. Klemm ist ein mitreißender Handwerker, einer, der Rossini so ernst nimmt wie Nono, der federnd befeuern, sensibel begleiten kann, der sich vor nichts fürchtet und neugierig ist, aber nie unkritisch. Der ideale Musiker für solch ein Haus. Nonos lyrisch verzweifelte und hochexpressiv romantische Klage dirigiert er wie die einfachste Sache der Welt. Schlicht und genau schafft er mit den Musikern "atmendes Klarsein", das elegant betörend vom Stillstand sich aufschwingt in gellende Verzweiflung, sich dann entspannt, verflüchtigt. Dazu lässt sich dieses Hausorchester verführen, zu dieser Brillanz kann es fähig sein.

- oder, wie ein Künstlerkollege treffend bemerkte: so eine Kritik bekommt man nur einmal im Leben. Wie alles muß sie relativiert werden: die Oper DAS BEBEN ist nicht nach Kafka, sondern nach Kleist; und sicher hätte der Gärtnerplatzchor einiges mehr live hinbekommen - Nono aber schreibt Lautsprecher und Tonband vor... Trotzdem, verehrter Brembeck: danke für diese Blumen.

Leider kommt die Regie weniger gut weg - was ungerecht ist: Florentine Klepper hat sich auf das Orchester auf der Bühne eingelassen und daraus Konzept gemacht. Das bekommt sie nun teilweise vorgeworfen. Anders aber hätte das Stück überhaupt nicht gespielt werden können - in den Graben paßt es nicht im Gärtnerplatz. Und die Bilder, die sie gefunden hat, sind keine Bebilderungen der Geschichte, sondern befassen sich mit unserer Art der Auseinandersetzung mit Folter, Krieg und Unterdrückung. Schade, daß das offenbar nicht verstanden wird. Auch die allseits (in den anderen Zeitungen) kritisierte Schauspielszene in der Mitte ist mehr wert, als die Kritik vermeint: Nono wollte an dieser Stelle Absurditäten des Alltags (von 1960!) vorführen lassen (ohne Musik) - jetzt steht ein Text dort mit den Absurditäten von heute von Klimakatastrophe über Versicherungsgesellschaften bis hin zu Weltmarkt und Behörden. Schlagwörter von heute in einem Kassandratext: die Katastrophe hat bereits stattgefunden. Das wurde nicht verstanden, stattdessen wird der Text abgestraft und als dem großen Nono gegenüber nicht ebenbürtig eingestuft. Ich meine, Nono hätte diese Idee der Aktualisierung interessant gefunden - er war immer auf dem Weg. Stattdessen wird er nun schon glorifiziert - das dürfte den eigentlichen Absichten zuwider laufen.

12
Mai
2007

INTOLLERANZA 1960

...so der genaue Titel der morgigen Premiere.

Erste Eindrücke von Plakat:

Intolleranza

und Bühne, in die hineingewoben das Orchester platziert ist:

Intolleranza-Buehne

Und hier weitere Fotos und etwas zum Stück.

9
Mai
2007

Ferneyhough

Ferneyhough_resized_kk_resized

Ich werde von meinen Schülern überholt - gutes Zeichen: einer von ihnen - Lennart Dohms - wird, dieweil ich bei Nono (ver)weile, den neuen "Ernst von Siemens Musikpreis"-träger Ferneyhough am heutigen Mittwoch in der Dresdner Hochschule vorstellen mit dem hochartifiziellen Ensemblestück "La Chute d'Icare". Tiefer Respekt vor den 9 StudentInnen, die in den letzten 4 Wochen für dieses etwa 10-minütige Werk ihr Selbstverständnis als MusikerIn haben in Frage stellen lassen... Es hat sich gelohnt! Musik kommt nicht voran ohne diese Art von existenzieller Auseinandersetzung.

Man mag - wie es mir z.T. noch geht - Ferneyhoughs Ansatz als intellektuell empfinden, die Faszination vor einem Phänomen bleibt. Werde/n wir/ich diese Musik begreifen? Vielleicht nicht. Aber etliches andere wird dadurch faßlicher, ja kinderleicht. Fast möchte ich sagen: z.B. Nono...

7
Mai
2007

...ziemlich einmalig

dürfte die anspruchsvolle Folge moderner Werke sein, die im Münchner Gärtnerplatz demnächst geboten wird. Wobei erwähnenswert ist, daß das Haus zur gleichen Zeit auch CARMEN, TRAVIATA, LUSTIGE WEIBER, Operette und Ballett gibt und vieles mehr. Die von mir dirigierten Abende:


13.5. INTOLLERANZA
17.5. INTOLLERANZA
19.5. IDOMENEO
20.5. INTOLLERANZA
06.7. IDOMENEO
13.7. INTOLLERANZA
17.7. MAJAKOWSKIS TOD
20.7. BEBEN
21.7. BEBEN
23.7. INTOLLERANZA
25.7. MAJAKOWSKIS TOD

5
Mai
2007

INTOLLERANZA

Kielspur

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: gerade von den Bühnen-Orchesterproben zu Nonos aufregender 'szenischer Aktion' zurückgekehrt - in tiefem Respekt vor Ensemble, Chor und Orchester des Münchner GPT sowie einem leidenschaftlich und präzise arbeitenden Regieteam. Wenn Freude vor einer Premiere nicht so entsetzlich gefährlich wäre...

Vorerst der Tipp für die obige DVD, die u.a. hier zu bekommen ist.
logo

Weblog des Dirigenten Ekkehard Klemm, Dresden

Ansichten, Einsichten, Rücksichten, Aussichten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Archiv

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Uraufführungen seit 1998,...
Aus Anlass der morgigen (heutigen...) Uraufführung...
klemmdirigiert - 2016-10-01 00:30
Einojuhani Rautavaara...
Aus Anlass der Premiere der Oper DAS SONNENHAUS schickte...
klemmdirigiert - 2016-08-25 01:05
Einojunahni Rautavaara...
Programmhefttext für die deutsche Erstaufführung 1994...
klemmdirigiert - 2016-08-25 01:01
Einojuhani Rautavaara...
(Foto: Sini Rautavaara - bei meinem Besuch in Helsinki...
klemmdirigiert - 2016-08-25 00:54
...wuchernder Kanon mit...
Eine Einführung zum "Ricercar a 5,9", Uraufführung...
klemmdirigiert - 2016-08-24 23:34

Musikliste

Suche

 

Status

Online seit 7066 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 2016-10-01 00:30

Mein Lesestoff